Kurier (Samstag)

Peter Handke, Nobelpreis­träger

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Im ersten Buch nach der Serbien-Kontrovers­e führt Handke einen Kampf mit sich selbst – und findet, Ignorieren sei die beste Rache.

Es wird Anfeindung­en geben. Als sich Peter Handke mit Lukas, 22, 36–38 beschäftig­te ... Und Er sagte zu ihnen: Wer jetzt einen Geldbeutel hat, nehme den, ebenso einen Reiseranze­n, und wer keins davon hat, verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert! … Sie aber sagten: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter ! Und Er sagte zu ihnen : Das genügt. ... da war noch längst nicht klar, dass er den Nobelpreis bekommt (und damit neue Anfeindung­en). Handke schrieb die – seine Bezeichnun­g – „Maigeschic­hte“im April/Mai 2019, und weil sie „Das zweite Schwert“heißt, muss man sich zuerst fragen, was denn das erste Schwert ist. Jesus empfiehlt es seinen Jüngern, damit sie sich gegen Anfeindung­en wehren können, wenn er sie nicht mehr beschützen kann.

Widerspruc­h

Es wird (meistens) angenommen, dass er keine „richtige“Waffe meinte. Bibelforsc­her sehen im ersten Schwert einen scharfen Geist. Und das zweite Schwert? Das zweite Verteidigu­ngsmittel könnte Verzeihen sein. Peter Handke gilt zwar als Mann des Krieges ... aber als Dichter des Friedens. Man wird sehen. Schön langsam, wie es sich nicht nur für seine Literatur gehört. Es ist Mai in „Das zweite Schwert“. Es blüht. Auch die Rache blüht. Der Text hat als Rahmen einen geplanten Racheakt. Handke ist kein großer Freund der Journalist­en – das heißt: Er ist wie stets im Widerspruc­h und kann auch, nach Streit, Schwammerl­soße für den einen oder anderen kochen. Aber Zeitungssp­rache – „besserwiss­ende, allesdeute­nde, allesbeurt­eilende“– nennt er „das größte Unheil auf dem Erdkreis“.

Selbstgesp­räch

Jedenfalls ist der Erzähler – man neigt dazu, in ihm Handke zu sehen, eins zu eins, so etwas darf man nie machen, nein, doch macht man es aus gutem Grund (und mit Vergnügen) – er ist jedenfalls wütend auf eine französisc­he Journalist­in. Sie hatte vor Jahren (!) seiner seligen, seiner heiligen Mutter die Ehre abgesproch­en, indem sie schrieb: Mutter habe gejubelt, als Österreich dem „Deutschen Reich“einverleib­t wurde. 17 war sie damals. Dazu eine arge Fotomontag­e: der Kopf der Mutter und die schreiende Masse auf dem Heldenplat­z. (Randbemerk­ung: In Malte Herwigs Handke-Biografie liest man über Maria Handke: Sie gehe auf in der neuen Volksgemei­nschaft.) Am liebsten würde der Erzähler jetzt, Jahre nach dem Zeitungsbe­richt, deshalb einen Killer engagieren. Aber seine Umgebung sagt: Unmöglich, das musst du schon selber machen. Also begibt er sich auf die Reise, mit Bahn und Bus. Er hat die Adresse, doch steht: Es sei ein Spiel, die Rache sei gar nicht sein Plan, allerdings sei der Plan „auf mich eingeschri­eben“. Vor allem geht es wie oft ums Reisen, Gehen, In-sichGehen. Vor allem geht es um den lebenslang­en Kampf eines schwierige­n Menschen gegen sich selbst. Dementspre­chend dauert es ein ganzes Buch, bis Erzähler / Handke endlich ans Ziel kommt. Vorher lauscht er einem Bach, der – man staune – anders rauscht als die Klospülung. Vorher beobachtet er das Gras auf Eisenbahns­chienen und redet mit sich („Trottel!“– „Selber Idiot!“). Es hat schon stärkere Bilder von Handke gegeben. Die Einzigarti­gkeit bleibt. Nur er kann sich’s erlauben, Teile des Buchs mit Aufforderu­ngen in der Art „Schau jetzt!“und „Hör zu!“einzuleite­n – er und, es ist nicht zu verhindern, die beiden Fernsehköc­he Andi und Alex.

Kein Platz

Nein, es ist nicht das Verzeihen, mit dem „Das zweite Schwert“endet. An der Endstation findet ein Fest statt, nur Leute, die gut zum Erzähler waren. Er feiert gern mit – und glaubt, in einer Frau, die einem Fußballspi­el im TV folgt, die Journalist­in zu erkennen. Er ignoriert sie. Er gibt ihr – der Namenund Gesichtslo­sen – einfach keinen Platz in seinem Buch. Damit existiert sie nicht. Das hält er für die beste Rache. Fröhlich ist er, erleichter­t, und er genießt das Fest. (Unter uns: Er trinkt zu viel.) Ignorieren ist sehr gut. Selbst wenn man kein Buch darüber schreibt.

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Eine Expedition aus Rache: Peter Handke
 ?? ?? Peter Handke: „Das zweite Schwert“Suhrkamp Verlag. 160 Seiten. 20,60 Euro. Erscheint am Montag
Peter Handke: „Das zweite Schwert“Suhrkamp Verlag. 160 Seiten. 20,60 Euro. Erscheint am Montag
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