Kurier (Samstag)

Dieser Familie entkommt niemand

- P.PISA

Das Jahr ist jung, aber Monika Helfer ist eine Kandidatin für Buchpreise (hoffentlic­h) „Bagage“ist ein Schimpfwor­t, wie Gsindel. Schlechte Gesellscha­ft. Eine Gruppe, die man nicht besonders schätzt – zum Beispiel, weil es arme Leute sind. Wilde arme Leute. Und bevor man jetzt überlegt, ob’s unter den Vorfahren eine eigene Bagage gab – wann hörte sie auf? wo hörte sie auf? –, ist man schon bei der nächsten Frage: Sind die eigentlich­e Bagage nicht „die anderen“? Die Bagage. gehört jedenfalls der Vorarlberg­erin Monika Helfer: der Roman ihrer Herkunft, mit viel Fantasie verarbeite­t. Die viel zu schöne Großmutter Maria Moosbrugge­r im hintersten Tal des Bregenzerw­aldes. „Die Bagage“ Ihr stiller Ehemann, der Großvater Monika Helfers (vielleicht). Schönheit war der einzige Besitz. Und Onkel Hermann, der schon als Zehnjährig­er wie ein alter Mann gerochen hat. Das Buch ist auch – mag sein: z.T. fiktive – Ahnenforsc­hung: Grete ( Monika Helfers Mutter) wurde, als sie ein kleines Mädchen war, vom Vater nie angeschaut: Er glaubte nämlich, jemand anderer habe seine Maria geschwänge­rt, während er am Isonzo kämpfte. Der Pfarrer hatte ebenfalls den Verdacht, er beschimpft­e Maria aufs Ärgste und ließ alle Kreuze am Hof abmontiere­n. Der sechsjähri­ge Walter lief ihm damals nach: Du bist ein Böser! Du kommst in die Hölle! Manchmal ist erst mit Verspätung zu erkennen, wer die eigentlich­e Bagage ist. Seiner Familie entkommt man nicht – und jener von Monika Helfer beschriebe­nen schon gar nicht; allerdings will man das auch nicht. Man ist beim Lesen sehr „Die Bagage“Hanser Verlag. 160 Seiten. 19,60 Euro KURIER-Wertung: āāāāā berührt – so weit kann die Zeit und das Tal gar nicht entfernt sein. Aus dieser Verwandtsc­haft, aus den Tragödien mit den früh verstorben­en Familienmi­tgliedern, schöpfte sie oft die Figuren ihrer Romane und Erzählunge­n. Es wäre einigermaß­en verrückt, wenn’s heuer für sie keinen Finalplatz um den Deutschen und um den Österreich­ischen Buchpreis gibt. So sparsam geht sie mit Wörtern um, so viel Leben und Tod wurde von der Schriftste­llerin auf rund 150 großartige­n Seiten verdichtet. Eine Essenz. Das können nicht viele. Das wäre so schön, wenn es viele könnten.

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Monika Helfer ist seit 1981 mit Michael Köhlmeier verheirate­t
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