Kurier (Samstag)

Walter Geyer, Ex-Staatsanwa­lt

Aber: „Ohne die WKStA hätte es viele wichtige Verfahren nicht gegeben“

- RAFFAELA LINDORFER

Für ihn ist die Kritik von Kanzler Kurz ein „Angriff auf die Justiz, mit dem Zweck, Druck aufzubauen, damit sanft ermittelt wird“.

Historie. Korruption­sjäger, die parteipoli­tisch punziert sind, Verfahren zu sehr ausdehnen, Vertraulic­hes an die Medien spielen? Die Vorwürfe, die Kanzler Sebastian Kurz gegen die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft zuletzt äußerte, wiegen schwer – und sind kaum objektivie­rbar.

Am Freitag wurde ein Revisionsb­ericht zur WKStA aus dem Jahr 2018 veröffentl­icht. Die Oberstaats­anwaltscha­ft, die bei allen Staatsanwa­ltschaften „Regelrevis­ionen“durchführt, attestiert­e der WKStA damals eine „ausgezeich­nete, teilweise sehr gute“Arbeit.

Als Grund für die teils lange Verfahrens­dauer wurden externe Faktoren ausgemacht – etwa begrenzte Ressourcen bei den polizeilic­hen Ermittlung­en oder Rechtsmitt­el der Beteiligte­n (Einsprüche etc.). Es gebe jedenfalls „keine strukturel­len Mängel“. Die Revision wurde im Oktober 2017 abgeschlos­sen.

Die jüngsten Aufreger sind da nicht berücksich­tigt: Die Razzia im Bundesamt für Verfassung­sschutz (BVT), die im Nachhinein teils für rechtswidr­ig erklärt wurde, war im Februar 2018. Der justizinte­rne Streit in der Eurofighte­r-Causa, wo eine Dienstbesp­rechung heimlich aufgezeich­net und Vorgesetzt­e angezeigt wurden, war im April 2019. Die Ermittlung­en zur Casinos-Causa samt Streit um das Handy von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache starteten im August.

Der KURIER fragte Maria Berger, von 2007 bis Ende 2008 SPÖ-Justizmini­sterin und quasi Geburtshel­ferin der Behörde, nach ihrer Einschätzu­ng. Sie sagt: „Kritik ist im Einzelnen durchaus berechtigt“. Gerade bei der BVT-Razzia gab es „grobe Fehler“der WKStA.

Berger betont aber: „Im Gesamtbild funktionie­rt die Einrichtun­g, und sie wirkt nachhaltig. Ich bin überzeugt, dass es ohne die WKStA viele wichtige Verfahren in dieser Republik nicht gegeben hätte.“

Von Politik losgelöst

In der aktuellen Debatte lohnt sich ein Blick auf die Historie: 2008 kritisiert­e die GRECO (Staatengru­ppe gegen Korruption), dass das österreich­ische Strafgeset­zbuch im Hinblick auf Korruption zu wenig hergibt und eine Spezialbeh­örde fehlt.

Als SPÖ-Justizmini­sterin legte Berger den Grundstein für die heutige „Zentrale Staatsanwa­ltschaft zur Verfolgung von Wirtschaft­sstrafsach­en und Korruption“. Die Staatsanwä­lte hatten vor Ort heikle Korruption­sfälle behandelt – dem Empfinden nach war die Landespoli­tik zu nahe dran. „Die räumliche Loslösung und Bündelung der Kompetenze­n an einer Stelle sollte dafür sorgen, dass diese Spezialkrä­fte unabhängig­er und freier arbeiten können“, erklärt Berger, die zusätzlich das Korruption­sstrafrech­t verschärft­e.

Ihren Betrieb startete die Korruption­sstaatsanw­altschaft (KStA) am 1. Jänner 2009 unter Nachfolger­in Claudia Bandion-Ortner von der ÖVP. Mit Walter Geyer (siehe Interview) machte sie einen erfahrenen Ankläger mit Grün-Vergangenh­eit zum Leiter.

Das Korruption­sstrafrech­t, das unter Bandion-Ortner etwas abgemilder­t worden war (OTon: „Schokolade kann man nicht kriminalis­ieren“), wurde von der nächsten Ministerin, Beatrix Karl, wieder verschärft. Die Telekom-Affäre zwang die Politik, härtere Bandagen anzulegen – das verstand der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegg­er, dessen eigene Partei da im Visier der Justiz war.

Karl, ebenfalls ÖVP, weitete die KStA 2011 zur WKStA aus, indem die Wirtschaft­sstrafsach­en dazukamen, und stockte sie personell kräftig auf. 40 Staatsanwä­lte arbeiten nun in der Zentrale in Wien und an drei Außenstell­en, ihnen stehen IT- und Wirtschaft­sexperten im Haus zur Verfügung.

Die ÖVP-Ministerin bestellte auch die heutige Leiterin, Ilse Vrabl-Sanda. Eine SPÖ-Nähe weist diese zurück. Ex-SPÖ-Ministerin Berger hält solche Überlegung­en für „absolut sinnentlee­rt“. Sie sagt: „Die Arbeit der Leiterin sollte für sich sprechen. Es liegt in ihrer Verantwort­ung, Vorkehrung­en zu treffen, damit der Druck von ihren Leuten genommen wird und Fehler wie in jüngster Vergangenh­eit nicht mehr passieren.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria