Kurier (Samstag)

USA gegen China: Kalter Krieg der Supermächt­e ums schnelle Internet

Europa wird wieder zum Spielball zwischen Ost und West

- AUS MÜNCHEN INGRID STEINER-GASHI

München. Bei der Münchener Sicherheit­skonferenz ging es am Freitag im Konflikt der Supermächt­e USA und China heiß her. Rund um den Ausbau des 5G-Mobilfunkn­etzes rief Nancy Pelosi, die Vorsitzend­e des US-Repräsenta­ntenhauses, alle westlichen Demokratie­n auf, nicht ihre nationalen Infrastruk­turen an China zu übergeben. Gleichzeit­ig machten die USA Europa ein Angebot, beim Aufbau des 5G-Netzes unter die Arme zu greifen, um so den führenden chinesisch­en Mobilfunka­nbieter Huawei vom Markt fernzuhalt­en.

Neue Vorwürfe Am Freitag hagelte es indes neue Vorwürfe aus den USA gegen den China-Konzern. Staatsanwä­lte beschuldig­ten Huawei in einer weiteren Klage, in den USA Geschäftsg­eheimnisse gestohlen zu haben. Außerdem soll das chinesisch­e Unternehme­n dem Iran bei der Überwachun­g regierungs­kritischer Demonstran­ten geholfen und damit gegen US-Sanktionen verstoßen haben. In China reagierte man darauf am Freitag irritiert.

So etwas gibt es nur einmal im Jahr: Wenn Kanzler Sebastian Kurz mit seinem Team durch die verwinkelt­en Gänge des legendären Luxushotel­s Bayerische­r Hof eilt und dabei auf den chinesisch­en oder amerikanis­chen oder russischen Außenminis­ter stößt; wenn er schnell mal Frankreich­s Präsident Macron die Hände schüttelt oder im Vorbeigehe­n Afghanista­ns Staatschef Ghani zuwinkt – dann ist Sicherheit­skonferenz in München. Nirgendwo auf der Welt drängen sich mehr höchstrang­ige internatio­nale Entscheidu­ngsträger auf engerem Raum, um die drängendst­en Probleme der Welt zu besprechen.

Doch man sollte sich nicht täuschen. Hinter der freundlich­en Fassade des Treffens geht es um beinharte Machtpolit­ik – ausgetrage­n dieses Mal in München speziell zwischen den USA und China. Die westliche Weltmacht, die ihre Technologi­ehoheit nicht an Peking verlieren will, gegen den aufgestieg­enen Hegemon im Fernen Osten. Neuer „Kalter Krieg“Ausgetrage­n wird dieser neue „Kalte Krieg“nicht zuletzt auf europäisch­em Rücken. So reiste die gewichtig auftretend­e US-Delegation mit einem lockenden Konzept nach München an: Die Europäer sollen überzeugt werden, beim Aufbau des 5-G-Netzwerkes die Finger vom chinesisch­en Anbieter Huawei zu lassen. Neben altbekannt­en Drohungen stellen die USA aber dieses Mal in Aussicht, die europäisch­en HuaweiKonk­urrenten mit hunderten Millionen amerikanis­cher Dollar „aufzumuske­ln“.

Das aber weckte in München bei den Europäern gleich die Sorge, im Machtkampf zwischen Peking und Washington vollends aufgeriebe­n zu werden. Die EU müsse ihre Unternehme­n stärken, und ihre Wettbewerb­sfähigkeit erhalten, mahnte Kurz. „Es ist wichtig, dass wir eine geeinte Europäisch­e Union sind“, sagte er. Und es gelte Gräben innerhalb der EU, aber auch jene mit „unseren natürliche­n Verbündete­n“zuzuschütt­en.

Generell beschäftig­t die Teilnehmer der dreitägige­n Sicherheit­skonferenz die Frage: Verliert die EU im immer schärfer werdenden Wettkampf zwischen USA und China gefährlich an Bedeutung? Oder ist es der Westen überhaupt, der Macht und Rang an China verliert? Wohin steuert Europa? Zusammen mit Kanadas Premier Justin Trudeau und der norwegisch­en Premiermin­isterin Erna Solberg debattiert­e Kurz am Freitagnac­hmittag auf einer Podiumsdis­kussion genau dies: Was bedeutet es, Teil des Westens zu sein? Und was gilt es zu verteidige­n? „Schleunigs­t wieder das Verbindend­e zwischen EU und USA suchen“, empfahl Kurz.

Denn: „Erfolg kommt nur mit Zusammenar­beit.“

Weitaus düsterere Töne schlug dagegen Deutschlan­ds Präsident Frank-Walter Steinmeier an: „Wir werden heute Zeugen einer zunehmend destruktiv­en Dynamik der Weltpoliti­k. Vom Ziel einer internatio­nalen Zusammenar­beit zur Schaffung einer friedliche­ren Welt entfernen wir uns von Jahr zu Jahr weiter.“Und er mahnte viel mehr Verantwort­ung ein – von Deutschlan­d, von Europa, vom Westen. Frankreich­s Angebot

Die EU müsse in ihrer Verteidigu­ng autonomer werden, hatte Deutschlan­ds Kanzlerin Merkel schon im Vorjahr in München gefordert. Wenig ist seither passiert – das beklagt auch Emmanuel Macron. Er fordert für Europa mehr militärisc­he Schlagkraf­t ein.

Die sieht der französisc­he Präsident auch in einer gemeinsame­n europäisch­en Nuklearstr­ategie: Die Atommacht Frankreich – nach dem Brexit die einzige in der EU – solle künftig auch dem militärisc­hen Schutz Europas dienen. Bisher sind Frankreich­s Nuklearstr­eitkräfte nicht mit der NATO koordinier­t.

KANADA

USA

Zugelassen (5G-Netzwerk du Huawei begonnen oder geplan

Soll Europa dieses französisc­he Angebot annehmen? Vor allem aus Deutschlan­d war bei der Konferenz viel Vorbehalt zu vernehmen. Die entstanden­en Lücken füllen indessen andere. Russland und Türkei schaffen in Syrien militärisc­he Tatsachen, während die USA sich zurückzieh­en. Europa wirkt außenpolit­isch machtlos. Es kann sich nicht einmal darauf einigen, wie die Beobachtun­g des Waffenemba­rgos gegen Libyen bewerkstel­ligt werden kann.

Als einer der mächtigste­n Gäste der Konferenz in München darf sich Chinas Außenminis­ter Wang Yi fühlen. Er steht für den Machtzuwac­hs des Riesenreic­hes. Dass China nicht daran denkt, weltpoliti­sch nach den Regeln des Westens zu spielen, spüren USA und EU schon lange. Im Gegenteil. Es nutzt sein wirtschaft­liches Gewicht, um sich als eine Alternativ­e zum Westen – und gegenüber der EU als Alternativ­e zu den USA zu präsentier­en.

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Welche Staaten am Aufbau eines
 ?? ?? Mit seinen engsten Vertrauten war Kanzler Kurz in München. Im Zentrum der Konferenz stand der internatio­nalen Bedeutungs­verlust der westlichen Welt
Mit seinen engsten Vertrauten war Kanzler Kurz in München. Im Zentrum der Konferenz stand der internatio­nalen Bedeutungs­verlust der westlichen Welt

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