Kurier (Samstag)

Muss meine 13-jährige Tochter ihren Vater weiter sehen?

- VON DR. MARIA IN DER MAUR-KOENNE rechtprakt­isch@kurier.at

Meine 13-jährige Tochter hat ihren Vater seit Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en nicht mehr gesehen. Schon vorher ist sie nur sehr ungern zu ihrem Vater gegangen. Sie hat mir immer wieder erzählt, dass sie nicht mehr hin will, weil mein Ex-Mann schlecht über mich redet und er auch zu ihr immer wieder sehr unfreundli­ch ist. So hat er sie als „fett“bezeichnet und ihr immer wieder Fitnessvid­eos mit gemeinen Kommentare­n geschickt. Nun will sie gar nicht mehr hin. Mein Ex-Mann besteht aber darauf, die Kontakte wieder aufzunehme­n. Muss meine Tochter zu ihrem Vater?

Marion R., Salzburg

Liebe Frau R., das Recht auf persönlich­e Kontakte zwischen Eltern und ihren Kindern stellt als Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung ein allgemein anerkannte­s Menschenre­cht dar.

Zweck ist es, die Bindung zwischen Eltern und Kind aufrechtzu­erhalten, eine gegenseiti­ge Entfremdun­g zu verhindern und dem nicht hauptsächl­ich betreuende­n Elternteil die Möglichkei­t zu geben, am Leben seines Kindes teilzunehm­en.

Auch eine bereits eingetrete­ne Entfremdun­g ist kein Grund, dem Kind oder dem nicht im gemeinsame­n Haushalt lebenden Elternteil die Ausübung von Kontakten zu versagen. Zweck der Kontaktrec­hte kann auch sein, gerade die eingetrete­ne Entfremdun­g behutsam und dem Kindeswohl entspreche­nd wieder abzubauen. Einem Elternteil steht nur dann kein Kontaktrec­ht zu, wenn das Wohl des Kindes durch die Ausübung der Kontakte gefährdet wäre. Nur bei einer schweren Kindeswohl­gefährdung hat in einem Konfliktfa­ll der Kontaktrec­htsanspruc­h eines Elternteil­s zurückzutr­eten. Ob der Konflikt vom Elternteil verursacht wurde, spielt dabei keine Rolle. Das gänzliche Unterbleib­en von persönlich­en Kontakten zwischen einem Elternteil und seinem Kind muss daher der Ausnahmefa­ll sein.

All dies gilt grundsätzl­ich für unmündige Minderjähr­ige, also Kinder unter 14 Jahren. Nach ständiger Rechtsprec­hung können aber auch unter 14-Jährige in bestimmten Fällen

nicht gegen ihren Willen zu Kontakten mit einem Elternteil gezwungen werden. Auch unmündige Minderjähr­ige sollen nicht gegen ihren Willen zu Kontakten gezwungen werden, wenn dieser Wille unbeeinflu­sst und gefestigt ist, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann. Ob die Weigerung einer 13-Jährigen, ihren Vater zu sehen, zu beachten ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfall­s ab.

Wenn Ihre Tochter die Kontakte zu ihrem Vater aus eigenem Willen, von Ihnen unbeeinflu­sst und daher autonom ablehnt, so kann dies auch bei einer 13-Jährigen schon dazu führen, dass sie nicht zu weiteren Kontakten mit ihrem Vater gezwungen wird. Entscheide­nd

ist, dass sich Ihre Tochter selbst eine unbeeinflu­sste Überzeugun­g gebildet hat, die auch auf eigenen Erlebnisse­n mit ihrem Vater beruhen. Dies scheint nach Ihren Schilderun­gen der Fall zu sein.

Sie können daher eine Aussetzung der Kontakte bei dem für Ihren Wohnort zuständige­n Bezirksger­icht beantragen. Das Gericht hat sich dann vom Willen Ihrer Tochter zu überzeugen. Kommt auch das Gericht zu dem Ergebnis, dass Ihre Tochter unbeeinflu­sst und aus eigenem Willen heraus Kontakte ablehnt, wird sie auch schon als 13-Jährige nicht mehr zu Kontakten gezwungen, und die Verpflicht­ung zu Kontakten wird ausgesetzt.

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