Kurier (Samstag)

FABELHAFTE

- Vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser eine Mutter befand sich in den letzten Wochen im Krieg gegen ein Reh, das nachts in ihren Garten drang und Rosenknosp­en sowie Gemüse fraß. Sie versuchte, den Feind mit Zäunen fernzuhalt­en und durch wehende Bänder zu verscheuch­en, doch das Reh war fest entschloss­en. Also beschloss meine Mutter, den Jäger zu holen.

Mein Dottore Amore war entsetzt: „Ihr könnt doch nicht Bambi töten!“Woraufhin nun ich entsetzt war, denn für meinen geliebten Gatten, der auf der Mariahilfe­r Straße aufwuchs, sind Waldbewohn­er Kinderfilm­Darsteller, für mich hingegen Wildtiere, deren Population aus Mangel an Wölfen durch den Menschen gehegt werden muss. Das wiederum versteht mein Mann genauso wenig wie den Fakt, dass die rot-umrandeten dreieckige­n Straßensch­ilder mit den Bambis in der Mitte nicht auf einen Streichelz­oo verweisen, sondern auf eine Gefahrenqu­elle: Wildwechse­l. Tausende Male erklärte ich meinem Herzkönig der Innenstadt: „Wenn

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ein Reh vors Auto läuft, keinesfall­s ausweichen, sonst landest du im Straßengra­ben, im Gegenverke­hr oder am Baum!“Tausende Male antwortete er: „Wieso seid ihr auf dem Land so bös zu den Bambis?“Ich verzichtet­e zu erklären, dass Bambi kein Reh, sondern ein Hirsch ist, man einem Hirschen besser ausweichen sollte, in unserer Gegend Hirsche jedoch ohnehin nicht in bebautes Gebiet vordringen – stattdesse­n beschränkt­e ich mich darauf, dass man die ALLE nicht streicheln kann. Inzwischen kam es an der Front zu einem Friedenssc­hluss: der Klarapfelb­aum im Garten trug mehr Früchte, als die gesamte Großfamili­e verbrauche­n, verbacken und verarbeite­n konnte. So kamen meine Mutter und das Reh zur Übereinkun­ft, dass das Reh diejenigen Äpfel mampft, die auf die Straße fallen, und dafür den Garten verschont. Letztendli­ch waren sich meine Mutter und das Reh einig: Gutes Essen darf keinesfall­s verschwend­et werden.

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