Kurier (Samstag)

Bim bis nach Niederöste­rreich

Drei Linien könnten ins Wiener Umland verlängert werden, sagt SPÖ-Stadträtin Ulli Sima. Und zwar bis nach Schwechat, Groß-Enzersdorf und Perchtolds­dorf. Die Forderung: Niederöste­rreich soll mitzahlen Öffi-Projekte

- VON C. SCHWARZ, S. RACHBAUER UND M. GEBHART

SPÖ-Vorstoß. Stadträtin Ulli Sima will für Pendler drei Linien bis ins Umland verlängern. Niederöste­rreich müsste mitzahlen.

Manch einer wird sich noch an sie erinnern: die legendäre Bim-Linie 260/360, die – einspurig mit Ausweichen – von Wien über Perchtolds­dorf bis nach Mödling führte. Im Jahr 1967 wurde die Linie eingestell­t, Teile der Schienen sind bis heute als Relikte erhalten.

Bald schon könnte die Linie – dann unter neuem Namen – wieder fahren.

Die Stadt plant gleich drei neue Straßenbah­n-Verbindung­en nach Niederöste­rreich. Linien, die derzeit knapp an der Stadtgrenz­e enden, sollen weitergefü­hrt werden, kündigt die zuständige SPÖ-Stadträtin Ulli Sima an. Dem KURIER liegt das Konzept exklusiv vor – siehe Grafiken.

Rasch umsetzbar ist eine Direktverb­indung von Simmering über Schwechat bis Rannersdor­f. Mit der neuen Bim-Linie könnten etwa die Regionalbu­sse in Schwechat an die S7 in Kaisereber­sdorf und an die U3 sowie die S80 in Simmering angebunden werden. Nach Einschätzu­ng der Wiener Linien brächte die Verbindung Verbesseru­ngen für 6.000 Passagiere. Das Projekt könnte 2022/2023 abgeschlos­sen sein.

Der zweite Vorschlag: Die Verlängeru­ng der Linie 25 bis Groß-Enzersdorf. So wäre es

Der Bim-Ausbau

Das Konzept von Öffi-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) soll vor allem Außenbezir­ken und Umlandgeme­inden zugutekomm­en. Hier wünschen sich viele eine bessere Anbindung

Neue U-Bahn

Zugleich bauen die Wiener Linien an der Verlängeru­ng der U2 und an der neuen U5. Der Ausbau soll für die Entlastung der Linien des innerstädt­ischen Bereichs (etwa U6 und Buslinie 13A) sorgen

Investitio­nen

Gerade nach der Corona-Krise seien öffentlich­e Infrastruk­turprojekt­e wichtige wirtschaft­liche Impulse, ist man sich bei der Stadt sicher möglich, von Groß-Enzersdorf und Essling über Aspern bis zum Donauspita­l an der U2 und weiter nach Kagran zur U1 zu gelangen.

Umsetzbar wäre die BimLinie, die laut Wiener Linien mehreren tausend Pendlern zugutekomm­t, bis (frühestens) 2026. Das Projekt hängt an der Stadtstraß­e Aspern.

Das dritte Projekt: die Rückkehr der Direktverb­indung nach Perchtolds­dorf.

Die Strecke könnte von Liesing über Perchtolds­dorf und Waldmühle bis nach Kaltenleut­geben führen. Das würde eine Anbindung an das hochrangig­e S-Bahn-Netz am Liesinger Bahnhof sowie an die Linie 60 in Rodaun ermögliche­n. Realisiert würde dieses Projekt von den Wiener Lokalbahne­n, die auch die Badner Bahn betreiben. Zum Einsatz käme (wie bei der Badner Bahn) das sogenannte Tram-Train-System – mit neuen voll klimatisie­rten, barrierefr­eien und elektrisch betriebene­n Fahrzeugen.

Pendlerstr­öme lenken

Für Stadträtin Ulli Sima sind alle drei Projekte ein zentraler Ansatz, „den Pendlerver­kehr noch umweltfreu­ndlicher zu gestalten und so zum Klimaschut­z beizutrage­n“.

Tatsächlic­h sind die Pendler aus dem niederöste­rreichisch­en Umland für einen beträchtli­chen Teil des städtische­n Verkehrs verantwort­lich: An jedem Wochentag pendeln laut Stadt Wien bis zu 260.000 Menschen nach Wien ein.

Und während mehr als zwei Drittel der Wiener ihre Wege mit den Öffis, zu Fuß oder auf dem Rad zurücklege­n (und ein Drittel das Auto nimmt), sei es bei den Pendlern genau umgekehrt, sagt Sima. Zwei Drittel kämen mit dem Auto, ein Drittel komme öffentlich. „Das muss sich ändern.“

S-Bahn „ertüchtige­n“

Sima schwebt eine Art „Doppelstra­tegie“vor – bestehend aus dem Straßenbah­n-Ausbau einerseits und einer Aufwertung der S-Bahn (die von den ÖBB betrieben wird) anderersei­ts. „Die S-Bahn muss ertüchtigt werden“, sagt Sima. Es brauche neuere Garnituren

und kürzere Intervalle zwischen den Zügen.

Tatsächlic­h ist die Frage, wie der Pendlerver­kehr nach Wien noch umweltfreu­ndlicher organisier­t werden kann, seit Längerem ein Streitpunk­t zwischen Wien und Niederöste­rreich.

Im Wiener Umland gibt es schon lange die Bestrebung­en, ans Öffi-Netz angeschlos­sen zu werden. Vor zwei Jahren träumten Städte wie Klosterneu­burg, Purkersdor­f, Perchtolds­dorf oder auch Mödling davon, eigene U-Bahn-Stationen zu erhalten. Im Jahr 2018 ließ eine Studie über die Kosten einer derartigen Ausweitung den Traum platzen. Seither wird vor allem über den Ausbau der S-Bahn diskutiert.

Es geht – wie so oft – um die Finanzieru­ng. Auch beim Straßenbah­n-Projekt sieht Sima „das Land Niederöste­rreich, aber auch den Bund ge

fordert“. Von dem Ausbau profitiere vor allem auch Niederöste­rreich mit seinen Pendlern: Da sei es klar, dass das Land seinen finanziell­en Beitrag zu leisten habe. „Das kostet viel und Wien kann das sicher nicht zahlen“, so Sima.

Die genauen Kosten sind noch unklar – auszugehen ist nach der ersten Grobplanun­g von einem mittleren dreistelli­gen Millionenb­etrag. Sima will rasch bei der grünen Verkehrsmi­nisterin

Leonore Gewessler vorstellig werden. Das Projekt solle kräftig durch die Regionalve­rkehrsmill­iarde mitfinanzi­ert werden, die die türkisgrün­e Bundesregi­erung kürzlich in Aussicht gestellt hat.

Klimamuste­rstadt

Der Straßenbah­n-Ausbau ist Teil des roten Klimapaket­s, das Sima Anfang des Jahres gemeinsam mit Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) vorgestell­t hat. Es umfasst 50 Projekte, die Wien zur „Klimamuste­rstadt“machen sollen. Das bedeutet: Wien soll langfristi­g CO2-neutral werden. Einer der wichtigste­n Hebel dazu ist der Verkehr. Bis 2030, so das Ziel, soll der Anteil der Pkw-Pendler nach Wien halbiert sein. Zusätzlich zum Öffi-Ausbau setzt man unter anderem auf E-Autos: Rund 2.000 Ladestelle­n werden bis Ende 2020 für sie errichtet.

Dem Neusiedler See geht langsam das Wasser aus. Nicht weil es abrinnt, sondern weil von oben zuwenig nachkommt und gleichzeit­ig die Verdunstun­g aufgrund des fortschrei­tenden Klimawande­ls und den damit verbundene­n häufigeren Sonnentage­n zunimmt.

Denn das „Meer der Wiener“speist sich zum Großteil aus Niederschl­ägen. Aber die fallen seit Jahren nur spärlich. Also hat die Landespoli­tik reagiert und am Freitag ein Konzept vorgestell­t, um die Austrocknu­ng des Neusiedler Sees zu verhindern. Dass dies oberste Prämisse ist, steht seit einem im Jahr 2014 beschlosse­nen Strategiep­apier fest. Darin heißt es, dass der Neusiedler See als Landschaft­selement erhalten und die Austrocknu­ng verhindert werden soll.

Genau das aber könnte laut Experten in den kommenden Jahren durchaus passieren, wenn nicht gegengeste­uert wird. Eine ähnliche Situation erlebte das Burgenland bereits im Jahr 2003. Auch damals gab es Diskussion­en darüber, wie der See mit ausreichen­d Wasser versorgt werden könnte. Ergiebige Niederschl­äge in den Folgejahre­n ließen das Thema allerdings wieder in den Hintergrun­d rücken.

Neues Wasser muss her

Damals wie heute lautet die Lösung: Zuleitung von Wasser. „Aber anders als 2003 werden wir dieses Mal auch daran festhalten“, sagt Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ), der eine Task Force mit Beteiligun­g aller Verantwort­lichen ins Leben gerufen hat, die ein Ziel verfolgt: eine „machbare technische Lösung“der angepeilte­n Wasserzufu­hr. Donau und Raab kämen dafür nur bedingt infrage, das hätten bereits ältere Studien gezeigt, sagt Christian Sailer, Hauptrefer­atsleiter der burgenländ­ischen Wasserwirt­schaft. Nun gebe es noch eine dritte Möglichkei­t, aber diesbezügl­ich hält man sich im Burgenland noch bedeckt. „Bevor wir dazu etwas sagen können, müssen noch einige Details geklärt werden“, sagt Sailer.

Ins Auge gefasst werden dürfte eine gemeinsame Lösung mit Ungarn, das ja angesichts des erst im Planungsst­adium befindlich­en Mega-Tourismusp­rojekts bei Fertőrákos ebenfalls großes Interesse daran haben dürfte, den See als Ausflugsde­stination zu erhalten. So wie natürlich auch das Burgenland, schließlic­h bringt der Neusiedler See die meisten Übernachtu­ngen.

Bedenken von Naturschüt­zern, die Zufuhr von Wasser würde den Chemismus im See verändern und damit die Natur nachhaltig schädigen, lässt Sailer nur

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