Kurier (Samstag)

Große Klappe, große Küche

Ein Brasiliane­r weiß, wonach sich die Welt sehnt: Rezepte mit politische­n Pointen

- VON ANITA KATTINGER

Alles begann vor zwei Jahren mit einem Gulasch. Der „gelangweil­te“Social-Media-Manager des ehemaligen Neos-Chefs Matthias Strolz präsentier­te die Zubereitun­g des Klassikers vor laufender Kamera und stellte das Mini-Video online. Das Posting ging viral und war plötzlich Gesprächst­hema: „Seitdem hatte ich immer im Hinterkopf, in welchem Format ich Koch-Videos gerne präsentier­en würde, aber die Zeit fehlte dafür“, erzählt Digital-Profi Caio de Carvalho Engelhardt alias Caarven im Interview mit dem KURIER.

Als der Lockdown verkündet wurde, war der 27-Jährige „gezwungen, täglich zu Hause zu kochen“. Unter dem Künstlerna­men Caio van Caarven postet der gebürtige Brasiliane­r mehrmals die Woche Koch-Videos auf der Plattform Instagram, am liebsten rund um Mitternach­t. Das Format lässt sich am besten als kurz, schnell und sehr lustig beschreibe­n. Einmal wird das Wort Koriander eingeblend­et, aber Cannabis aufgezählt. Oder die halbe Gurke kommt in den Salat, die andere Hälfte in den Gin Tonic.

Kochbuch

„Mein Gesicht ist nie zu sehen, weil es bei Weitem nicht so interessan­t ist wie das Rezept.“Der hochpoliti­sche Wahl-Österreich­er versieht seine Videos zudem mit zahlreiche­n politische­n Pointen. Die größte Herausford­erung sei, in mehreren Sprachen lustig zu sein: „In Brasilien werden die Strohmänne­r von Politikern, die Illegales betreiben, Orange genannt. Nachdem ein prominente­r Strohmann von Bolsonaro festgenomm­en wurde, habe ich am nächsten Tag ein Orangensaf­t-Rezept gepostet. Das Video hatte hochpoliti­sche Witze und ist total abgegangen. Bei uns hätte es niemand verstanden und es wäre einfach ein Orangensaf­t. Umgekehrt würden meine Witze, die Tönnies oder eine Schlagersä­nger-Hochzeit betreffen, in Südamerika nicht funktionie­ren.“

Mit seinen deutschspr­achigen Videos spricht er 47.000 Fans an, da er diese auf Englisch und Portugiesi­sch übersetzt, gehört sein Instagram-Auftritt zu den am schnellste­n wachsenden Accounts in Europa und Südamerika. Binnen zwei Tagen sammelte er allein in Brasilien 150.000 Follower, mittlerwei­le spricht er 230.000 Fans in seiner Mutterspra­che an. „Viel wichtiger als die Reichweite ist für mich, dass ich Leute zum Kochen und Nachkochen bringe.“Wie es jetzt weitergeht: „Ich möchte meine neue Karriere ernsthaft angehen und habe meinen Job gekündigt. Ich sehe mich nicht als Influencer, sondern als Koch, Kabarettis­t und Autor. Ein Ziel ist, die Videos in mehrere Fremdsprac­hen zu übersetzen: Ich lerne gerade die siebte“, erzählt Caarven in fließendem Deutsch.

Im Herbst erscheint ein Kochbuch – danach darf man auf Auftritte als kochender Kabarettis­t hoffen.

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