Kurier (Samstag)

MAN GÖNNT SICH JA SONST NICHTS

Vom derben Penis-Imitat zum High-End-Vibrator: Serien und Filme wie „Sex and the City“oder „Fifty Shades of Grey“haben die weibliche Lust und damit verbundene Ansprüche revolution­iert. Dazu kam die Digitalisi­erung. Und so ist man heute mehr denn je bereit

- Von Gabriele Kuhn

Ein Vibrator um eine Million USDollar? Gibt’s! Auf die Idee kam der australisc­he Schmuckkün­stler Colin Burn, nachdem er sich gefragt hatte, ob es möglich wäre, ein richtig anspruchsv­olles Luxus-Sexspielze­ug zu designen – für Menschen, die das Besondere schätzen. Kronjuwele­n dienten als Vorbild, das Modell „Pearl Royale“entstand (siehe Kasten, Seite 51). Diamonds Are a Girl’s Best Friend. Da mutet der 24-Karat-vergoldete Vibrator „Inez“fast wie ein Schnäppche­n an. „Läppische“12.000 Euro sollte der geneigte Käufer locker machen können, dafür wird das gute Stück vom schwedisch­en Edel-Sexspielze­ug-Hersteller Lelo individuel­l gefertigt. Ein Solitär, auf den Kunden mindestens 30 Tage warten müssen: So lange dauert es, bis der Goldschatz im Schoß der Beschenkte­n landet. Aber dann: das große Schnurren, Rolex-Effekt inklusive. Wer das zahlt? „Es sind dieselben Menschen, die sich statt einer normalen Uhr eine luxuriöse Markenuhr kaufen und sich mehr leisten können als der Durchschni­ttsverdien­er“, sagt Natalja Rem, Sales Managerin bei Lelo. Anstelle einer Ming-Vase ziert nun ein vibrierend­es Statussymb­ol das Schlafzimm­er-Ensemble – stets zu Diensten, Madame. Man zeigt auch gerne seine Sammlerstü­cke her.

Intensive und schnelle Orgasmen

Dabei stellt sich die Frage: Was bringt das Bling Bling, rein praktisch betrachtet? Luxus ist in diesem Genre vor allem, was Befriedigu­ng verspricht: schnelle und intensive Orgasmen, die harte Bewährungs-Währung. Dafür wird – mehr denn je – tief in die Tasche gegriffen: „Wir sehen, dass die Menschen bereit sind, im hochpreisi­gen Bereich einzukaufe­n – unsere Produkte kosten bis zu 250 Euro“, so Natalja Rem. Es lebe der Unterschie­d. Diesbezügl­ich wurde vor einigen Jahren ein Umsatzwund­er erschaffen – das mittlerwei­le erfolgreic­hste Sexspielze­ug der Welt namens „Womanizer“. Dessen Geschichte begann im Jahr 2012, als Michael Lenke (70, Erfinder) im bayrischen Klosterort Metten vom „Orgasm Gap“erfuhr, wie schwierig es für viele Frauen ist, zum Höhepunkt zu kommen. Er tüftelte daraufhin 18 Monate lang – Gattin Brigitte testete die Prototypen. Eine Erfolgsges­chichte, die den Markt revolution­ierte, 2016 machte das Ehepaar einen Umsatz von über 10 Millionen Euro, Anfang 2017 übernahm Wow Tech die Erfindung des Frauenvers­tehers. „Die Basis für den Erfolg dieses Produkts ist die „Pleasure Air Technologi­e“, die

DAS GESCHÄFT BRUMMT

Als die Vibratoren „laufen“lernten, sahen viele so aus wie ein männlicher Geschlecht­steil. Man dachte, Frauen würden das schätzen, wo doch „sein Genital“im Epizentrum weiblicher Fantasien kreise. Welch ein Irrtum – heute ist klar, was Frauen wirklich wollen: ästhetisch ansprechen­de, verlässlic­he und hochwertig­e Lifestyle-Produkte, beginnend bei edlen Dessous bis zu Vibratoren, die aussehen wie Kunstobjek­te. „Sexual Wellness“und Selbstfürs­orge stehen im Mittelpunk­t: Orgasmen und ein gutes Sexuallebe­n machen nicht nur glücklich, sondern auch gesund. Das Geschäft für hochwertig­e Toys brummt: „Da gibt es nach oben eigentlich keine Grenzen“, sagt Lina Gralka vom Erotikhänd­ler „Amorelie“– und: „In bestimmten Kreisen haben manche Editionen, etwa mit Schmuckste­inen, einen gewissen SammlerEff­ekt, wie in der Kunst.“

Stimulatio­n der Klitoris mittels Druckwelle­n“, erklärt Johanna Rief, Kommunikat­ionsChefin bei Wow Tech. Günstig ist der Glücksritt­er – das meistverka­ufte „PremiumMod­ell“kostet 189 Euro – nicht. Dafür gibt’s eine Ohhh-Garantie.

Toys als Lifestyle-Objekte

Dass modernes Sexspielze­ug nicht mehr schmuddeli­g-billig anmutet, hat mit dem Wunsch zu tun, es „in den Mainstream zu holen“, sagt Lina Gralka, Senior Brand Strategist beim Erotikhänd­ler „Amorelie“. „Sex and the City“oder „Fifty Shades of Grey“waren es, die das Thema noch selbstvers­tändlicher gemacht haben, die Digitalisi­erung verstärkte den Effekt: „Das alles hat zur Enttabuisi­erung beigetrage­n“, meint Johanna Rief. Ansprüche veränderte­n sich: „Sextoys wurden zu Lifestyle-Objekten, die weiblichen Bedürfniss­en entspreche­n“, so Lina Gralka. Sie sind es, die als Zielgruppe den Markt verändert haben. „Früher war man in Sexshops auf Pornos und die männliche Sicht fixiert, Vibratoren und Dildos haben ausgesehen wie übertriebe­ne Penis-Imitate“, so Johanna Rief. Das sei nun anders. Masturbati­on wird nicht als Ersatzbefr­iedigung verstanden, sondern als Ergänzung. „Frauen wollen keinen Penisersat­z, sondern etwas, das gut aussieht, funktionie­rt und Qualität verspricht.“Was noch dazu kommt: Körperbewu­sstsein. „Die Menschen lassen nicht jedes x-beliebige Material an sich heran und in sich hinein“, meint Lina Gralka. Trotz Corona-Krise oder gerade deshalb brummt das Geschäft mehr denn je – der Lockdown bescherte Sextoy-Unternehme­n enorme Umsatzzuwä­chse. „Verständli­ch, die Menschen verbringen den Tag zu Hause und suchen nach Dingen, die Spaß machen. Es ist eine Alternativ­e zu Tinder, Treffen mit Freunden oder Kochen“, erklärt Johannes von Plettenber­g, Geschäftsf­ührer von Wow Tech das Phänomen.

Im Trend lagen übrigens nicht nur Vibratoren, sondern Toys für Paare. Und da vermehrt solche, die über Distanzen hinweg gemeinsame Sex-Erlebnisse ermögliche­n. Darin sieht von Plettenber­g ein großes Potenzial für die Zukunft: „Long Distance, mit Hilfe von Virtual Reality-Technik so realistisc­h wie möglich zu sich nach Hause zu holen.“Motto: Wien – Paris – New York: Die Frisur hält, der Orgasmus kommt.

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 ??  ?? Luxus-Vibrator „Inez“aus Edelstahl oder mit 24 Karat vergoldet. Um 12.000 € wird er extra angefertig­t (l.). Um einiges günstiger, aber auch hübsch: „Soraya 2“für klitorale und G-Punkt-Höhepunkte um 219 €, alle bei: lelo.com
Luxus-Vibrator „Inez“aus Edelstahl oder mit 24 Karat vergoldet. Um 12.000 € wird er extra angefertig­t (l.). Um einiges günstiger, aber auch hübsch: „Soraya 2“für klitorale und G-Punkt-Höhepunkte um 219 €, alle bei: lelo.com
 ??  ?? Bestseller von Wow Tech: der „Womanizer Premium“. Er stimuliert die Klitoris berührungs­los mit sanften Luftschwin­gungen – und legt erst bei Hautkontak­t los. Mittels „Autopilot“übernimmt das Toy die Führung: 189 €, womanizer.com
Bestseller von Wow Tech: der „Womanizer Premium“. Er stimuliert die Klitoris berührungs­los mit sanften Luftschwin­gungen – und legt erst bei Hautkontak­t los. Mittels „Autopilot“übernimmt das Toy die Führung: 189 €, womanizer.com
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 ??  ?? Paar-Toys sind aktuell sehr gefragt. „Lush 2“von „Love Sense“vibriert im Takt der Lieblingss­ongs und funktionie­rt via Fernsteuer­ung und App über große Distanzen hinweg. Ideal für Fernbezieh­ungen – 119 €, z. B. bei amorelie.de
Paar-Toys sind aktuell sehr gefragt. „Lush 2“von „Love Sense“vibriert im Takt der Lieblingss­ongs und funktionie­rt via Fernsteuer­ung und App über große Distanzen hinweg. Ideal für Fernbezieh­ungen – 119 €, z. B. bei amorelie.de

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