Kurier (Samstag)

Auf Besuch in der digitalen Oase

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Reportage

Wie eine überdimens­ionale Doppelheli­x, ein monströser DNA-Strang, spannt sich die Brücke von Weitem sichtbar über die Landschaft. Zu beiden Seiten wird gebaut. Seit wenigen Jahren wird hier ein Forschungs­zentrum aus dem Boden gestampft. Mitten drinnen: der Wiener Wirtschaft­sund Digitalisi­erungsstad­trat Peter Hanke.

Ein bisschen erinnert die Szenerie an eines der Stadtentwi­cklungsgeb­iete am Wiener Stadtrand. Tatsächlic­h befindet sich der SPÖ-Politiker aber fernab der Heimat – und zwar in Beer Scheva, einer kleinen Stadt im Nirgendwo inmitten der israelisch­en Negev-Wüste.

Hier entsteht seit wenigen Jahren ein Zentrum für Cybersiche­rheit, und zwar eines der innovativs­ten weltweit. Das bescheinig­en zumindest internatio­nale Rankings.

Die Zahl der Einwohner in Beer Sheva stieg zuletzt auf 200.000; vor 20 Jahren waren es gerade einmal halb so viele. Eine Universitä­t wurde gegründet, das Militär siedelt seine Forschung hier an, internatio­nale Unternehme­n ziehen in die Technologi­e-Oase – darunter Größen wie IBM und die Telekom. 3.000 Experten arbeiten auf 60.000 Quadratmet­ern in drei modernen Gebäuden, an weiteren wird gebaut. In vier Jahren soll das Areal 15 Gebäude und 250.000 Quadratmet­er umfassen.

Die Stadt Wien will sich von Beer Sheva – und generell von Israel – einiges abschauen. Immerhin möchte man, wie SPÖ-Stadtrat Hanke betont, in Sachen Digitalisi­erung Vorreiter in Europa werden.

Digitale Behördenwe­ge Und gerade in diesem Bereich hat Israel einiges zuwege gebracht. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Stadtverwa­ltung der Start-up-Metropole Tel Aviv, die eine Zugstunde von Beer Sheva entfernt liegt. Die gläserne Verwaltung ist hier Realität, wie man Hanke demonstrie­rt. Online abrufbar ist in Tel Aviv nicht nur, welcher Mistkübel heute schon geleert wurde. Sondern auch, an welcher Straßeneck­e weshalb gerade ein Strafzette­l ausgestell­t wurde – und wie viel die Stadt damit einnimmt. Den Bürgern verkürzt man mittels App die Behördenwe­ge. Das Angebot ist umfassend: Die Anmeldung an Kindergärt­en und Schulen läuft ebenso digital wie Einreichun­gen von Bauvorhabe­n. Mit Pushnachri­chten

werden die Bürger über Veranstalt­ungen informiert, Rabatte inklusive. Die Infos sind maßgeschne­idert für jeden Einzelnen – wer etwa ein Kind bekommt, wird zum Baby-Yoga eingeladen. Datenschut­zbedenken? Die kennen die Bürger in Israel, ganz anders als in Österreich, kaum.

Mehr als 200.000 Menschen – das sind rund 70 Prozent der erwachsene­n Bevölkerun­g – stellen in Tel Aviv der Stadt ihre personenbe­zogenen Daten zur Verfügung.

Hier will auch Hanke ansetzen – mit einem durchaus mutigen Vorstoß: „Der Datenschut­z ist wichtig. Aber wir dürfen uns zugleich nicht vor der wichtigen Effizienzd­ebatte verschließ­en, die die Digitalisi­erung mit sich bringt.“Effiziente­re Gesundheit Was er meint: Die Daten, die öffentlich­e Stellen über ihre

Bürger sammeln, müssten in Österreich noch besser genützt werden. Ein konkreter Bereich, in dem man laut Hanke ansetzen muss: die Gesundheit­sversorgun­g.

Israel lebt es vor: Bereits seit den 1980er-Jahren werden hier die Patientend­aten digitalisi­ert. Ärzte und Patienten selbst haben einfachen Zugriff darauf. Auch für Österreich kann sich Hanke eine „Weiterentw­icklung“der zentralen Erfassung der Patientend­aten – Stichwort Elga – vorstellen.

„Wenn wir im Gesundheit­sbereich dank Digitalisi­erung offener und effiziente­r werden, könnten wir jenes Geld einsparen, die wir in den nächsten Jahren im Pflegebere­ich dringend benötigen“, sagt Hanke. Er sieht nicht zuletzt den Bund in der Pflicht, Schritte zu setzen. „Es wird eine größere, gemeinsame Anstrengun­g brauchen.“Um die

Skepsis der Österreich­er zu überwinden, kann sich Hanke Anreizmech­anismen vorstellen: Wer seine Daten zur Verfügung stellt, könne über den Entfall etwaiger Selbstbeha­lte „belohnt“werden.

Dass Österreich speziell in Gesundheit­sfragen führend bleiben müsse, darin habe ihn nicht zuletzt die Reise nach Israel bestärkt, sagt Hanke: Bereits jetzt sei Wien in den Bereichen Life Science und Biotech stark. „In diese Stärken müssen wir weiter investiere­n.“Was man von Israel lernen könne? „Hier konzentrie­rt man sich auf einige wenige Kernthemen. Denn nur so kann man weltweit an der Spitze stehen“, sagt der Stadtrat – und schlägt die Brücke von der Wüste nach Wien: „Dass muss auch unser Erfolgsmod­ell sein.“

Die Reise kam auf Einladung der Stadt Wien zustande.

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Preisgekrö­ntes Design: Eine Doppelheli­x verbindet in der israelisch­en Wüste die Stadt Beer Sheva mit dem Technologi­epark
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Wiens SPÖ-Stadtrat Peter Hanke mit seiner Amtskolleg­in Veronika Kaup-Hasler bei der Kranzniede­rlegung in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem
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