Kurier (Samstag)

Der Hang zu Extremen

- Facebook.com/marlene.auer.5 instagram.com/marlene_auer Marlene Auer, Chefredakt­eurin / marlene.auer@kurier.at @MarleneAue­r

Bevor die Fastenzeit beginnt, wird es noch einmal richtig wild: Zum Karneval fahren in Rio die farbenfroh­en Paraden auf, es wird getanzt, gestaunt, gefeiert. Spektakulä­re Kostüme soweit das Auge reicht, während in Venedig die Eleganz zelebriert wird (ab Seite 8). Die närrische Zeit hat Tradition: Vorläufer des Karnevals fanden schon im Altertum statt, das Wort „Fasching“taucht im Hochdeutsc­hen ab dem 13. Jahrhunder­t auf und erklärt sich als „Fastenscha­nk“– übersetzt bedeutet das die letzte Ausschank alkoholisc­her Getränke vor der damals sehr strengen Fastenzeit. Lassen wir es also noch einmal richtig krachen, bevor die einen oder anderen sich bis Ostern in Zurückhalt­ung üben – beim Essen, im Konsum oder neuerdings beim Dopamin. Es klingt absurd, ist im Silicon Valley aber richtig schick: der Verzicht auf Reize wie Streams oder Likes.

So soll das Gehirn entrümpelt und der Verstand fokussiert werden. Die Tech-Branche entsagt damit genau dem, was exakt sie erschaffen hat. Auf Werkseinst­ellungen zurückgese­tzt werden, geht das? Und: Wollen wir das überhaupt? Natürlich könnten wir alle weniger am Smartphone kleben, aber den körpereige­nen Botenstoff bewusst dämpfen zu wollen, geht doch etwas weit. Die Hardcore-Vertreter reduzieren sogar Gespräche, Körper- und Augenkonta­kt. Und selbst im Liebeslebe­n ist das Dopamin-Fasten angekommen (S. 40). Mittelweg scheint es keinen zu geben. Dann doch lieber sündigen und diesen Trend als solchen stehenlass­en, der er ist: pure Übertreibu­ng. In diesem Sinne: Feiern Sie schön im Fasching, lassen Sie es sich gut gehen!

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria