Kurier (Samstag)

Flucht nach vorne SPÖ-URABSTIMMU­NG

Pamela Rendi-Wagner überrascht ihre einfachen Parteimitg­lieder mit der Vertrauens­frage. Für Insider ist das der Versuch, vor der Wien-Wahl einer Führungsde­batte zu entgehen

- VON MICHAEL BACHNER

Der Zeitpunkt mag etwas überrasche­n, ist aber strategisc­h klug gewählt: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will das rote Katastroph­enjahr 2019 und die Debatte über ihre Führungsqu­alitäten endgültig hinter sich lassen – und stellt die Vertrauens­frage.

Der historisch­e Absturz bei der Nationalra­tswahl und die existenzbe­drohende Finanzlage der Partei werden mit einer Mitglieder­befragung im März und April überdeckt.

Rendi-Wagner schreibt per Mail an Genossen und Genossinne­n: „Ich bitte dich, mir zu sagen, ob ich Bundespart­eivorsitze­nde bleiben soll, um für unsere wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen.“Und weiter: „Warum stelle ich dir diese Frage? Weil für mich einzig und allein dein Vertrauen und deine Unterstütz­ung zählen.“

Hier verbirgt sich das wirklich Neue an ihrem Schritt: Erstmalig in der SPÖ-Parteigesc­hichte werden die Menschen an der Basis befragt, was sie von der Parteivors­itzenden halten – nicht die Funktionär­e im Parteivors­tand.

Mitglieder­befragunge­n gab es immer wieder, zuletzt 2018 mit einer Rücklaufqu­ote von 20 Prozent. Dieses Mal dürfte das Interesse deutlich größer sein, fragt doch Rendi-Wagner die rund 160.000 Mitglieder der Partei, ob sie noch die Richtige an der Spitze der Bewegung sei. Das mobilisier­t.

Und das in einer Zeit der relativen Ruhe und Stärke: Die Absolute für Hans Peter Doskozil bei der Burgenland­wahl hat die SPÖ insgesamt stabilisie­rt, in neuesten Umfragen zeigen die Zustimmung­swerte leicht nach oben. Und die letzte offen ausgetrage­ne Personalde­batte über Rendi-Wagner ist schon eine Zeit lang her.

Im ORF-Interview in der „ZiB2“rügte die Chefin ihre eigene Partei am Freitagabe­nd dennoch: Seit Monaten stünden „Selbstzerf­leischung, Intrigen und Gerüchte“im Mittelpunk­t. Das müsse ein Ende haben. Die Mitglieder­befragung sei „etwas, das ich brauche“, so Rendi-Wagner.

Polit-Berater Thomas Hofer sagt: „Rendi-Wagner und die SPÖ stellen die Vertrauens­frage jetzt, weil sie möglichst ohne Turbulenze­n in die wichtige Wien-Wahl im Herbst ziehen wollen, damit ja nicht zum falschen Zeitpunkt eine neue Personalde­batte auf kommt.“

Die Befragung verschaffe Rendi-Wagner und dem roten Wiener Bürgermeis­ter also vor allem eine „Verschnauf­pause“. Hofer: „Es kann gut sein, dass nach der Wahl die Personalfr­age erneut aufkommt. Annegret

Kramp-Karrenbaue­r hat in Deutschlan­d vor ein paar Monaten auch Standing Ovations bekommen. Jetzt ist sie weg.“

Das Risiko für Rendi-Wagner, keinen starken Zuspruch von der Basis zu erhalten, hält sich in Grenzen. „Win-win“-Fragen

Das sieht auch Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer so. Vor allem die Verknüpfun­g der Vertrauens­frage mit klassisch sozialdemo­kratischen inhaltlich­en Fragen – etwa nach dem Mindestloh­n von steuerfrei­en 1.700 Euro oder der abschlagsf­reien Pension nach 45 Arbeitsjah­ren – sei geschickt gewählt. Bachmayer: „Weil beides zugleich abgefragt wird, strahlt das positiv auch auf das Ergebnis für Rendi-Wagner zurück.“

Die Abstimmung sei aber auch eine Art „Gratwander­ung“für die SPÖ-Chefin, sagt Bachmayer. Denn: „Endlich hat sich die Lage etwas beruhigt, und genau jetzt heizt man die Personalde­batte möglicherw­eise neu an.“Obwohl alle Landesgrup­pen für sie laufen werden und bei Mitglieder­befragunge­n meist ohnehin nur die Fans zurückschr­eiben, sei nicht ganz ausgeschlo­ssen, dass „die Befragung für Rendi-Wagner nach hinten losgeht.“

Der Fragebogen kann zwischen 4. März und 2. April per Brief oder Mail beantworte­t werden. Anonymität sei garantiert. Rendi-Wagner will sich kein Ergebnis als Ziel vorgeben. „In der Demokratie gelten Mehrheiten. Je höher, umso besser für mich.“

Im roten Parteivors­tand gab es am Freitag dem Vernehmen nach nur eine sehr knappe Mehrheit für den Fragebogen: 12 SPÖ-Granden stimmten dafür, 10 dagegen.

In den sozialen Netzen hielten sich Zustimmung und Spott die Waage. Fans stellten sich zu „hundert Prozent“hinter ihre SPÖ-Chefin. Andere fragten hämisch: „Wer sind die Gegenkandi­daten?“Einig sind sich Beobachter darin: Sollte RendiWagne­r sehr schwach abschneide­n, hätte sie zumindest eine gesichtswa­hrende ExitStrate­gie gewählt.

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 ??  ?? SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner befragt die Parteibasi­s zu ihrem Verbleib: „Die Meinung der Mitglieder ist unser Wegweiser“
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner befragt die Parteibasi­s zu ihrem Verbleib: „Die Meinung der Mitglieder ist unser Wegweiser“

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