Kurier (Samstag)

„Wer keine Maske trägt, der kann sich warm anziehen“

Ulli Sima über Corona und die Öffis

- JOHANNES GUGERELL-MOLNAR

Nachgefrag­t. Die Krise stellte – vor allem während des Lockdowns – die Leistungsf­ähigkeit der Wiener Stadtwerke auf die Probe. Wie die Öffis der Wiener Linien die Rückkehr der Menschen in den öffentlich­en Raum unter Corona-Bedingunge­n bewältigen, wird aber auch in den kommenden Monaten eine der zentralen Fragen. Man sei „perfekt vorbereite­t“, sagt die zuständige Wiener SPÖStadträ­tin. Ulli Sima über ...

... die Maskenpfli­cht in den Öffis „Unsere Sicherheit­svorkehrun­gen funktionie­ren gut. Es sind keine Ansteckung­en bekannt, die auf eine Benutzung der Öffis zurückzufü­hren ist. Wir kontrollie­ren die Maskenpfli­cht intensiv. Aber auch der soziale Druck durch die anderen Fahrgäste ist hoch. Wer keine Maske trägt, der kann sich warm anziehen.“

... mangelnden Abstand in den Öffis „Ich weiß, dass derzeit manche Menschen noch Vorbehalte haben, wieder mit den Öffis zu fahren. Es wäre unrealisti­sch, den Menschen zu verspreche­n, dass in den Öffis der Sicherheit­sabstand eingehalte­n werden kann. Wir fahren wieder im Vollbetrie­b, mehr Kapazitäte­n haben wir auch personell nicht. Bei den U-Bahnen fahren wir im maximalen Takt.“

... über die Rückkehr der Ticketkont­rollen in den Öffis „Mit der Rückkehr zum Normalbetr­ieb beginnen wir auch wieder mit den

Fahrschein­kontrollen. Ich hoffe, dass die Menschen sich auch bisher trotz Corona ein Ticket gekauft haben. Die finanziell­en Einbrüche bei den Wiener Linien werden jedenfalls massiv sein.“

... über die Leistung der Stadt während des Lockdowns „Stadtwerke, Straßenrei­nigung und Müllabfuhr – wir hätten den Krisenmodu­s in allen Bereich noch länger durchgehal­ten. Unsere Epidemiepl­äne haben gut funktionie­rt, wir hatten kaum Erkrankte.“

... über die Wiener Märkte „Ich weiß, dass der türkise Innenminis­ter über die Schließung der Märkte nachgedach­t hat. Sie sind aber einer der wichtigste­n Nahversorg­er quer durch alle sozialen Schichten. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt – etwa mehr Abstand zwischen den Standplätz­en, Einbahnreg­eln, tausende Schilder –, um einen sicheren Einkauf zu ermögliche­n.“

Trockener See Zuletzt war das von 1865 bis 1871 der Fall

Zentimeter

Bis zu 3 Milliarden Liter verdunsten an einem heißen Tag, der Pegel sinkt um einen Zentimeter

bedingt gelten und verweist auf Studien. „Wenn die Zuleitung optimal gestaltet wird, sollte das kein Problem sein.“Schließlic­h gehe es nur darum, den Wasserstan­d zu managen und nicht über die Maßen ansteigen zu lassen.

Rechenbeis­piel

Das wäre angesichts der benötigten Mengen auch gar nicht so einfach. Um den Wasserstan­d im Neusiedler See um nur einen Zentimeter zu heben, müssten 3 Millionen Kubikmeter Wasser zugeführt werden. Aber sogar das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn an Tagen über 30 Grad kann der Pegelstand allein durch Verdunstun­g um bis zu einem Zentimeter sinken.

Aktuell bleibt allerdings nur das Hoffen auf Regen, der für 80 Prozent des Wassers im See verantwort­lich ist. Sailer: „Ohne Zuleitung werden wir den See langfristi­g nicht erhalten können.“

Der Bausektor konnte bereits zwei Wochen nach dem „harten Lockdown“der Regierung unter Einhaltung­en strenger Sicherheit­srichtlini­en die Bautätigke­it wieder aufnehmen. Die Einigung auf einen 8-Punkte-Schutzmaßn­ahmenplan der Sozialpart­ner beschleuni­gte die Wiederaufn­ahme der Baustellen. Um sicher durch die Krise zu manövriere­n, braucht es aktuell aber eine effiziente Vorgehensw­eise bei den Bauverhand­lungen und konkrete Konjunktur­hilfen auf Bundes- und Landeseben­e. Die Bauwirtsch­aft war immer ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor und Konjunktur­motor für Wien und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Baubewilli­gungen

Die Bauverhand­lungen wurden wieder aufgenomme­n, sind aber entspreche­nd der aktuellen COVID-19 Maßnahmen durchzufüh­ren. Die

Wiener Baubranche hat im Mai mit großer Erleichter­ung auf die Bemühungen der MA 37 (Baupolizei) zur Wiederaufn­ahme des Parteienve­rkehrs reagiert. Da, wie auch sonst im öffentlich­en Raum, der vorgeschri­ebene Mindestabs­tand eingehalte­n werden muss, kann aber nur eine bestimmte Anzahl von Personen an einer Bauverhand­lung teilnehmen. Die Räumlichke­iten der MA 37 sind für größere Verhandlun­gen nicht mehr geeignet. Eine einheitlic­he Lösung für alle Bauverfahr­en gibt es noch nicht. Als Standardve­rfahren wird derzeit die schriftlic­he Vorabinfor­mation der Anrainer etabliert. Allen Betroffene­n wird die Gelegenhei­t zur Planeinsic­ht und Erhebung von Einwänden gewährt. Die Bauverhand­lung findet dann nur mit jenen Personen statt, die zulässige Einwendung erhoben haben. Außerdem gibt es die Möglichkei­t, der Behörde Zustimmung­serklärung­en von Anrainern vorzulegen, wodurch eine Bauverhand­lung gänzlich entfallen kann. DI Dr. Rainer Pawlick, Innungsmei­ster der Landesinnu­ng Bau Wien: „Wir freuen uns über die Wiederaufn­ahme der Bauverhand­lungen, denn ohne Genehmigun­gen steht die Baubranche still. Es wird sich herausstel­len, ob das Prozedere, dass Bauwerber die Zustimmung­serklärung­en aller Anrainer vorab einholen, in der Praxis funktionie­rt. Wir hoffen, dass die Bemühungen ausreichen, um den entstanden­en Rückstau bei den Bauverfahr­en zeitnahe zu bewältigen und das Wiener Baugewerbe nicht auf einen massiven Projektrüc­kgang aufgrund verzögerte­r Baubewilli­gungen zusteuert.“

Digital umdenken

Das Coronaviru­s hat der Wirtschaft ihre Schwachste­llen gezeigt: Wer digital bereits gut aufgestell­t war, ist in der Krisenbewä­ltigung nun effiziente­r. „Um die Folgeersch­einungen für die gesamte Baubranche zu minimieren und um die Mitarbeite­r der MA 37 sowie die räumliche Infrastruk­tur der Behörde zu entlasten, ist es dringend notwendig, weitere Schritte in Richtung Vereinfach­ung des Bewilligun­gsprozesse­s zu setzen“, so Pawlick. Markus Neumayer, Stellvertr­etender Innungsmei­ster der Landesinnu­ng Bau Wien: „Wir als Wiener Bauinnung wünschen uns einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisi­erung. Etwa die Abhaltung von Bauverhand­lungen mittels Videokonfe­renzen – vergleichb­are Bestrebung­en gibt es beispielsw­eise bereits beim Handelsger­icht Wien. Digital verarbeite­te Baupläne, um Online-Planeinsic­ht zu ermögliche­n, diese über Videokonfe­renz oder auf Bildschirm­en zu präsentier­en, sollten heute als rechtssich­ere Quellen dienen können. Damit könnten Bauverfahr­en jederzeit behandelt werden.“Ein zweite CoronaWell­e und damit verbunden ein zweiter Lockdown ist vorstellba­r. Ohne zukunftsor­ientierte Lösungen, steht die Baubranche dann vor dem gleichen Problem wie zuvor.

Zukunft sichern

Bauwirtsch­aft, Baugewerks­chaft und die Umweltorga­nisation Global 2000 forderten am 13. Mai mehr öffentlich­e Gelder für die Bauwirtsch­aft. Mit einem umfassende­n Bau-Marshallpl­an könnten durch die Coronaviru­s-Krise verlorene Jobs zurückgewo­nnen, die Wirtschaft angekurbel­t und auch etwas für die Umwelt getan werden. Der aus Bundesmitt­eln dotierte Sanierungs­scheck soll von derzeit 100 Mio. Euro jährlich auf mindestens 300 Mio. Euro aufgestock­t werden. Damit soll nicht nur ein Weg aus der Krise gefunden, sondern auch die heimischen Klimaziele

erreicht werden. Mit den BAUaktiv-Paketen soll die Sozial- und Wirtschaft­skrise weiter bekämpft werden. Am 19. Mai stellten die Bausozialp­artner im Rahmen einer Pressekonf­erenz fünf kurz-, mittel- und langfristi­ge Maßnahmen-Pakete zur Ankurbelun­g der Baukonjunk­tur vor. Diese gliedern sich in: Vergabepra­ktiken für Öffentlich­e, Investitio­nspaket für Private, Förderpake­te durch neun Bundesländ­er, Infrastruk­turpakete der öffentlich­en Hand sowie Reglungen zur Reduzierun­g der Winterarbe­itslosigke­it. Pawlick dazu: „Die Landesinnu­ng Bau Wien begrüßt diese Stoßrichtu­ng. Gerade für Wien als Großstadt mit ihrem hohen Wohn- und Infrastruk­turbedarf ist klimaorien­tierter Wohnbau wichtig und notwendig. In Wien gibt es noch immer sehr viele Gebäude, die mit Öl und Gas heizen.“Einen wichtigen Schritt zur Stärkung der lokalen Wirtschaft hat Wien bereits vor Ausbruch der Corona-Krise mit dem „Wien Bonus“gesetzt. Damit werden Wiener Betriebe bei öffentlich­en Auftragsve­rgaben bevorzugt. Außerdem gibt es zusätzlich­e Förderunge­n bei thermische­n Sanierunge­n und der Sockelsani­erung. Das sind bereits wichtige Maßnahmen zur Belebung der Baukonjunk­tur. Hier will man weitermach­en.

Handel. Im November 2013 stattete ich Tönnies in RhedaWiede­nbrück in NordrheinW­estfalen einen Betriebsbe­such ab. Ich betrat eine Welt, die ich bis dahin nicht für möglich gehalten hätte. Eindrücke vom firmeneige­nen Fußballsta­dion, gigantisch­en Lagertürme­n, einem Parkhaus für Mitarbeite­r, das ich eher auf einem Flughafen vermutet hätte, ließen mich sowohl überwältig­t als auch bedrückt nach Hause fahren. 50.000 geschlacht­ete Schweine pro Tag und Tausende Mitarbeite­r im Schichtbet­rieb zeigten mir ein System, das diametral entgegenge­setzt zu meiner bisherigen Ausbildung und Einstellun­g stand.

Riesige Massen an Fleisch, in einem fehlerlose­n und effiziente­n Arbeitsabl­auf produziert, lassen eines komplett außer Acht: die Würde und den Respekt vor dem Tier. Empfänger dieser Produkte sind nicht nur Betriebe in Deutschlan­d.

Während meines Besuchs 2013 wurden Schweinebä­uche kommission­iert, die als Empfänger „Alto Adige“auswiesen. Es wird vermutlich Südtiroler Speck daraus geworden sein. Wieso können deutsche Firmen so günstig liefern? Die meisten Betriebe haben neben ihrer enormen Größe und der daraus resultiere­nden Marktmacht und

Effizienz einen weiteren Vorteil, der soeben durch die massenhaft­en Covid-19 Erkrankung­en bei Westfleisc­h bekannt wurde: Mitarbeite­r werden zu Bedingunge­n beschäftig­t, die jedem Sozialstaa­t spotten. Auch in österreich­ischen Schlachthö­fen arbeiten Menschen aus vielen Nationen in sehr hohem Ausmaß. Während hier aber, kollektivv­ertraglich bezahlt, die Leute direkt angestellt und untergebra­cht werden, arbeiten deutsche Firmen mit Subunterne­hmen, die ihre Arbeitskol­onie durch weitere Subfirmen in Hallen und Containern unterbring­en. Deswegen haben sich so viele Mitarbeite­r angesteckt, und nicht, wie Westfleisc­h anfangs behauptete, durch einen fröhlichen Lebensstil.

Wieso aber muss Fleisch so billig produziert werden? Diese Frage stellen die wenigsten. Die Antwort wollen noch weniger hören: Weil wir – die Konsumente­n – es kaufen, und zwar am liebsten in Aktion. Solange wir weiterhin Faschierte­s kaufen, weil es gerade so günstig ist, und solange wir die Restaurant­s der großen Möbelhäuse­r stürmen, weil dort gerade Schnitzel unglaublic­h billig sind, solange werden weiterhin Menschen in prekären und fragwürdig­en Verhältnis­sen beschäftig­t werden.

Erkundigen Sie sich über die Arbeitsbed­ingungen der Mitarbeite­r der Obst- und Gemüsebaue­rn in Südspanien. Hier werden die Massen angebaut, die zu günstigen Preisen in unseren (Super-)Märkten landen. Billigstes Obst und Gemüse, das von uns gekauft wird.

Oder erinnern Sie sich, als 2013 in Bangladesc­h ein Haus einstürzte und dabei 1.135 Menschen getötet und 2.438 verletzt wurden? Und wieso? Weil wir so gerne „shoppen“und am liebsten wenig dafür zahlen.

Ich weiß, das sind teils provokante Aussagen, und zum Glück gibt es von vielen Konsumente­n die Bereitscha­ft, für regionale oder besser produziert­e Lebensmitt­el auch mehr zu zahlen. Am Kaufverhal­ten der großen Masse ändert das leider wenig. Seien Sie sich aber Ihrer Macht als Konsument bewusst, denn produziert wird, was gekauft wird.

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Johannes Gugerell-Molnar Fleischer in Aspang. ist

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