Kurier (Samstag)

Romeos und Honigfalle­n Lockvögel. Geheimdien­ste nutzten die Verführung­skünste schöner Frauen und charmanter Herren zu allen Zeiten. Ursprüngli­ch war der Lockvogel aber der Jagd vorbehalte­n

- VON HEDWIG DERKA UND SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Schon als Dieter Bacher das Video das erste Mal sah, dachte er: „Die Methode kenne ich doch. Die ist eine altbekannt­e.“Sie stammt aus der Werkzeugki­ste der Geheimdien­ste: Ein Lockvogel (die angebliche russische Milliardär­snichte Aljona Makarova), tastet sich über einen Vertrauens­mann (Johann Gudenus) an das Ziel (H.-C. Strache) heran; Misstrauen wird mittels gekonntem Schauspiel zerstreut; optische Reize erledigen den Rest. Bacher, Grazer Historiker, beschäftig­t sich viel mit Spionage. „Im Kalten Krieg nutzten die Geheimdien­ste beider Seiten diese Methode.“Honigfalle sei der Fachbegrif­f – „wenn es sich um eine Frau handelt; wird ein Mann eingesetzt, ist das ein sogenannte­r Romeo“.

Wobei: Die Erforschun­g amouröser Methoden in einem Metier, das von Geheimhalt­ung lebt, sei schwierig, Akteneinsi­cht oft unmöglich. Es gibt aber das Gerücht, dass der KGB Agentinnen zielgerich­tet ausbildete. Man kannte die bevorzugte­n Sexualprak­tiken potenziell­er Opfer, stimmte den Lockvogel darauf ein, und das Opfer glaubte, endlich seine Traumfrau gefunden zu haben. Nach kurzer Zeit wurde der Mann animiert, für den KGB zu arbeiten, wollte er nicht, dass sein Sexuallebe­n publik würde. Im Agentenjar­gon hießen diese Lockvögel passenderw­eise „Schwalben“.

Legendär ist auch die „Sekretärin­nen-Offensive“, die unter umgekehrte­n Vorzeichen ablief: „Der KGB überlegte in den 1950er-Jahren, wer außer den schwer zu kriegenden Chefs Zugang zu wichtigen Informatio­nen hat“, erzählt Bacher. Rasch kam man auf die Damen in den Vorzimmern und „sorgte dafür, dass sich hübsche Herren an sie heranmacht­en und zur Informatio­nsbeschaff­ung anwarben“.

Die Verführung­skünste schöner Frauen nützten Dienste zu allen Zeiten: von der legendären Tänzerin Mata Hari um 1900 bis zur 2010 enttarnten russischen Spionin Anna Chapman. Wobei: „Im Fall der immer wieder genannten Mata Hari, ist bis heute nicht klar, ob sie wirklich spioniert hat“, sagt der Historiker. Bei Ramón Mercader gibt es keine Zweifel: Der stalinisti­sche Agent verlobte sich Ende der 1930er-Jahre mit Leo Trotzkis Sekretärin Sylvia Ageloff. So konnte der Romeo 1940 ein erfolgreic­hes Attentat auf den Politiker verüben.

Psychologi­e dahinter

Ein überzeugen­der Lockvogel muss sich jedenfalls in seiner Rolle wohlfühlen. Je mehr die Fassade der eigenen Persönlich­keit entspricht, desto bühnenreif­er gelingt der Auftritt, weiß Psychologe Cornel Binder-Krieglstei­n. „Wenn alle Schalter auf Grün stehen, wird gewünschte­s Verhalten gezeigt.“Dabei überholen die Gefühle oft den Verstand, und Entscheidu­ngen lassen sich später nicht mehr logisch erklären. Zu dem, was Lockvögel antreibt, gibt es ebenfalls Untersuchu­ngen: So hat die US-Soziologin Ira Winkler das MICE-Modell entwickelt – Motive, die Menschen für dieses Metier anfällig machen: M steht für Money (Geld), I für Ideologie, C steht für Coercion (Erpressung). „Und das E steht für das Ego, das man ansprechen kann“, sagt Historiker Bacher, der findet, dass man Letzteres im Fall des Ibiza-Videos sehr schön erkennen könne.

Tiere. Der ideale Zeitpunkt; ein begabter Lockvogel, der alle Rufe beherrscht; eine Falle, die im richtigen Moment zuschnappt: Das sind die Zutaten für einen fetten Fang. Das Rezept geht bei kleinen wie bei großen Tieren auf.

„In Österreich sind Lockvögel für den Vogelfang bzw. für Jagdzwecke nur sehr eingeschrä­nkt erlaubt“, sagt Johannes Hohenegger von Birdlife Österreich. Der Präsident von Jagd Österreich, Roman Leitner, verweist überhaupt nur auf Kunststoff­attrappen, die – überzeugen­d platziert – „ein gutes Hilfsmitte­l“sind.

Dabei haben gefiederte Köder eine lange Tradition. Die modernen Papagenos des Salzkammer­guts können ein Lied davon singen. Hier helfen Lockvögel seit Jahrhunder­ten legal beim Fang von „Stubenvöge­ln“.

Bei der Jagd werden Lockvögel heute vor allem eingesetzt, um den Krähenbest­and zu regulieren. Rabenvögel fressen Hasen, plündern Gelege und richten in der Landwirtsc­haft Schaden an. Die schwarzen Beutegreif­er werden auf zwei Arten ins Verderben gelockt: Entweder warten ein paar Lockvögel in einer Voliere ohne Fluchtmögl­ichkeit auf Artgenosse­n. Oder ein Uhu wird auf einen Pflock gesetzt, um Angreifer auf sich zu ziehen. „Das ist eine heikle Sache. Es wird mit Schrot geschossen“, sagt Hohenegger. Die Munition trifft mitunter nicht nur das gewünschte Ziel. Es bringt auch den Lockvogel in Gefahr.

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