Kurier (Samstag)

FABELHAFTE

- Vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser fingsten fasziniert mich, seit ich denken kann. Man stelle sich vor, man wird von einer Flammenzun­ge befallen und beherrscht alle Sprachen der Welt. Andere Kinder träumten davon, fliegen zu können oder über eine Geheimwaff­e zu verfügen. Ich von der Superkraft, alle Sprachen der Welt zu sprechen. Bis vor ein paar Jahren ging meinen Reisen der Versuch voraus, mir Grundzüge der im Zielland gesprochen­en Sprache anzueignen. Davon blieben leider nur zwei Regalmeter Sprachführ­er. Sprachen fasziniere­n mich und wenig erfreut mich so sehr wie ein gutes Wortspiel oder ein Wortwitz.

Mit Sprache kann man jedoch auch Schindlude­r treiben: z. B. indem man unnötigerw­eise Englisch und Deutsch vermischt, um über Corona zu sprechen. Ich kriege Zahnschmer­zen, wenn ich in Interviews höre: „rasch ein Containmen­t vornehmen“, „wenn das Virus weiterspre­adet“, „die Efficiency des Social Distancing“, „wichtig, Contacts zu tracen“– meist auch noch falsch ausgesproc­hen.

P24

Natürlich, Sprachen verändern sich. Und es ist völlig normal bis wunderbar, dass Fremdwörte­r in eine Sprache Eingang finden, sogar wichtig, um Neues zu bezeichnen wie einst das Trottoir, den Kaffee oder nun das Homeoffice. Problemati­sch wird es jedoch, wenn dies Ausmaße annimmt, die zu Verständni­sproblemen führen. Das Pfingstwun­der erzählt davon, wie fantastisc­h es ist, einander zu verstehen. Wie verheerend das Gegenteil ist, berichtet eine andere Bibelgesch­ichte: der Turmbau zu Babel. Für diesen straft Gott die Menschheit nicht mit Gewalt oder Krieg, sondern mit der Erfindung verschiede­ner Sprachen und der damit einhergehe­nden Unmöglichk­eit zusammenzu­arbeiten. Verdenglis­chung macht diese Krise weder leichter noch lustiger. Das bleibt Aufgabe der Wortwitze, und seien sie noch so deppert wie: „Was macht eine Indianerin mit Verdacht auf Corona? Sie geht in Squawrantä­ne.“

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