„Unsere Existenzen werden vernichtet“
Wie sich das Drama um die Billig-Airline zuspitzte. Turbulenzen zwischen den Sozialpartnern
„In dieser Situation gefährdet die Gewerkschaft nicht nur unsere Jobs, sondern vernichtet unsere wirtschaftlichen Existenzen. Warum will das die Vida nicht verstehen?“Thomas Gurgiser, Flugkapitän bei Laudamotion, wirkte nach 15 Stunden Verhandlungen am Freitag im KURIER-Interview erschöpft. Und deprimiert.
Kurz nach Mitternacht war Schluss. Die Gewerkschaft Vida und die Wirtschaftskammer (WKÖ) konnten sich nicht auf einen billigeren Kollektivvertrag für die Ryanair-Tochter einigen.
Wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht, sind die 500 Arbeitsplätze an der Lauda-Basis in Wien Geschichte. Geopfert in einem wochenlangen, erbitterten Kampf, in dem viel von Erpressung, Bestemm-Standpunkten und Rücksichtslosigkeit die Rede ist.
Für die knapp 500 Piloten und Flugbegleiter, teils bei Laudamotion und teils bei der irischen Leiharbeitsfirma Crewlink angestellt, sind die Folgen desaströs. Die Mitarbeiter haben auf längere Sicht nicht die geringsten Job-Chancen. „In ganz Europa gibt’s keine Jobs, Zehntausende Piloten und Flugbegleiter wurden gekündigt, auf uns wartet keiner“, sagt Gurgiser mit bitterem Unterton.
Fast alle Co-Piloten haben noch Ausbildungskredite zwischen 70.000 und 100.000 Euro offen. „Vom AMS-Geld werden sie die Raten nicht bezahlen können“, sagt Gurgiser. Um die Lizenz zu behalten, müssen Piloten regelmäßig fliegen und zum Training auf den Simulator. Wien ist die einzige Airbus-Basis der Ryanair-Gruppe. Eine Umschulung auf Boeing wäre teuer, „der Konzern hat genügend Boeing-Piloten. Die brauchen uns nicht“.
Ryanair-Chef Michael O’Leary, er gilt als der härteste Verhandler in Europas Luftfahrt, will Wien mit Buzz (Polen) und Air Malta anfliegen. „Die haben keinen Kollektivvertrag und zahlen keine Steuern in Österreich. Damit eröffnet Vida das Lohndumping in Wien“(Gurgiser).
Genau das wirft die Gewerkschaft Ryanair vor und ging mit 1000 Euro Bruttound 848 Euro Netto-Gehalt für die Flugbegleiter in die Öffentlichkeit. „Wir lassen nicht zu, dass die Mitarbeiter erpresst werden“, tönt VidaChef Roman Hebenstreit. Vollzeit-Schichtarbeit und Unterschreiten der Armutsgrenze, das könne in Österreich nicht akzeptiert werden. Vida bestehe auf einem monatlich garantierten Einkommen über der Armutsgrenze. Man könne zwar krisenbedingt vorübergehend davon abweichen, doch auch der letzte Vorschlag enthalte gesetzeswidrige Passagen.
Laudamotion dagegen fühlt sich wochenlang hingehalten, erst nach acht Einladungen sei ein Gesprächstermin zustande gekommen. Im nächtlichen Verhandlungsmarathon besserte Ryanair tatsächlich nach, auf ein Einstiegsangebot für Flugbegleiter von mindestens 19.200 Euro im Jahr. Plus Zulagen.
Das Vergleichsgehalt bei der AUA liegt bei 1700 Euro brutto monatlich, vor dem Sparpaket. Die Piloten halten bei mindestens 100.000 Euro Jahreseinkommen. Für sie würde der neue KV Gehaltseinbußen zwischen elf und 14 Prozent bringen, die Flugbegleiter würden nichts verlieren.
„Erschüttert“
Mit der türkis-grünen Regierung gewannen die Sozialpartner wieder an Bedeutung, auch untereinander schien sich das Klima deutlich verbessert zu haben. Der Fall Lauda jedoch entzweit die Tarifpartner, die den KV ausverhandeln müssen. Er könne verstehen, „wenn um Prozente gestritten wird. Aber hier geht es um Existenzen und Arbeitsplätze“, sagt Manfred Handerek von der Berufsgruppe
Luftfahrt in der WKÖ. „Ich bin erschüttert, dass vida in einer solchen Situation nicht einlenkt, aber wir können leider nichts tun“.
Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl wiederum wirft der WKÖ Vertragsbruch vor, die Kammer gehe unter den Mindest-KV.
Dass auf Vida-Seite ein Betriebsrat der AUA und ein Vertreter der Billig-Airline Level (hat selbst keinen KV) mitverhandelten, empört Gurgiser besonders: „Mich hat die Gewerkschaft um 6:30 früh kontaktiert, ich solle daheim bleiben.“Er war dann doch dabei, im Boot der WKÖ. „Das sind demokratisch gewählte Funktionäre, die sind bei jeder KVVerhandlung dabei“, kontert Hebenstreit.
Luftfahrt-Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) sagte nach Gesprächen mit der
Geschäftsführung, auch Laudamotion stehe die Möglichkeit staatlicher Hilfen offen. KV-Verhandlungen seien aber nicht Sache der Regierung.
Die Neos brachten noch am Freitag im Parlament einen Entschließungsantrag auf einen Runden Tisch ein, um die Lauda-Jobs zu retten.
Wie geht’s weiter? „Unsere Hand ist ausgestreckt“, beteuert Hebenstreit. „Wir wollen eine Lösung.“Mal sehen, was O’Leary dazu meint.