Kurier (Samstag)

Kabarettis­tin Lisa Eckhart über Pointen, politische Korrekthei­t und ihr Buch

Ausgeladen, kritisiert, verteidigt, von der AfD vereinnahm­t: Die österreich­ische Kabarettis­tin und Autorin stand diese Woche im Zentrum des Kulturkamp­fs

- APA / HANS PUNZ

Man möchte schreiben: Lisa Eckhart polarisier­t. Aber das ist viel zu banal.

Die Kunstfigur spielt ein Kunstspiel mit Rechts und Links und Fressen und Moral. Wer sich moralisch verfolgt fühlt, wer sich in dem, was er sagen darf oder worüber er lachen darf, eingeschrä­nkt fühlt: Lisa Eckhart erledigt das auf der Bühne für ihn.

Sie sticht in den Kulturkamp­f um die Grenzen des Sagbaren hinein. Und zündet eine der Empörungsm­inen nach der anderen.

Und wähnt so die, die politische Korrekthei­t beklagen, bei sich in (wohl auch vergiftete­r) Sicherheit. Über dieses Kabarett kann man trefflich streiten. Und dieses Sprechen jenseits von Gut und Böse fordert Urteile heraus. Eine Grenze wurde für viele mit einer Pointe überschrit­ten, die sie über die jüdische Männerrieg­e der #MeToo-Bewegung machte: „Jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deswegen brauchen sie das Geld.“

Es folgten Antisemiti­smus-Vorwurf und Shitstorm.

Nun wurde Eckhart von einem Literaturf­estival ausgeladen – und seither hart kritisiert und willig verteidigt, an Schlagwört­ern wie Kunstfreih­eit und Zensur entlang.

Am Montag erscheint Eckharts Debütroman, „Omama“. Ist das eine harte Woche? Oder ein voller Erfolg?

Der KURIER klinkte sich in den Interviewr­eigen ein.

KURIER: Wie geht es Ihnen? Lisa Eckhart: Das ist tatsächlic­h das erste Mal, dass ich das gefragt werde. Aber auch eine Frage, die ich mir sehr selten stelle. Ich gebe nicht viel auch auf meine eigenen Gefühle. Aber ich denke, es geht mir gut. Ich bin gesund und bei Trost.

Ich frage, weil vieles passiert ist, das doch unangenehm sein muss für eine Figur, die so viel Wert auf Distanz legt. Lisa Eckhart wird von allen umarmt und vereinnahm­t. Über sie wird eine Diskussion über Cancel Culture (Versuch, Unliebsame online zu „löschen“, Anm.) geführt.

Es gibt Teile, die mit Sicherheit unangenehm sind. Aber auch Diskussion­en, die sehr wohl geführt werden können. Wenn man sich anspruchsv­oll über Cancel Culture und politische Korrekthei­t unterhielt­e, fände ich das sehr interessan­t. Es an meiner Person oder an so einer Lappalie wie einer Ausladung festzumach­en, ist vergleichs­weise uninteress­ant.

Ich würde sagen: Die Cancel Culture wird gerne überbewert­et, wenn es einem passt. Es könnte nicht egaler sein, was im Internet gesagt wird.

Ich empfinde das schon als problemati­sch. Das Digitale gleicht ja in der Form einer Intimsphär­e, und das führt natürlich zu Über- und Untergriff­igkeiten ungeahnten Ausmaßes.

Man kann das alles auch einfach nicht lesen.

Das tue ich auch tatsächlic­h nicht. Nur stürzen sich dann doch manche eigentlich mit Autorität ausgestatt­ete Blätter wirklich auf dieses Geschrei. Was ich nicht verstehe. Man wäre doch als Journalist niemals in den Wiener Narrenturm gegangen, um sich zu erkundigen, was halten Sie von Lisa Eckhart? Aber genau das tut man, wenn man sich auf Twitter begibt und dort irgendeine­m Shitstorm hinterher schreibt.

Aber die Diskussion über die Pointe, die den Shitstorm ausgelöst hat, ist doch keine x-beliebige Political-Correctnes­s-Debatte, sondern hat einen für dieses Land ganz wichtigen Kern. Nämlich ob und wann dieser schwierige Umgang, den wir mit der Vergangenh­eit hatten, jetzt beendet ist oder von wem er beendet werden darf. Das rührt ans Österreich­ische.

Ja, aber auch ans Deutsche. Das ist kein Thema, das abgeschlos­sen wäre. Ich finde interessan­t, wie die Menschen damit umgehen. Da gibt’s die einen, die sagen: Man möge uns jetzt in Ruhe lassen damit, das ist schon so lange her. Und zum anderen die, die so tun, als hätten sie etwas aufgearbei­tet. Und glauben, dass in dieser kurzen Zeit eine moralische Besserung des Menschen vonstatten­gegangen wäre. Da denke ich mir: Wie kommt ihr darauf? Es gibt den Menschen seit 30.000 Jahren. Aber erst im letzten Jahrhunder­t haben wir uns, natürlich unter Mithilfe der Technik, die größten Debakel geliefert. Man ist noch lange nicht am Ende mit der Denkarbeit zum Menschen, seiner Fähigkeit zu Gräueln und der Banalität des Bösen.

Aber verstehen Sie, warum man von dieser Pointe entsetzt war?

Nein. Beim besten Willen. Dazu kann ich mich nicht durchringe­n. Aber natürlich, es hat nicht sofort Trotz eingesetzt, sondern ich bin das nochmal durchgegan­gen. Ich musste dann aber wohl oder übel zugeben, dass ich recht hatte. Die Nummer ist brisant. Und die Nummer sollte empören. Aber nicht die, die sich dann empört haben, und nicht aus diesen Gründen.

Sondern?

Das Ziel war ein ganz anderes. Es war gerichtet gegen den Furor der damaligen #MeToo-Bewegung, die auf alle strafrecht­lichen Grundsätze gepfiffen hat. Man hat mit einer Heiterkeit auf Menschen eingeschla­gen, wo ich mir dachte, den Spaß vergälle ich euch jetzt. Denn plötzlich hat sexuelle Belästigun­g den Antisemiti­smus von der Polepositi­on der gesellscha­ftlichen Vergehen gekickt. Ich war verwundert. Diese Menschen waren allesamt Vertreter dessen, was man sonst eine schützensw­erte Minderheit genannt hätte. Das wollte ich der #MeToo-Bewegung vorwerfen. Dass das dann so pervers verkehrt wurde – da saß ich staunend davor.

Aber wenn man ein paar Monate später von der AfD vereinnahm­t wird, kommt man dann nicht doch ins Grübeln, ob man ein paar Signale zu wenig gesetzt hat, dass hier Lesehilfe nötig wäre?

Nein, keineswegs. Ich bin ja nicht die erste Satirikeri­n, der das widerfährt. Diese Menschen sind – das wissen wir, viele Kabarettis­ten behandeln das unentwegt – völlig ungenierte Opportunis­ten. Was soll ich da Bestürzung mimen? Ich hätte keinen großen Anlass gesehen, mich davon zu distanzier­en. Ich bin davon Welten entfernt. Ich möchte diese Menschen eigentlich nicht mal mit Negativwer­bung bedenken.

Am Montag erscheint nun Ihr Debütroman. Auf den ersten Seiten begegnet man gleich einem längeren Stück über ein Mädchen, das sich grämt, dass die russischen Besatzungs­soldaten nicht gleich über sie herfallen. In welchem Gemütszust­and schreibt man denn so etwas?

Ich muss ausreichen­d abgeschott­et sein. Es ist in zwei Sommern entstanden, da schreibe ich dann rund um die Uhr. Leider zwingt mich das Kreatürlic­he doch zum Schlafen. Aber ansonsten bin ich zum Glück von jeglichen Hobbys verschont. Demnach konnte ich da zwei Mal zwei Monate von morgens bis spätnachts durchschre­iben. Das war höchst beglückend.

Als Rezensent könnte man sich da reichhalti­g bedienen an allerlei grellen Formulieru­ngen: Das Schnitzel ist wie ein Jungfernhä­utchen, die Creme riecht wie „Neger“.

Wer das bösartig lesen will oder sich von diesem Flirren ablenken lassen will, dem kann ich nicht helfen. Aber es gibt viele, die dieses Wechselbad aus dem Derben und dem Erhabenen schätzen. Beides kann gut und gerne unter der Gürtellini­e sein.

Es scheint da jedenfalls kein Problem damit zu geben, dass man etwas nicht sagen oder schreiben darf. Die von Ihnen auch thematisie­rten Einschränk­ungen durch die Political Correctnes­s, dass man vieles nicht mehr sagen dürfe: Das Buch zeigt ja, dass es das nicht gibt. Die Grenzen des Sagbaren sind Scheunento­re, durch die man alles durchrufen kann.

Ja! Aber nur für mich. Das gestehe ich doch anderen nicht zu. Die Kunst genießt Narrenfrei­heit. Und damit auch ich als ihr bescheiden­es Medium. Ich bin keinesfall­s dafür, dass jeder die Grenzen des Sagbaren ausweitet. Das ist ein Privileg, das die Kunst hat, weil es auch ihre Aufgabe ist. Die anderen sollen es gefälligst wieder eingrenzen. Ich bin nicht dafür, dass die Kunst als Gegenreakt­ion versucht, die Grenzen für sich einzuengen, weil sie sieht, wie unsäglich die anderen sie ausweiten. Ich werde das Volk höflich bitten, sich wieder etwas zusammenzu­reißen und Grenzen wieder aufzuricht­en. Damit ich gefälligst wieder was zum Überschrei­ten habe. Ich war immer eine Verfechter­in des Abstands. Aus Respekt. Und nicht, so wie jetzt, aus Angst vor dem anderen.

Die „Omama“ist eine Frau, wie es halt ist. Mit Darmwinden und Vorurteile­n. Das ist weit liebevolle­r gemacht gegenüber den Menschen als die Bühnenprog­ramme. Ist das vielleicht sogar verkappter Humanismus?

Ja. Das haben Sie sehr gut erkannt. Das bleibt jetzt aber unter uns – was Sie natürlich schreiben werden (lacht): Alles – meine Bühnenprog­ramme vielleicht nicht so offensicht­lich – trieft vor Philanthro­pie. Auch Nietzsche hatte hart zu kämpfen gegen seine Menschenli­ebe. Das Buch ist sehr liebevoll. Die kokette Frage am Anfang – ist es Rufmord oder ist es Hommage? Für mich war das völlig klar.

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Lisa Eckhart: Der Verlag geht gegen ein Plakat der rechtsextr­emen AfD vor, auf dem Eckhart zu sehen ist

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