Aufstand gegen Rassismus
Nach dem Tod eines Schwarzen in Polizeigewahrsam eskaliert die Gewalt, Trump gießt Öl ins Feuer
Nach dem tödlichen SkandalEinsatz in Minneapolis gegen den Schwarzen George Floyd eskaliert die Lage im Stundentakt: Die Polizei in der Metropole des Bundesstaates Minnesota musste am Donnerstagabend die in der Nähe des Tatorts liegende Wache evakuieren. Hunderte Demonstranten hatten sich gewaltsam Zutritt verschafft und Feuer gelegt. Es kam zu Plünderungen. 200 Geschäfte wurden zerstört, Straßenzüge zum Schlachtfeld.
Polizist: Mordanklage
Die Staatsgewalt reagierte mit Tränengas, Schlagstöcken und Festnahmen. Ein Team des Senders CNN wurde vor laufender Kamera abgeführt. Protestierende erklärten die Gewaltexplosion damit, dass der per Video überführte „Haupttäter“, Officer Derek Chauvin, der minutenlang sein Knie auf den Hals des wegen eines gefälschtem 20Dollar-Scheins festgenommenen Schwarzen gepresst hatte, was zu dessen Tod führte, noch immer auf freiem Fuß sei: Freitagabend reagierten die Behörden: Chauvin wurde verhaftet und wegen Mordes angeklagt
Der zuständige Staatsanwalt Michael Freeman sagte, man habe bei der Beweisaufnahme noch kein „komplettes Bild“. Entscheidend hier: Ohne das Handy-Video der 17-jährigen Passantin Darnella Frazier, die zufällig Zeugin der Festnahme Floyds am Montag wurde und auf den Auslöser drückte, wären die markerschütternden Umstände seines Todes nach Einschätzung von Kriminologen der Öffentlichkeit wohl verborgen geblieben. Floyd, unbewaffnet und bewegungsunfähig gemacht, klagte über starke Schmerzen und rief mehrfach: „Bitte, bitte, ich kann nicht atmen.“
Gouverneur Tim Walz rief die Nationalgarde herbei und verhängte den Notstand.
Schwarze Bürgerrechtler wie Jesse Jackson unterstützten die Proteste, pochten aber auf den Verzicht blinder Gewalt. Anstatt beruhigend zu agieren, schüttete Präsident Donald Trump via Twitter Öl ins
Feuer. Er nannte die nichtfriedlichen Demonstranten „Schlägertypen“und drohte mit dem Bundesmilitär: „Wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen“, sagte er.
Der Bürgermeister zeigte sich bestürzt über Trumps Rhetorik. Twitter erkannte in der Androhung eine „Verherrlichung von Gewalt“und versah den Tweet mit Warnhinweis (siehe auch Seite 3).
Unterdessen wächst unter Schwarzen landesweit – es gab auch Proteste in Los Angeles, Memphis oder Denver – die Sorge, dass die in Minneapolis beteiligten Polizisten straffrei ausgehen könnten.
„Es gibt großes Misstrauen in den Staat und die Polizei“, sagte PrincetonProfessor Eddie Glaude. Er verwies auf jüngste Fälle von tödlicher Gewalt gegen Afroamerikaner. Und extremen Alltagsrassismus. In Georgia wurde Ahmaud Arbery beim Joggen in Selbstjustiz von zwei Weißen erschossen. Acht Wochen lang sahen zwei Staatsanwälte weg. Nur dank Video-Sequenzen wurden die Täter festgenommen.
Im Central Park von New York bat der schwarze VogelEnthusiast Chris Cooper die weiße Hundebesitzerin Amy Cooper (nicht verwandt), ihr Tier wie vorgeschrieben anzuleinen. Die Frau bediente den Polizeinotruf 911 und erklärte, ein schwarzer Mann „bedroht mein Leben“. In Louisville/Kentucky wurde die Schwarze Breonna Taylor (26) in ihrer Wohnung von Polizisten mit acht Schüssen getötet. Die Cops hatten sich bei einer Drogen-Razzia in der Adresse geirrt.
Vorfälle, die anknüpfen an Trayvon Martin, Michael Brown, Eric Garner oder Freddy Grey. Namen, die in den USA jeder Afroamerikaner mit Rassismus und tödlicher Gewalt in Verbindung bringt. Nicht zu vergessen Philando Castile. 2016 verlor der Polizist Jeronimo Yanez bei einer Fahrzeugkontrolle in der Nähe von Minneapolis die Nerven. Er feuerte sieben Kugeln auf den im Auto sitzenden Castile. Weil er glaubte, dass der Schwarze nicht nach einer Brieftasche greifen wollte. Sondern nach einer Waffe. Diamond Reynolds, die Freundin des Opfers, postete die vermeidbar gewesene Tragödie live auf Facebook. Ihre vierjährige Tochter saß auf dem Rücksitz.
Mark Dayton, damals Gouverneur von Minnesota, sagte nach dem bis heute umstrittenen Freispruch für Officer Yanez, Philando Castile wäre noch am Leben, wenn seine Hautfarbe weiß gewesen wäre.