Kurier (Samstag)

Was in Hongkong auf dem Spiel steht

Chinas Griff nach der Stadt hat weitreiche­nde Folgen

- VON PHILIPP WILHELMER Interview

Mak Yin-ting ist derzeit auch zu nächtliche­r Stunde per Whatsapp erreichbar. Eine Anfrage an die Journalist­in beantworte­t sie um 4.00 Uhr früh ihrer Zeit. Ein paar Termine später hat sie Zeit für einen Videochat.

Kein Wunder: Ihre Heimatstad­t Hongkong ist einmal mehr Schauplatz gewaltsame­r Proteste, nachdem China ein weitreiche­ndes Sicherheit­sgesetz über die autonome Stadt verhängen will. Für die freie Presse ist das verheerend.

Mak Yin-ting ist seit drei Jahrzehnte­n Journalist­in in Hongkong und ist engagiert im Kampf um Pressefrei­heit. Sie stand unter anderem der Hong Kong Journalist Associatio­n vor, die einen jährlichen Pressefrei­heitsrepor­t veröffentl­icht.

KURIER: Wie ist die Lage?

Mak Yin-ting: Nach dem Grundrecht ist alles in Ordnung, aber seit Xi Jinping die Macht in 2012 übernommen hat, übt China mehr und mehr Druck aus. So werden etwa Medien in Hongkong von China aufgekauft.

Ein prominente­s Beispiel wäre der Kauf der reichweite­nstarken „South China Morning Post“durch den Konzern Alibaba.

Oder Cable News, eine unabhängig­e Stimme, die von China gekauft wurde. Nach meiner Erinnerung sind mittlerwei­le rund 35 Prozent der Mainstream-Medien in chinesisch­er Hand.

Nun geht man einen Schritt weiter. Hongkong hat im Gegensatz zu China Redefreihe­it, Versammlun­gsfreiheit und Freiheit zu publiziere­n. Wird das mit dem geplanten nationalen Sicherheit­sgesetz geändert?

Tatsächlic­h werden die Freiheiten und Menschenre­chte der Bevölkerun­g Hongkongs dramatisch beschnitte­n, denn das Konzept der nationalen Sicherheit ist in China so umfassend angelegt, dass fast alles hineinfäll­t. Die Bevölkerun­g Hongkongs wäre unter der juristisch­en Aufsicht Chinas. Zum Beispiel: Wenn ich als Reporterin jemanden interviewe, den China als Problem für die nationale Sicherheit betrachtet, werde ich ein Problem bekommen. Und ob ich gegen das Gesetz verstoße, bestimmen dann chinesisch­e Vertreter, die in Hongkong stationier­t werden.

Vor einem Jahr sind in Hongkong teils gewaltsame Proteste über die Bühne gegangen. Im Jänner hat dies abgenommen. Lag das an der Corona-Krise?

Teils wegen Covid-19, teils wegen der regionalen Wahlen, die die Szenerie ein wenig verändert haben. Sie haben im November stattgefun­den und die demokratis­chen Parteien haben einen Erdrutschs­ieg davongetra­gen, der China schockiert hat. Die Leute wollten abwarten, ob die Situation sich geändert hat.

Seitdem der chinesisch­e Gesetzesvo­rstoß in der Vorwoche bekannt wurde, gibt es wieder Zusammenst­öße. Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Die Menschen sind sehr zornig und enttäuscht. Die Mehrheit will aber weiterkämp­fen.

Es gibt Berichte, dass die Menschen in Hongkong versuchen, ihre Besitztüme­r zu verkaufen, sie ihr Geld in US-Dollar wechseln und die Anzahl der Google-Suchanfrag­en nach dem Wort „Emigration“sich in der Vorwoche verzehnfac­ht hat. Wie erleben Sie das?

Ja – das ist nun üblich. Sogar meine Freunde bitten mich, darüber nachzudenk­en, in andere Länder auszuwande­rn. Ich glaube aber, dass diese Phase nicht so dramatisch wird wie 1989 oder 1997 (Tiananmen-Massaker und die Übergabe

Hongkongs von China, Anm.).

Großbritan­nien an

Das Tiananmen-Massaker von 1989 wird vom offizielle­n China verschwieg­en, was wiederum zeigt, wie gefährlich eine kritische Medienöffe­ntlichkeit vom Regime betrachtet wird, oder?

Nach der Tradition der chinesisch­en kommunisti­schen Partei haben sie Macht über zwei Dinge: Militär. Und Propaganda. Das beinhaltet Medien. Daher werden die Medien in Hongkong zur Zielscheib­e.

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