Homeoffice: Moderne Welt oder schleichende „Hausfrauisierung“
Ich vermisse im Homeoffice meine Kollegen. Sehr! Kennt ihr mich noch? Und erinnert ihr euch eh noch an meine immer total konstruktiven Einwürfe und Bonmots bei den Sitzungen?
Aber jetzt ganz allgemein gemir sprochen – nichts davon hat mit zu tun! –, sind Bürostunden nicht umsonst Stoff für Running Gags und Lebensdepression. Täglich wälzen sich Hunderttausende allein in Wien von A nach B, um dort unter unangenehmeren Bedingungen als zu Hause weniger von dem zu tun, wofür sie bezahlt werden. Und am Abend wälzen sie sich zurück. (Bei einer halben Stunde Fahrzeit in eine Richtung ist das fast ein zusätzlicher Arbeitstag pro Woche, den noch mal wer bezahlt?)
Was für eine Chance wäre es für ein Neudenken von Städten und Dörfern (huch, weniger Autos!), wenn das wegfällt.
Das Arbeiten ist für die, bei denen Homeoffice infrage kommt, längst digital geworden. Bisher hat davon der Arbeitgeber was und der Arbeitnehmer halt mehr Arbeit. Die Nutzen der Digitalisierung sind ungleich verteilt.
Da wäre es doch ein Anfang eines Gegengeschäfts, zu sagen: Dann mach ich das zumindest tageweise lieber zu Hause als im wunderschönen Großraumbüro. Zu Hause könnte man vielleicht sogar zwischendurch auch was Konstruktives für die Familie tun. Und die Meetings mach’ ich im Café. Da verfangen sich manche Chefs jedoch sofort in abstruse Produktivitätsverlustfantasien. Bitte, der arbeitet nicht jede Sekunde! Als ob nicht die Reibungsverluste im Bürodrama noch viel mehr Zeit fressen.
Der Autor ist Leiter des Kulturressorts und arbeitet derzeit von zu Hause aus.
Flexibel, nett und familiär kommt die neue Heimarbeit daher; allein sie ist es nicht. Schon gar nicht für Frauen. Bevor sie es noch bewusst wahrnehmen, befinden sie sich schon in der schleichenden „Hausfrauisierung“, also der Rückkehr zu tradierten Geschlechterklischees längst vergangener Tage. Frau sorgt zu Hause für Essen und Kinder, Mann sitzt vor allem am Schreibtisch und vorm Fernseher. Leider hat mehr Flexibilität noch nie dazu geführt, dass Männer auch mehr Fürsorgearbeit leisten. Für erwerbstätige Mütter ist das permanente Homeoffice die komprimierte Doppelbelastung mit garantiertem Karriereknick.
Für die gesamte Arbeitswelt lauern – angeheizt durch die rasante Digitalisierung – vor allem drei große Gefahren: Entgrenzung, Entfremdung und Entsolidarisierung.
Arbeit und Freizeit verschwimmen, Um auch ja nichts zu verpassen, sind Heimarbeiter immer erreichbar. Fixe und laufende Kosten für Infrastruktur, Miete, Strom und Internet wandern klammheimlich vom Arbeitgeber zum Arbeitneh„Wozu mer. noch ein Büro?“fragen sich schon jetzt viele Betriebe. „Wozu noch eigenes Personal anstellen?“, werden sie in einigen Jahren fragen.
Dank Digitalisierung lässt sich Büroarbeit in kleine Häppchen aufteilen und über „die Cloud“an Billigstbieter ins entfernteste Homeoffice vergeben. Hunderttausende IchAGs treten gegeneinander an, mucken nicht auf und tragen brav das volle Risiko. Kommt die Krise, gibt’s Almosen aus dem Härtefallfonds. Wenn der Antrag fehlerfrei ist ...
Die Autorin ist Mitglied der KURIER-Wirtschaftsredaktion und arbeitet derzeit von zu Hause aus.