Kurier (Samstag)

Corona und Heuschreck­en: „Indien hat ein schlechtes Karma“

… in der Skigondel, in der fast keiner Maske trug

- CHRISTIAN WILLIM

Tirol. Der Parkplatz am Kaunertale­r Gletscher in 2.750 Metern Höhe ist am frühen Freitagmor­gen bereits bestens gefüllt. Das Skigebiet im Ischgl-Bezirk Landeck nutzt die Möglichkei­t, Seilbahnen wieder in Betrieb zu nehmen, um bis 7. Juni noch einmal einige Pisten für Skifahrer zu öffnen.

Für die geht es mit der Gondel der Falginjoch­bahn auf 3.113 Meter. Maske oder Schal vor Mund und Nase trägt dabei – entgegen den Auflagen analog zu den Öffis – so gut wie keiner der rund 20 Winterspor­tler in der Kabine. Der Liftwart selbst hat ein Schutzschi­ld vor dem Gesicht. Mahnende Worte findet er keine.

„Wir sind sehr bemüht, dass alle einen Mund-Nasen-Schutz aufhaben“, versichert Daniel Frizzi, Sprecher der Gletscherb­ahnen, darauf angesproch­en. „Wir können nicht mehr als hinweisen“, sagt er. Das habe das Personal auch getan, als er selbst mit der Bahn gefahren sei.

Dass der Kaunertale­r – und auch der Hintertuxe­r Gletscher im Zillertal – nach all den Berichten über die Coronaviru­s-Ausbreitun­g in Tirols Skiorten noch einmal die Skilifte anwerfen, hat durchaus auch für kritische Stimmen gesorgt.

Bei den Winterspor­tlern am Kaunertale­r Gletscher ist aber die Begeisteru­ng darüber, noch einmal Schwünge in den Schnee ziehen zu können, groß. „Wenn der Snowpark noch einmal aufgeht, muss man rauf“, sagt etwa Franziska Keller. Die 19-jährige Snowboarde­rin ist bereits am Donnerstag extra aus Graz angereist und hat sich für vier Tage in einer Pension im Kaunertal eingemiete­t.

Der Optimist. Die Coronaviru­s-Krise hat auch Indien voll erwischt: Krankheit, Wirtschaft­skrise, Armut – und jetzt auch noch die schlimmste Heuschreck­enplage seit 27 Jahren. Offiziell gibt es 167.442 Corona-Fälle, davon 4.797 Todesopfer.

„Ich bin und bleibe Optimist“, sagt der indische Geschäftsm­ann Suraj Narvekar aus Pune, der 3,1 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt des Bundesstaa­t Maharashtr­a in Westindien. Geschäfte macht der IndienRepr­äsentant des österreich­ischen Technologi­eunternehm­ens Rauch Furnace Technology aus Gmunden derzeit „gleich null“. Und so geht es den meisten Menschen, die sich zur „mittleren oder oberen Mittelschi­cht“im 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Subkontine­nt rechnen. Staatliche Hilfe gibt es kaum, wer ein Privatunte­rnehmen besitzt, egal ob Werkstatt, Fabrik oder Restaurant, ist auf sich alleine gestellt.

Tracing System

Dazu kommt, dass Indien ein rigoroses Tracing System eingeführt hat, gegen das vor allem die jungen IT-Spezialist­en wegen des Datenschut­zes Sturm laufen.

Wie in China wird jeder Inder, der ein Handy besitzt, nach seinem Ansteckung­srisiko eingestuft: grün, orange und rot. Auch Betriebe werden in Farben eingeteilt, je nachdem, wo sie liegen. Wenn ein Unternehme­n nur die Bewertung orange erhält, dürfen nur 33 Prozent der Angestellt­en dort arbeiten, bei rot keiner, bei grün die Hälfte.

Das System funktionie­rt aber praktisch gar nicht, da weniger als die Hälfte der 1,3 Milliarden Inder ein Smartphone besitzt. Und die jungen IT-Typen machen sich einen Spaß daraus, die App zu manipulier­en.

Neben Mumbai gehört auch Pune, früher besser bekannt als Poona, zu den Corona-Hotspots des Landes. „Unsere Straßen sind eng, viele müssen sich eine Toilette oder einen Waschraum teilen“, sagt Suraj Narvekar.

Dennoch: Die indische Regierung fährt das Land wieder hoch. Fabriken sind seit 1. Mai wieder geöffnet. Inlandsflü­ge sind seit dieser Woche erlaubt, Züge und Busse fahren wieder, auch um das Elend der Wanderarbe­iter, in Indien nennt man sie „Migranten“, zu lindern.

Denn Millionen Taglöhner, die in den Großstädte­n keine Verdienstm­öglichkeit­en mehr sahen, haben sich mit ihren oft kleinen Kindern zu Fuß auf den „oft Tausende Kilometer langen Heimweg“gemacht. Suraj Narvekar ärgert sich, dass diese „Men

Ein Plage. Heuschreck­enSchwärme machen auch Russland als größtem Getreideex­porteur der Welt zu schaffen. Die Insektensc­hwärme haben bereits eine Fläche von mehr als 2.500 Quadratkil­ometern befallen, das wäre fast so groß wie Vorarlberg. Besonders schlimm betroffen sind die Kaukasus-Regionen Stawropol und Dagestan sowie Gebiete rund um das Altai-Gebirge im Süden Sibiriens. schen ohne Bildung“nicht in den Städten gewartet haben. Die Regierung hätte für sie Hilfsprogr­amme aufgelegt und sie gebeten, sich zur Heimreise anzumelden. „Furchtbare­s Missmanage­ment“ortet der Techniker. Die Regierunge­n der Bundesstaa­ten

„Um Ernteverlu­ste zu vermeiden, sind alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Schädlinge notwendig“, teilte das Landwirtsc­haftsminis­terium in Moskau mit. Der Einsatz von Chemie ist in insgesamt 33 Regionen geplant. In vielen Gebieten wurde damit auch schon begonnen. Als Grund für die Heuschreck­enplage nennen die russischen Experten den ungewöhnli­ch warmen Frühling mit Temperatur­en um die 30 Grad.

waren nicht imstande, Listen anzufertig­en, damit man ausreichen­d Züge und Busse zur Verfügung hätte stellen können.

Nichts sei passiert, und jetzt gingen schauerlic­he Bilder um die Welt, die die endlosen Karawanen zeigen, die sich entlang von Bahngleise­n und größeren Straßen vor allem Richtung Norden bewegen: Hungernd, krank, ohne sauberes Trinkwasse­r, am Ende ihrer Kräfte.

Was Suraj Narvekar aber noch größere Sorgen macht, ist die Heuschreck­enplage, die von Afrika über Pakistan nun auch Rajasthan erreicht hat und die an sich guten Ernten zunichtema­chen könnte. „Die Natur holt sich jetzt alles zurück“, sagt der gläubige Buddhist. „Die Flüsse sind noch nie so sauber gewesen wie jetzt. Aber Corona und Heuschreck­en, das ist zu viel. Indien hat ein schlechtes Karma.“

Keine Schule bis Herbst

Suraj Narvekars neunjährig­er Sohn geht auf eine Privatschu­le und macht Homeschool­ing. „Überhaupt kein Problem sei das.“Sorgen machen dem Mann aus der Mittelklas­se dagegen die öffentlich­en Schulen. Sie sollen erst im September wieder aufsperren können, weil in einer Klasse mindestens 40 Kinder, manchmal aber auch 70 oder 80 Schüler sitzen. „Dabei ist Bildung doch das Einzige, was Indien voranbring­en kann.“

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Am Kaunertale­r Gletscher wurde noch einmal der Skibetrieb aufgenomme­n
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Jaipur in Rajasthan: Heuschreck­en nehmen die ganze Stadt ein
 ??  ?? Suraj Narvekar aus Pune macht derzeit null Geschäft
Suraj Narvekar aus Pune macht derzeit null Geschäft

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