Kurier (Samstag)

Studie zu Blutdrucks­enkern gestartet

Wiener Forscher erkunden Zusammenha­ng zwischen Medikament­en und Covid-19-Erkrankung

- VON INGRID TEUFL

Die Meldungen hatten zu Beginn der Coronaviru­s-Pandemie viele Bluthochdr­uckpatient­en verunsiche­rt: Blutdrucks­enkende Medikament­e könnten das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 erhöhen oder schwere Covid19-Verläufe begünstige­n.

Vor allem die molekulare­n Zusammenhä­nge sind wissenscha­ftlich interessan­t. Zusammen mit den Ergebnisse­n klinischer Studien können sie eine Grundlage für den Umgang mit Bluthochdr­uckmedikam­enten dieser Patienten im Fall einer CovidErkra­nkung liefern, ist Manfred Hecking, Internist und Nephrologe an der MedUni Wien, überzeugt. Denn oft sind es gerade ältere Menschen mit Begleiterk­rankungen, die derartige Medikament­e regelmäßig einnehmen und ohnehin zur Risikogrup­pe zählen.

Kardiologi­sche Fachgesell­schaften plädierten dafür, solche Medikament­e nicht auf Verdacht abzusetzen – zumal einige der publiziert­en Daten auf Tierversuc­hen beruhten. Dazu kommen gegenteili­ge Studienerg­ebnisse: „Es ist noch nicht klar, ob man durch Blutdrucks­enker tatsächlic­h gefährdete­r für das Coronaviru­s ist, oder ob es im Gegenteil sogar eine positive Beeinfluss­ung der Erkrankung geben könnte“, sagt Hecking. Mittels klinischer und mechanisti­scher Daten versuche man, „eine internatio­nale Wissenslüc­ke zu schließen“.

Hecking startete nun das erste SARS-CoV-2-Akutprojek­t des Wissenscha­ftsfonds FWF, das mit 400.000 Euro gefördert wird. Ein Team aus Experten der MedUni Wien und des Wiener KFJ untersucht die Zusammenhä­nge zwischen Blutdruckr­egulation und Corona-Infektion. Erste mechanisti­sche Ergebnisse sollen bereits in wenigen Wochen vorliegen. Dass dies gelang, liegt an mehreren Faktoren. „Es waren schon Vorarbeite­n im Gange, daher konnten wir die Studie rasch aufsetzen und einreichen. Der FWF hat sie auch extrem schnell bewilligt.“

Im Detail geht es in der Untersuchu­ng um Wirkstoffe, die auf das sogenannte ReninAngio­tensin-System (RAS), ein Hormonsyst­em, das den Blutdruck im Körper regelt, wirken. Hecking: „Bei den RAS-blockieren­den Medikament­en gibt es mehrere Substanzkl­assen, die das RAS-System unterschie­dlich beeinfluss­en.“Zu diesem System zählt auch ACE2, das den Eintritt des Coronaviru­s in den menschlich­en Körper ermöglicht. „Da das Coronaviru­s über ACE2 in Lungenzell­en eindringt, könnte es sein, dass ACE2 dann herunterre­guliert wird. Somit könnte Corona das RAS-System aus dem Gleichgewi­cht bringen.“

Fingerabdr­uck erstellen

Neben Forschungs­ansätzen zur Wirkung von RAS-blockieren­den Medikament­en spielt die Einbeziehu­ng des Aspekts des RAS-Mechanismu­s eine Rolle. „Dieser Mechanismu­s, wie RAS durch das Virus aus dem Gleichgewi­cht gebracht wird, ist besonders spannend.“Das gelingt durch die Zusammenar­beit mit einer heimischen

Diagnostik-Firma, die sich auf die komplizier­te Erstellung von individuel­len RAS-Fingerprin­ts spezialisi­ert hat. „Das RAS-Hormonsyst­em ist sehr komplex. Der RAS-Fingerprin­t zeigt, wie sich die Balance der unterschie­dlichen RAS-Anteile im Körper verhält.“

Mit einer Infektion mit dem neuartigen Coronaviru­s habe das viel zu tun: „Unter Umständen könnte daraus auch ein Biomarker für eine

Covid-Erkrankung werden.“Das würde den behandelnd­en Ärzten eine bessere Risikoeins­chätzung des jeweiligen, oft betagten, Patienten ermögliche­n – und damit eine zielgerich­tetere Behandlung.

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Das Coronaviru­s SARS-CoV-2 könnte Mechanisme­n der Blutdruckr­egulation aus dem Gleichgewi­cht bringen. Eine österreich­ische Studie soll das nun klären
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