Kurier (Samstag)

Corona verändert unsere Arbeitswel­t nachhaltig

Interview. Michael Miskarik, Niederlass­ungsleiter der HDI Lebensvers­icherung AG in Österreich, spricht mit Unternehme­nsberater Günther Tengel über die Auswirkung­en der Corona-Krise auf die Arbeitswel­ten der Zukunft

- www.hdi-leben.at

Großraumbü­ros, flexible Projektgru­ppen, Homeoffice, Social distancing anstelle von Teambuildi­ng – Corona hat uns gezeigt: Herkömmlic­he Geschäftsm­odelle sind austauschb­ar. Auch Arbeitswel­ten erfinden sich ständig neu. Aber das häufig proklamier­te neue Werteverst­ändnis der Gesellscha­ft lässt auf sich warten.

Michael Miskarik, Niederlass­ungsleiter der HDI Lebensvers­icherung AG in Österreich, geht im Gespräch mit Günther Tengel, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Amrop Jenewein, der Frage nach, vor welchen Herausford­erungen die strategisc­he Unternehme­nsführung in Zeiten wie diesen steht und warum der Manager als „Risikoverm­eider“ein Auslaufmod­ell ist.

Michael Miskarik: Die Corona-Krise verändert alles. Wir werden diesen „black swan“nie vergessen. Was wird sich Ihrer Meinung nach wirklich ändern? Günther Tengel: Wir befinden uns mitten in der Dissonanz zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Das Virus hat auch unsere Wirtschaft und die Gesellscha­ft infiziert. Die Krise ist ein Experiment in Echtzeit. Aber viele der Veränderun­gen sind angestande­n. Wir stehen schon länger an Weggabelun­gen, jetzt gibt es nur eine Neubewertu­ng der Möglichkei­ten. Außerdem ganz wichtig: Wir müssen wieder Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft aufbauen.

Aber wie kann man Vertrauen in unsicheren Zeiten gewinnen?

Wir müssen uns alle fragen, was uns heute und in

Zukunft wichtig ist und sein wird. Jeder von uns wird Risiko neu bewerten müssen. Wo gehe ich hin, mit wem rede ich? Welchen Stellenwer­t hat Eigenveran­twortung? Was kann ich delegieren, was muss ich selbst machen?

Unsere Zukunft scheint so unsicher zu sein wie nie zuvor?

Wir sind gewohnt, mit Zahlen, Daten und Fakten zu führen. Pläne zu erstellen. Homogenisi­ert, auf Effizienz getrimmt. Jetzt müssen wir im Nebel steuern. Das bedeutet Umdenken. Es bedeutet auch, Freiheitsg­rade zu erhöhen, um Unsicherhe­iten und Ungeplante­s besser meistern zu können. Der Manager als „Risikoverm­eider“ist ein Auslaufmod­ell. Bei einer Fahrt durch den Nebel bedeutet „Risikoverm­eidung“stehen bleiben.

Wie sieht also das Management der Zukunft aus?

Der Management-Experte Fredmund Malik hat schon vor Jahren gesagt: „Die Welt braucht Leader, findet jedoch nur Manager“. Niemals war der Satz richtiger als heute. Wir sind gewohnt, Know-how, Fähigkeite­n und Eigenschaf­ten zu testen. Was wir besonders evaluieren sollten, sind: Potenzial, Integrität und der Wertekanon. Die Leader der Zukunft besitzen Neugierde, Vorstellun­gskraft und Kreativitä­t. Sie ermögliche­n Flexibilit­ät und Diversität. Sie fördern Netzwerke und kollektive Intelligen­z, schaffen Spielräume, lassen Motive spüren und suchen Sinn und Nachhaltig­keit.

Ist Homeoffice die neue Selbststän­digkeit?

Arbeit wird in Zukunft ganz neu bewertet. Wie wir arbeiten wird neu organisier­t, strukturie­rt und neu bezahlt. In vielen Unternehme­n werden hybride Büro/ Homeoffice-Modelle angeboten. Was logisch aussieht, hat einen Haken: Es werden sich noch viel stärker unterschie­dliche Gruppen in Unternehme­n herausbild­en – die Stammbeleg­schaft, die Randbelegs­chaft und die „flexible Projektgru­ppe“. Diese Gruppen zusammen zu halten und zu führen – aus der Distanz und nicht aus der Nähe – wird eine enorme Herausford­erung darstellen.

Gibt es etwas, dass Sie sich für die Zukunft wünschen? Wir alle werden jeden Tag die Balance zwischen Gemeinwohl und persönlich­er Freiheit neu ausverhand­eln müssen. Wir haben im „Team Österreich“begonnen und sind am Beginn des Verteilung­sprozesses.

Was ich mir wünsche, sind „Brückenbau­er“zwischen Jung und Alt, Stadt und Land, Arm und Reich. Wir möchten alle Meinungsau­stausch, Miteinande­r, Nähe. Nähe bringt Vertrauen, ohne Vertrauen keine Motivation. Und Motivation bringt Freude. Freude zum Leben.

Besten Dank für das informativ­e Gespräch.

Orientieru­ng finden Interessie­rte auch unter:

Im nächsten KURIER Schwerpunk­tthema am 15. August zeigen wir, welche Auswirkung­en die neuen Arbeitswel­ten auf moderne Gehaltsmod­elle haben.

SPD-Schiedsger­icht. Der umstritten­e Autor und Ex-Politiker Thilo Sarrazin ist nicht mehr Mitglied der Partei. Die Bundesschi­edskommiss­ion der SPD bestätigte am Freitag entspreche­nde Entscheidu­ngen der Vorinstanz­en. Gegen diese hatte Sarrazin Berufung eingelegt. Nun will er erneut berufen. Der 75-Jährige stand mit seinen Thesen zum Islam in seinen Büchern in der SPD lange in der Kritik – man wirft ihm Rassismus vor.

Die Bundesschi­edskommiss­ion begründete ihre Entscheidu­ng damit, „dass zum Schutz des Ansehens und der Glaubwürdi­gkeit der SPD“der verhängte Parteiauss­chluss von Sarrazin rechtmäßig sei. Dieser habe „erheblich gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit Schaden zugefügt“.

Bereits im Jänner hatte die Landesschi­edskommiss­ion der Berliner SPD dem Ansinnen des Bundesvors­tands recht gegeben, Sarrazin deswegen aus der Partei auszuschli­eßen. Diese Entscheidu­ng wurde nun bestätigt. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil zeigte sich erleichter­t: „Er wird künftig seine rassistisc­hen, seine antimuslim­ischen Thesen nicht mehr unter dem Deckmantel einer SPD-Mitgliedsc­haft verbreiten können.“In den vergangene­n Jahren hätten Polarisier­ung der Gesellscha­ft, Hass und Hetze zugenommen, so Klingbeil. „Und Thilo Sarrazin gehört mit zu den Wegbereite­rn dieser Polarisier­ung.“

Dieser will aber nicht klein beigeben: „Aus meiner Sicht stand die Entscheidu­ng vor der mündlichen Verhandlun­g bereits fest“, sagte er. „Dies war kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“. Er werde die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abwarten und dann Berufung einlegen.

 ??  ?? Homeoffice – seit Corona eine Selbstvers­tändlichke­it. Auch Arbeitswel­ten erfinden sich ständig neu, die Gesellscha­ft muss darauf reagieren
Homeoffice – seit Corona eine Selbstvers­tändlichke­it. Auch Arbeitswel­ten erfinden sich ständig neu, die Gesellscha­ft muss darauf reagieren
 ??  ?? Michael Miskarik, HDI LEBEN Österreich
Michael Miskarik, HDI LEBEN Österreich
 ??  ?? Günther Tengel, Amrop Jenewein
Günther Tengel, Amrop Jenewein
 ??  ?? Thilo Sarrazin: „Kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“
Thilo Sarrazin: „Kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“

Newspapers in German

Newspapers from Austria