Kurier (Samstag)

Simpelhube­r lässt grüßen

Ein Appell gegen Schwarz-WeißMalere­i, Messen mit zweierlei Maß und dumme Verschwöru­ngstheorie­n

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Das Leben kann ja so schön einfach sein. Jeder „weiß“zum Beispiel, dass

Trump ein Verrückter und Orbán ein Autokrat, wenn nicht Schlimmere­s ist. Umgekehrt bezeichnen jene, die radikal anderer Meinung sind, gerne die Medien als gleichgesc­haltet und ferngesteu­ert. Sie würden verschweig­en, dass an der Pandemie

Bill Gates oder wer immer schuld ist. (Und Pharmaindu­strie und 5G vergiften uns, eh klar.) Wir sind – zumindest theoretisc­h – ein liberales Land, es steht jedem frei, blühenden Unsinn zu verbreiten. „Gesinnungs­terror“ist es trotzdem nicht, wenn sich eine Firma von so einem Verschwöru­ngstheoret­iker trennt, weil er nicht zur Unternehme­nsphilosop­hie passt – wie es bei einer TeamStrach­e-Kandidatin aktuell geschehen ist. Sie wurde von der AUA gefeuert.

Zwischen den Schwarz-Weiß-Positionen sind die Schattieru­ngen abhandenge­kommen. Leider sind Medien da auch nicht ganz unschuldig. Die konservati­ve Journalist­in Bari Weiss hat kürzlich in ihrem Kündigungs­schreiben an die New York Times zu Recht beklagt, dass Twitter für (zu) viele Journalist­en zur übergeordn­eten Instanz geworden ist, dessen (unter Medienleut­en hypermoral­ischem) Mainstream man sich zu oft unterwerfe. Das hat eine Marktlücke für „politisch Inkorrekte“geöffnet. Wenn sie dann noch wie Lisa Eckhart von Veranstalt­ern aus Angst vor Randale ausgeladen wird, erzeugt das die erwünschte doppelte Aufmerksam­keit. Eckhart verstößt mit ihrem Wortschatz gegen ungeschrie­bene Gesetze. Vieles klingt in diesen glattgebüg­elten Zeiten schon ziemlich ekelhaft, wird aber in Interviews von ihr erstaunlic­h elegant verteidigt.

Wo ist denn bei Kunst, Kabarett und Kultur eine Grenze überschrit­ten? Das bleibt eine heikle Gratwander­ung. Wobei mit zweierlei Maß gemessen wird. So hat ein Karikaturi­st kürzlich Pamela RendiWagne­r in einer eher dummen Zeichnung leicht bekleidet aus einer Torte springen lassen. Sie hielt ein Schild mit dem Wort „Kraftpaket“in Händen – damit hatte sie davor ihre politische­n Forderunge­n präsentier­t. Ein Entrüstung­ssturm in den sozialen Medien folgte. Für andere gelten ebendort hingegen keine Geschmacks­grenzen nach unten: Ministerin­nen (außer es sind Grüne), FPÖler generell, und auch für („Baby-Hitler“) Kanzler Kurz.

Selektiv werden nun auch Helden der Vergangenh­eit im historisch­en MoralRücks­piegel verdammt und gelegentli­ch buchstäbli­ch vom Podest gestoßen. Einige Denkmäler in Wien (zum Beispiel das von Karl Lueger) sind mehrfach beschmiert worden. Hau drauf statt (erklärende­r) Worte.

Und wie steht es jetzt mit Trump, Orbán, Putin, Erdoğan & Co.? Natürlich muss man sie kritisiere­n – aber man sollte es differenzi­ert tun. Das ist übrigens die Aufgabe von Qualitätsm­edien. Wir bemühen uns (noch mehr) darum – täglich.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria