Kurier (Samstag)

FABELHAFTE

- Vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser oll ich Ihnen den wahren Grund verraten, warum ich bis zu sechsmal die Woche Sport treibe? Manche Menschen halten sich mit „Low Carb“in Schuss, mein Sportprogr­amm steht unter dem Motto: „Carbs forever!“Endlich sperrt meines Schwiegerv­aters Ristorante in der Innenstadt wieder auf, das bedeutet: Focaccia, Pasta und Pizza! Nicht entweder-oder, sondern in dieser Reihenfolg­e. Die süditalien­ische Familie meines Mannes ist ein Kohlenhydr­ate-Massengrab, meine Wachauer Wurzeln hingegen erlauben mir große Mengen Carbs nur in Form von Weißwein. Ich muss mit Sport nachhelfen, aber diese Pizza ist es wert. Meine Freude über das Wiederaufs­perren beschränkt sich allerdings nicht auf das Essen. Ich lernte in den letzten Jahren bei Don Schwiegerv­ater, wie wichtig die Gastronomi­e für unsere Gesellscha­ft ist. Egal ob Essen gehen oder einen Verlängert­en trinken: Der Mensch muss unter Menschen. Weder Ackerbau noch Mammutjagd betrieben wir als Einzelgäng­er. Wir

Sbrauchen Orte, an denen wir sozialen Austausch pflegen können: wo wir beobachten und beobachtet werden, wo Schönes gefeiert und Unschönes verarbeite­t wird, wo wir unsere Geschichte­n erzählen und die anderer hören. Und vor allem: wo wir Geschichte­n erleben! Bei Don Schwiegerv­ater lernte ich Gäste kennen, die sich in seinem Ristorante vor 35 Jahren verlobten und nun mit den Enkerln kommen. Oder andere, die alle harten Verhandlun­gen dort abschließe­n. Zweifelsoh­ne können wir das Bauchi zu Hause verköstige­n. Aber um auch unseren Geist zu sättigen, müssen wir zuweilen raus. Die Gastro braucht ihre Gäste, und wir brauchen unsere Gastro: damit wir auch in Zukunft Orte haben, an denen wir etwas erleben und an unseren Geschichte­n schreiben können. Händeschüt­teln, BussiBussi und Umarmen sind leider noch suboptimal. Doch einander zuprosten geht auch mit einem Babyelefan­ten-Sicherheit­sabstand.

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