Auf Besuch in der digitalen Oase
Reportage
Wie eine überdimensionale Doppelhelix, ein monströser DNA-Strang, spannt sich die Brücke von Weitem sichtbar über die Landschaft. Zu beiden Seiten wird gebaut. Seit wenigen Jahren wird hier ein Forschungszentrum aus dem Boden gestampft. Mitten drinnen: der Wiener Wirtschaftsund Digitalisierungsstadtrat Peter Hanke.
Ein bisschen erinnert die Szenerie an eines der Stadtentwicklungsgebiete am Wiener Stadtrand. Tatsächlich befindet sich der SPÖ-Politiker aber fernab der Heimat – und zwar in Beer Scheva, einer kleinen Stadt im Nirgendwo inmitten der israelischen Negev-Wüste.
Hier entsteht seit wenigen Jahren ein Zentrum für Cybersicherheit, und zwar eines der innovativsten weltweit. Das bescheinigen zumindest internationale Rankings.
Die Zahl der Einwohner in Beer Sheva stieg zuletzt auf 200.000; vor 20 Jahren waren es gerade einmal halb so viele. Eine Universität wurde gegründet, das Militär siedelt seine Forschung hier an, internationale Unternehmen ziehen in die Technologie-Oase – darunter Größen wie IBM und die Telekom. 3.000 Experten arbeiten auf 60.000 Quadratmetern in drei modernen Gebäuden, an weiteren wird gebaut. In vier Jahren soll das Areal 15 Gebäude und 250.000 Quadratmeter umfassen.
Die Stadt Wien will sich von Beer Sheva – und generell von Israel – einiges abschauen. Immerhin möchte man, wie SPÖ-Stadtrat Hanke betont, in Sachen Digitalisierung Vorreiter in Europa werden.
Digitale Behördenwege Und gerade in diesem Bereich hat Israel einiges zuwege gebracht. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Stadtverwaltung der Start-up-Metropole Tel Aviv, die eine Zugstunde von Beer Sheva entfernt liegt. Die gläserne Verwaltung ist hier Realität, wie man Hanke demonstriert. Online abrufbar ist in Tel Aviv nicht nur, welcher Mistkübel heute schon geleert wurde. Sondern auch, an welcher Straßenecke weshalb gerade ein Strafzettel ausgestellt wurde – und wie viel die Stadt damit einnimmt. Den Bürgern verkürzt man mittels App die Behördenwege. Das Angebot ist umfassend: Die Anmeldung an Kindergärten und Schulen läuft ebenso digital wie Einreichungen von Bauvorhaben. Mit Pushnachrichten
werden die Bürger über Veranstaltungen informiert, Rabatte inklusive. Die Infos sind maßgeschneidert für jeden Einzelnen – wer etwa ein Kind bekommt, wird zum Baby-Yoga eingeladen. Datenschutzbedenken? Die kennen die Bürger in Israel, ganz anders als in Österreich, kaum.
Mehr als 200.000 Menschen – das sind rund 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – stellen in Tel Aviv der Stadt ihre personenbezogenen Daten zur Verfügung.
Hier will auch Hanke ansetzen – mit einem durchaus mutigen Vorstoß: „Der Datenschutz ist wichtig. Aber wir dürfen uns zugleich nicht vor der wichtigen Effizienzdebatte verschließen, die die Digitalisierung mit sich bringt.“Effizientere Gesundheit Was er meint: Die Daten, die öffentliche Stellen über ihre
Bürger sammeln, müssten in Österreich noch besser genützt werden. Ein konkreter Bereich, in dem man laut Hanke ansetzen muss: die Gesundheitsversorgung.
Israel lebt es vor: Bereits seit den 1980er-Jahren werden hier die Patientendaten digitalisiert. Ärzte und Patienten selbst haben einfachen Zugriff darauf. Auch für Österreich kann sich Hanke eine „Weiterentwicklung“der zentralen Erfassung der Patientendaten – Stichwort Elga – vorstellen.
„Wenn wir im Gesundheitsbereich dank Digitalisierung offener und effizienter werden, könnten wir jenes Geld einsparen, die wir in den nächsten Jahren im Pflegebereich dringend benötigen“, sagt Hanke. Er sieht nicht zuletzt den Bund in der Pflicht, Schritte zu setzen. „Es wird eine größere, gemeinsame Anstrengung brauchen.“Um die
Skepsis der Österreicher zu überwinden, kann sich Hanke Anreizmechanismen vorstellen: Wer seine Daten zur Verfügung stellt, könne über den Entfall etwaiger Selbstbehalte „belohnt“werden.
Dass Österreich speziell in Gesundheitsfragen führend bleiben müsse, darin habe ihn nicht zuletzt die Reise nach Israel bestärkt, sagt Hanke: Bereits jetzt sei Wien in den Bereichen Life Science und Biotech stark. „In diese Stärken müssen wir weiter investieren.“Was man von Israel lernen könne? „Hier konzentriert man sich auf einige wenige Kernthemen. Denn nur so kann man weltweit an der Spitze stehen“, sagt der Stadtrat – und schlägt die Brücke von der Wüste nach Wien: „Dass muss auch unser Erfolgsmodell sein.“
Die Reise kam auf Einladung der Stadt Wien zustande.