Walter Geyer, Ex-Staatsanwalt
Aber: „Ohne die WKStA hätte es viele wichtige Verfahren nicht gegeben“
Für ihn ist die Kritik von Kanzler Kurz ein „Angriff auf die Justiz, mit dem Zweck, Druck aufzubauen, damit sanft ermittelt wird“.
Historie. Korruptionsjäger, die parteipolitisch punziert sind, Verfahren zu sehr ausdehnen, Vertrauliches an die Medien spielen? Die Vorwürfe, die Kanzler Sebastian Kurz gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zuletzt äußerte, wiegen schwer – und sind kaum objektivierbar.
Am Freitag wurde ein Revisionsbericht zur WKStA aus dem Jahr 2018 veröffentlicht. Die Oberstaatsanwaltschaft, die bei allen Staatsanwaltschaften „Regelrevisionen“durchführt, attestierte der WKStA damals eine „ausgezeichnete, teilweise sehr gute“Arbeit.
Als Grund für die teils lange Verfahrensdauer wurden externe Faktoren ausgemacht – etwa begrenzte Ressourcen bei den polizeilichen Ermittlungen oder Rechtsmittel der Beteiligten (Einsprüche etc.). Es gebe jedenfalls „keine strukturellen Mängel“. Die Revision wurde im Oktober 2017 abgeschlossen.
Die jüngsten Aufreger sind da nicht berücksichtigt: Die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT), die im Nachhinein teils für rechtswidrig erklärt wurde, war im Februar 2018. Der justizinterne Streit in der Eurofighter-Causa, wo eine Dienstbesprechung heimlich aufgezeichnet und Vorgesetzte angezeigt wurden, war im April 2019. Die Ermittlungen zur Casinos-Causa samt Streit um das Handy von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache starteten im August.
Der KURIER fragte Maria Berger, von 2007 bis Ende 2008 SPÖ-Justizministerin und quasi Geburtshelferin der Behörde, nach ihrer Einschätzung. Sie sagt: „Kritik ist im Einzelnen durchaus berechtigt“. Gerade bei der BVT-Razzia gab es „grobe Fehler“der WKStA.
Berger betont aber: „Im Gesamtbild funktioniert die Einrichtung, und sie wirkt nachhaltig. Ich bin überzeugt, dass es ohne die WKStA viele wichtige Verfahren in dieser Republik nicht gegeben hätte.“
Von Politik losgelöst
In der aktuellen Debatte lohnt sich ein Blick auf die Historie: 2008 kritisierte die GRECO (Staatengruppe gegen Korruption), dass das österreichische Strafgesetzbuch im Hinblick auf Korruption zu wenig hergibt und eine Spezialbehörde fehlt.
Als SPÖ-Justizministerin legte Berger den Grundstein für die heutige „Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“. Die Staatsanwälte hatten vor Ort heikle Korruptionsfälle behandelt – dem Empfinden nach war die Landespolitik zu nahe dran. „Die räumliche Loslösung und Bündelung der Kompetenzen an einer Stelle sollte dafür sorgen, dass diese Spezialkräfte unabhängiger und freier arbeiten können“, erklärt Berger, die zusätzlich das Korruptionsstrafrecht verschärfte.
Ihren Betrieb startete die Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) am 1. Jänner 2009 unter Nachfolgerin Claudia Bandion-Ortner von der ÖVP. Mit Walter Geyer (siehe Interview) machte sie einen erfahrenen Ankläger mit Grün-Vergangenheit zum Leiter.
Das Korruptionsstrafrecht, das unter Bandion-Ortner etwas abgemildert worden war (OTon: „Schokolade kann man nicht kriminalisieren“), wurde von der nächsten Ministerin, Beatrix Karl, wieder verschärft. Die Telekom-Affäre zwang die Politik, härtere Bandagen anzulegen – das verstand der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger, dessen eigene Partei da im Visier der Justiz war.
Karl, ebenfalls ÖVP, weitete die KStA 2011 zur WKStA aus, indem die Wirtschaftsstrafsachen dazukamen, und stockte sie personell kräftig auf. 40 Staatsanwälte arbeiten nun in der Zentrale in Wien und an drei Außenstellen, ihnen stehen IT- und Wirtschaftsexperten im Haus zur Verfügung.
Die ÖVP-Ministerin bestellte auch die heutige Leiterin, Ilse Vrabl-Sanda. Eine SPÖ-Nähe weist diese zurück. Ex-SPÖ-Ministerin Berger hält solche Überlegungen für „absolut sinnentleert“. Sie sagt: „Die Arbeit der Leiterin sollte für sich sprechen. Es liegt in ihrer Verantwortung, Vorkehrungen zu treffen, damit der Druck von ihren Leuten genommen wird und Fehler wie in jüngster Vergangenheit nicht mehr passieren.“