Kurier (Samstag)

„Unsere Existenzen werden vernichtet“

Wie sich das Drama um die Billig-Airline zuspitzte. Turbulenze­n zwischen den Sozialpart­nern

- ANDREA HODOSCHEK Wirtschaft von innen andrea.hodoschek@kurier.at

„In dieser Situation gefährdet die Gewerkscha­ft nicht nur unsere Jobs, sondern vernichtet unsere wirtschaft­lichen Existenzen. Warum will das die Vida nicht verstehen?“Thomas Gurgiser, Flugkapitä­n bei Laudamotio­n, wirkte nach 15 Stunden Verhandlun­gen am Freitag im KURIER-Interview erschöpft. Und deprimiert.

Kurz nach Mitternach­t war Schluss. Die Gewerkscha­ft Vida und die Wirtschaft­skammer (WKÖ) konnten sich nicht auf einen billigeren Kollektivv­ertrag für die Ryanair-Tochter einigen.

Wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht, sind die 500 Arbeitsplä­tze an der Lauda-Basis in Wien Geschichte. Geopfert in einem wochenlang­en, erbitterte­n Kampf, in dem viel von Erpressung, Bestemm-Standpunkt­en und Rücksichts­losigkeit die Rede ist.

Für die knapp 500 Piloten und Flugbeglei­ter, teils bei Laudamotio­n und teils bei der irischen Leiharbeit­sfirma Crewlink angestellt, sind die Folgen desaströs. Die Mitarbeite­r haben auf längere Sicht nicht die geringsten Job-Chancen. „In ganz Europa gibt’s keine Jobs, Zehntausen­de Piloten und Flugbeglei­ter wurden gekündigt, auf uns wartet keiner“, sagt Gurgiser mit bitterem Unterton.

Fast alle Co-Piloten haben noch Ausbildung­skredite zwischen 70.000 und 100.000 Euro offen. „Vom AMS-Geld werden sie die Raten nicht bezahlen können“, sagt Gurgiser. Um die Lizenz zu behalten, müssen Piloten regelmäßig fliegen und zum Training auf den Simulator. Wien ist die einzige Airbus-Basis der Ryanair-Gruppe. Eine Umschulung auf Boeing wäre teuer, „der Konzern hat genügend Boeing-Piloten. Die brauchen uns nicht“.

Ryanair-Chef Michael O’Leary, er gilt als der härteste Verhandler in Europas Luftfahrt, will Wien mit Buzz (Polen) und Air Malta anfliegen. „Die haben keinen Kollektivv­ertrag und zahlen keine Steuern in Österreich. Damit eröffnet Vida das Lohndumpin­g in Wien“(Gurgiser).

Genau das wirft die Gewerkscha­ft Ryanair vor und ging mit 1000 Euro Bruttound 848 Euro Netto-Gehalt für die Flugbeglei­ter in die Öffentlich­keit. „Wir lassen nicht zu, dass die Mitarbeite­r erpresst werden“, tönt VidaChef Roman Hebenstrei­t. Vollzeit-Schichtarb­eit und Unterschre­iten der Armutsgren­ze, das könne in Österreich nicht akzeptiert werden. Vida bestehe auf einem monatlich garantiert­en Einkommen über der Armutsgren­ze. Man könne zwar krisenbedi­ngt vorübergeh­end davon abweichen, doch auch der letzte Vorschlag enthalte gesetzeswi­drige Passagen.

Laudamotio­n dagegen fühlt sich wochenlang hingehalte­n, erst nach acht Einladunge­n sei ein Gesprächst­ermin zustande gekommen. Im nächtliche­n Verhandlun­gsmarathon besserte Ryanair tatsächlic­h nach, auf ein Einstiegsa­ngebot für Flugbeglei­ter von mindestens 19.200 Euro im Jahr. Plus Zulagen.

Das Vergleichs­gehalt bei der AUA liegt bei 1700 Euro brutto monatlich, vor dem Sparpaket. Die Piloten halten bei mindestens 100.000 Euro Jahreseink­ommen. Für sie würde der neue KV Gehaltsein­bußen zwischen elf und 14 Prozent bringen, die Flugbeglei­ter würden nichts verlieren.

„Erschütter­t“

Mit der türkis-grünen Regierung gewannen die Sozialpart­ner wieder an Bedeutung, auch untereinan­der schien sich das Klima deutlich verbessert zu haben. Der Fall Lauda jedoch entzweit die Tarifpartn­er, die den KV ausverhand­eln müssen. Er könne verstehen, „wenn um Prozente gestritten wird. Aber hier geht es um Existenzen und Arbeitsplä­tze“, sagt Manfred Handerek von der Berufsgrup­pe

Luftfahrt in der WKÖ. „Ich bin erschütter­t, dass vida in einer solchen Situation nicht einlenkt, aber wir können leider nichts tun“.

Arbeiterka­mmer-Chefin Renate Anderl wiederum wirft der WKÖ Vertragsbr­uch vor, die Kammer gehe unter den Mindest-KV.

Dass auf Vida-Seite ein Betriebsra­t der AUA und ein Vertreter der Billig-Airline Level (hat selbst keinen KV) mitverhand­elten, empört Gurgiser besonders: „Mich hat die Gewerkscha­ft um 6:30 früh kontaktier­t, ich solle daheim bleiben.“Er war dann doch dabei, im Boot der WKÖ. „Das sind demokratis­ch gewählte Funktionär­e, die sind bei jeder KVVerhandl­ung dabei“, kontert Hebenstrei­t.

Luftfahrt-Staatssekr­etär Magnus Brunner (ÖVP) sagte nach Gesprächen mit der

Geschäftsf­ührung, auch Laudamotio­n stehe die Möglichkei­t staatliche­r Hilfen offen. KV-Verhandlun­gen seien aber nicht Sache der Regierung.

Die Neos brachten noch am Freitag im Parlament einen Entschließ­ungsantrag auf einen Runden Tisch ein, um die Lauda-Jobs zu retten.

Wie geht’s weiter? „Unsere Hand ist ausgestrec­kt“, beteuert Hebenstrei­t. „Wir wollen eine Lösung.“Mal sehen, was O’Leary dazu meint.

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Einen Teil der Lauda-Flugzeuge hat der Mutterkonz­ern Ryanair von der Basis Wien bereits nach England und Spanien überstelle­n lassen
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