ALLES POWIDL?
Die Freude auf Zwetschken ist jedes Jahr groß. Von Omas Zwetschkenkuchen über Knödel oder Schnaps bis zu modernen Varianten – die süße Frucht bietet viele Möglichkeiten in der Küche. Kosten wir sie doch aus – so wie jeden einzelnen Sommertag.
Mein lieber Freund und Zwetschkenröster!“, rufe ich Erol zu, während er mir das glänzende Fruchtfleisch der ersten heimischen Zwetschken zeigt. „Schau mal, wenn sich der Kern leicht löst, ist sie reif“, erklärt er. „Meine Oma hat immer Zwetschkensaft gemacht, bei uns in Bulgarien hat jeder Garten seinen Zwetschkenbaum.“„Oder Schnaps“, lacht die Gruppe der Standler, „Sliva heißt im Balkan Zwetschke, daher kommt der Name Sliwowitz.“In Österreich wachsen die lila Früchte überall, sogar auf 1.000 Höhenmetern in Tirol, wo die berühmten Stanzer Zwetschken herkommen. Das teure Holz der Zwetschke ist begehrt und selten – ihr griechischer Name weist auf ihre Herkunft hin, sie heißt „die Pflaume aus Damaskus“.
Kindheit pur
Philologinnen rätseln bis heute, wie der Name Zwetschke in Österreich entstanden ist, er ist uns jedoch so lieb, dass wir Zungenbrecher daraus basteln. Vollgestopft mit Vitaminen, Mineralstoffen und Pektin für die Verdauung, werden die Zwetschken jedes Jahr sehnlichst erwartet. Für mich sind sie Kindheit pur, Zwetschken brocken bei der Oma war ein jährliches Ritual, gekrönt wurde das Erlebnis mit der Mutprobe, die ganze Frucht – Wurm hin oder her – in den Mund zu nehmen. Heute erinnert mich das Obst daran, dass die Tage kürzer werden und die Sommersonnenstunden ausgenützt werden wollen.
Zurück zum Marktstand. „In den Zwetschkenröster kommt keine Flüssigkeit, die Früchte garen sozusagen im eigenen Saft, im Gegensatz zum Kompott“, meint eine junge Dame, die sich gleich zwei Kilo einpacken lässt. „Ich bekomme heute Zwetschkenknödel!“, erzählt uns ein kleines Mädchen, und die dazugehörende Oma sagt: „Natürlich mit Erdäpfelteig, Topfenteig passt nur zu Marillen“. „Ein Zwetschkenfleck muss es sein, aus buttrigem Germteig!“, ruft da ein junger Mann, „mit Zimtstreuseln obendrauf“, meint er noch, bevor er mit seinem Rad davonflitzt. „Zwetschkendatschi“, denke ich verträumt, alljährliches Jausenessen beim Geburtstag der Münchner Omi, wie gern denke ich daran zurück. Auch der zimtig-schokoladige Zwetschkenkuchen meiner Freundin, serviert mit frisch geschlagenem Schlagobers, den wir jedes Jahr zur selben Zeit am See verspeisen, gehört für mich zum Spätsommer wie später im Jahr der Zwetschkenkrampus zum Nikolo. Zuhause habe ich Lust, den Zwetschken einen modernen Rahmen zu geben, vielleicht asiatisch, um den Kindern Freude zu bereiten? Da darf Sojasauce und Chinese 5 spice (siehe Rezept) nicht fehlen. Und während ich gedankenverloren die Korianderblättchen von den Stängeln zupfe, sage ich zum Liebsten: „Jetzt müssen wir uns nur überlegen, ob wir ein dünn aufgeschnittenes Schweinsfilet oder lieber einen Schaffrischkäse dazu essen.“Da meint er trocken: „Also mir ist das eigentlich powidl!“. Aber das ist eine andere Geschichte.