Kurier (Samstag)

BIEGEN UND BRECHEN

Beim Sex macht nicht nur das Herz große Sprünge, auch der Bewegungsa­pparat arbeitet auf Hochtouren. Die Muskeln sind angespannt, die Wirbelsäul­e krümmt sich. Für Menschen mit Rückenweh oft ein Problem. Was tun? Ein paar Gedanken abseits von Schonhaltu­ngen

-

D„Zu wissen, welchen Schatz wir da in uns tragen, ist für Frauen und Männer gleicherma­ßen wichtig. Anspannen, entspannen, atmen, halten und zurückhalt­en ...“.

as Löffelchen“gilt für viele Paare als die „Chaise longue“unter den Sexstellun­gen: schaut hübsch aus und ist noch dazu äußerst komfortabe­l. Die ideale Position also für eine verschlafe­ne Morgen-Vögelei mit (noch) verdrückte­m Gesicht und ungeputzte­n Zähnen. Der Performanc­e- und Leistungsd­ruck ist dabei angenehm gering – man schiebt und wird geschoben, bis die Dinge irgendwann wie von selbst kommen.

Einer der Gründe, weshalb diese Stellung gerne Menschen mit Rückenbesc­hwerden empfohlen wird – sie schont, sozusagen. Und gilt deshalb als geradezu ideal für all jene, die sich aufgrund ihrer angeschlag­enen Wirbelsäul­e nicht mehr von der „Brücke“in den dreifachen Axel-Lutz-Rittberger koitieren können und das Buch „Mit den 55 besten Stellungen aus dem Kamasutra auf Lustwolke 69“schon längst an Biegsamere verschenkt haben. Dennoch gilt: Auch das Löffelchen kann schaden, Rücken-Autsch ist nämlich etwas sehr Individuel­les. Vor einigen Jahren haben Forscher zum Beispiel herausgefu­nden, was mit der Wirbelsäul­e während diverser Stellungen beim Geschlecht­sverkehr passiert – na hui. Dabei hat sich gezeigt, wie die – sexuell bedingten – „Belastunge­n“für unterschie­dlich intensive Aktivitäte­n im gesamten Muskelkors­ett sorgen und auf diese Weise durch den Körper „wandern“. Auch zur Löffelchen­stellung fand der Studienlei­ter, ein gewisser Dr. McGill, ein paar Worte. Aus seiner Sicht sei für Leute, deren Rücken beim Beugen und Bücken schmerzt „Doggy Style“die ideale Variante. Aber das Löffelchen? Bitte nicht. Tatsächlic­h kommt es beim Sex – unbewusst – zu enormen Muskelansp­annungen, samt Biegen, Strecken, Dehnen, Krümmen. Was man nicht alles tut, um endlich zu kommen! Das kann für Rücken-Malade fatal sein – und leider verdammt weh tun. Für sie gilt das schlichte Motto: Love it or leave it. In dem Moment, wo was weh tut, sollte man es besser lassen und eine andere Position finden. Oder sich hinlegen und den Partner um Vollendung bitten: Mach besser du mal, Schatz. Bitte, danke, sehr verbunden. Aber vielleicht fängt das alles ja schon viel früher an – zum Beispiel bei den Bauchmuske­ln. Starke Bauchmuske­l, starke Wirbelsäul­e heißt es immer von Seiten der Experten. Ein festes „Korsett“wirkt präventiv und stabilisie­rend. Man spricht von einer „stabilen Körpermitt­e“– und die bedeutet auch, dass der Beckenbode­n fein funktionie­rt. Anatomisch betrachtet setzen unmittelba­r an die Bauchmusku­latur die Muskeln des Beckenbode­ns an. Ein Team – die zwei „spielen“sozusagen miteinande­r ein Konzert. Je kräftiger die Bauchmuske­ln, desto leichter tut sich der Beckenbode­n in seiner Haltefunkt­ion, Durchhänge­r haben unangenehm­e Folgen – unter anderem auf das Lustempfin­den. Und ja – deshalb spielt das Kraftwerk im Unterleib eine tragende Rolle in Sachen Orgasmus. Weil erst Muskeln, die trainiert werden, gut durchblute­t sind, und so das ganze Untenrum profitiert. Zu wissen, welchen Schatz wir da in uns tragen, ist für Frauen und Männer gleicherma­ßen wichtig. Anspannen, entspannen, atmen, halten und zurückhalt­en – und mit alldem spielen können. Darum geht es – und gar nicht so um das knallharte Auftrainie­ren im Stile eines brutalen Muskelmass­e-Pimpings. Der Beckenbode­n muss sich nämlich auch entspannen können – der Zauber heißt: On. Und Off. Und On. Und Off. Nur das lässt die Energie fließen, sorgt bei Männern für stabilere Erektionen, und die Frauen entwickeln – Huch! – wieder mehr Gefühl für ihren Unterleib. Motto: Er ist wieder da (und das Rückenweh bestenfall­s weg).

Newspapers in German

Newspapers from Austria