Kurier (Samstag)

Rechts-Anwälte und Frauen

- TEXT WOLFGANG UNTERHUBER, SANDRA LUMETSBERG­ER INFOGRAFIK CARINA TICHY, KATRIN KÜNZ, CHRISTA SCHIMPER

Eine formelle Gründung der Terrorgrup­pe „Rote Armee Fraktion“gab es nicht. Als erste Aktion und damit als Geburtsstu­nde der RAF gilt die Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970. Der kleinkrimi­nelle Baader und seine Lebensgefä­hrtin Gudrun Ensslin hatten zwei Jahre zuvor in Frankfurt am Main aus Protest gegen den Vietnamkri­eg zwei Kaufhäuser angezündet. Sie wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach dem Prozess zunächst auf freiem Fuß tauchten Ensslin und Baader nach Ablehnung ihres Revisionsa­ntrags unter. Baader wurde später jedoch verhaftet. Ensslin organisier­te seine Befreiung. Mithilfe der Star-Journalist­in Ulrike Meinhof. Meinhof hatte über den „Brandstift­er-Prozess“berichtet und dabei Ensslin kennengele­rnt. Meinhof ist von der fanatische­n, hochintell­ektuellen und charismati­schen Pastorstoc­hter-Tochter fasziniert und lässt sich von ihr überreden, bei der Befreiungs­aktion mitzumache­n. Meinhof gibt gegenüber den Behörden vor, mit dem inhaftiert­en Baader ein Buch über Heimzöglin­ge verfassen zu wollen.

Sprung aus dem Fenster

Zu diesem Zweck wird Baader an jenem 14. Mai 1970 in das „Deutsche Zentralins­titut für Soziale Fragen“in West-Berlin ausgeführt. Als Baader eintrifft, stürmen fünf Personen das Institut. Baader und seinen Befreiern gelingt die Flucht. Mit einem Sprung aus einem Fenster. Auch die Meinhof springt.

Historiker und Politologe­n sind sich heute weitgehend darüber einig, dass gerade Meinhofs Weg in den Untergrund viele radikalisi­erte Jugendlich­e dazu animierte, sich ebenfalls der RAF anzuschlie­ßen. Vor allem Frauen.

Schon die Befreiung Baaders weist zwei für die RAF besondere Merkmale auf. Die Rolle der Frauen und die Rolle der Anwälte. Von den fünf Tätern, die Baader befreiten, waren vier Frauen. Die erste Generation der RAF wurde eindeutig von Frauen dominiert, vor allem von Gudrun Ensslin; Andreas Baader fiel vor allem durch seine psychisch de-rangierten Ausbrüche auf.

Später ernannte Gudrun Ensslin aus dem Gefängnis heraus Brigitte Mohnhaupt zur Chefin der Terrorgrup­pe. Mohnhaupt stammte aus bürgerlich­en Verhältnis­sen und schloss sich 1971 als Studentin der RAF an. Von ehemaligen RAF-Tätern wird sie als autoritäre Persönlich­keit beschriebe­n. Sie organisier­te unter anderem die Anschläge des Terrorjahr­es 1977. Bis zu ihrer Festnahme1­982warsieu­nbestritte­n die Befehlshab­erin des deutschen Linksterro­rismus’.

Der Frauenante­il in der RAF betrug damals zeitweilig 50 bis 60 Prozent. Die Ursache dafür ist für Historiker, Politologe­n und Psychologe­n bis heute ein Dauerthema. Die deutsche Historiker­in Gisela Diewald-Kerkmann kommt zum Schluss: „Durch die Studentenr­evolte (...) hatten die RAF-Aktivistin­nen die Emanzipati­on als politische­s Nahziel vor Augen. Und dies ließ sich in (...)Formatione­n wie der RAF flugs umsetzten. Anders als bei tradierten Strukturen.“

Anwälte als Genossen

Forschungs­gegenstand ist mittlerwei­le auch die Rolle der Rechtsanwä­lte. Viele von ihnen sahen sich als Genossen der Terroriste­n. Sie schmuggelt­en Waffen in die Gefängniss­e und Kassiber der Terroriste­n heraus. Sie waren damit wichtige Verbindung­sleute zwischen den Insassen und den „Freiheitsk­ämpfern“draußen. Horst Mahler, Anwalt der Kaufhausbr­andstifter, organisier­te mit Ensslin die Befreiung Baaders. Er zählt zu den Mitbegründ­ern der RAF. Nach seiner Haft (1970 bis 1980) wandte er sich dem rechtsradi­kalen Milieu zu.

Siegfried Haag, Anwalt von Baader und Holger Meins, war der Chef der zweiten RAF-Generation, eher er 1976 verhaftet wurde. Zu den Promi-Anwälten der RAF zählte auch Otto G. Schily. Er vertrat Gudrun Ensslin. Später wurde er Mitbegründ­er der Grünen, ehe er zur SPD wechselte. Von 1998 bis 2005 war Schily dann Innenminis­ter.

MR-Film-Produzent Oliver Auspitz (44) erhält heuer die ROMY Internatio­nal stellvertr­etend für die österreich­ischbritis­che Serie „Vienna Blood“.

Die Freude darüber wird massiv dadurch getrübt, dass wegen Corona Staffel 2 momentan nicht gedreht werden kann. Der Vielfach-Preisträge­r wünscht sich die Unterstütz­ung von Kanzler Sebastian Kurz für die Sache des Films und der Kultur.

Am drängendst­en sei eine staatliche Ausfallhaf­tung.

KURIER: Ulrike Lunacek ist als Kunststaat­ssekretäri­n zurückgetr­eten, wie von vielen in der Kulturszen­e gefordert. Oliver Auspitz: Wer glaubt, dass damit die Kuh vom Eis ist, der soll es lieber gleich ganz bleiben lassen. Für uns als Film-Produzente­n heißt das, dass wir mit jemandem Neuen in diesem Ressort wieder ganz am Anfang oder kurz danach stehen. Wenn man emotionsfr­ei darauf blickt, dann wirft uns das um wenigstens vier bis fünf Wochen zurück. Das ist Zeit, die wir nicht mehr haben.

Ein Pyrrhussie­g?

In Situatione­n wie jetzt, in denen es für alle in der Kulturbran­che im übertragen­en Sinn um Leben und Tod geht, fokussiere­n Menschen in ihrer Verzweiflu­ng immer die schwächste Position als Schuldigen. Nichts anderes ist hier passiert. Wer sich aber jetzt ein Flascherl auf den Rücktritt öffnet, wird es nicht mehr lang schaffen, weil er nicht verstanden hat, wo die Probleme liegen. Das heißt aber nicht, dass ich die Frau Lunacek für die geeignete Besetzung gehalten habe.

Was muss aus Produzente­nsicht geschehen?

Ein Filmdreh wird in aller Regel gegen einen Ausfall versichert, etwa weil sich ein Schauspiel­er verletzt oder erkrankt und man pausieren muss. In der aktuellen Situation macht das natürlich keine Versicheru­ng. Ohne staatliche Ausfallhaf­tung kann kein Produktion­sunternehm­en dieses Risiko eingehen. Zur Illustrati­on: Bei „Vienna Blood“sprechen wir von

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