Ulrike Lunacek: loyale, aber glücklose Einspringerin
Nach massiver Kritik nimmt die grüne Staatssekretärin den Hut – es ist bereits ihre zweite schwere Niederlage
Eines muss man Ulrike Lunacek lassen: Sie packt an, wenn sie gebraucht wird. Sie ist hartnäckig. Sie reckt das Kinn auch dann noch stolz nach oben, wenn ihr das Wasser in den Augen steht. „Ich habe schon oft gewonnen, und manchmal verloren. Das gehört im Leben dazu“, sagte sie bei ihrer Rücktrittsrede. Und fasste es damit ziemlich gut zusammen.
Aber von vorne: Ulrike Lunacek, geboren 1957 in Krems an der Donau als Tochter eines Molkerei-Chefs und Bauernbündlers, war schon als junge Frau in der Frauenund Sozialpolitik engagiert. Sie saß dann zehn Jahre lang für die Grünen im Nationalrat, bevor sie 2009 ins EUParlament wechselte. Als Spitzenkandidatin bescherte sie ihrer Partei bei der EUWahl 2014 das historisch beste Ergebnis von 14,5 Prozent.
Sieg und Niederlage
Darauf folgte das historisch schlechteste von 3,8 Prozent bei der Nationalratswahl 2017. Lunacek war als Spitzenkandidatin eingesprungen, als sich Parteichefin Eva Glawischnig mitten in den Vorbereitungen zum Wahlkampf verabschiedet hatte. Man rechnete ihr das in der Partei hoch an – die üble
Niederlage nimmt ihr bis heute niemand übel. Lunacek zog sich zurück, verzichtete auf ihr Mandat im EU-Parlament.
Richtig weg war sie aber nie: Bei jeder grünen Veranstaltung in den zwei Jahren des Wiederaufbaus war sie dabei, redete im Hintergrund mit. Im Zuge der Regierungsbildung Ende 2019 war sie erst für die Europa-Agenden bzw. fürs Außenamt im Gespräch, beides ging aber an die ÖVP. Vizekanzler Kogler brauchte eine Staatssekretärin. Am Silvesterabend – nur eine Woche vor der Angelobung – sagte Lunacek zu.
Den Job hat sie sich anders vorgestellt: Die Grün-Politikerin, die sich selbst als „Weltbürgerin“bezeichnet, wollte reisen, international für die Kulturnation Österreich werben. Dann kam Corona.
Fehlende Struktur
Die 62-Jährige schien von der Krisensituation völlig überfordert. Wer mit ihr zusammenarbeitet, erzählt, dass sie generell ein „leicht chaotischer“Typ sei. Ihrem Ressort sei es nicht gelungen, diese Schwäche durch Struktur und Fachexpertise auszugleichen. Die Sektion steht in dem Ruf, sich lieber mit Randthemen zu beschäftigen, anstatt die großen Ideen anzupacken, hört man aus ihrem Umfeld.
In der Kulturszene war die Bestellung Lunaceks von Beginn an kritisch beäugt worden, wirklich laut wurde die Kritik an ihr aber erst in den vergangenen Wochen: Die kleineren Kulturschaffenden ringen um ihre Existenz und fühlen sich im Stich gelassen, die Leiter der großen Bühnen mussten um einen Termin bei der Kultur-Staatssekretärin betteln. Zugespitzt hat sich die Situation, als Kabarettist Lukas Resetarits sie in einem Facebook-Video frontal attackierte. Ob er ihren Rücktritt fordere? „Es ist schon wurscht“, erklärte er zynisch.
Jetzt geht sie wirklich. Und gibt Kritikern wie Resetarits mit, sie werde vielleicht einmal in eine seiner Vorstellungen gehen. „Mal schauen, ob ich da genauso viele Kritikpunkte finde.“