Die Goldgräberstimmung unter Amerikas „Frackern“ist Geschichte
Fracking machte die USA zum weltgrößten Ölförderer, doch jetzt stehen viele Betriebe vor dem Ruin. Die Branche setzt auf Trump
Folgen der Pandemie. Lois Zabrocky hat in ihrer Karriere auf hoher See schon viel gesehen. Aber als Boss von International Seaways, einem der größten Tankerunternehmen weltweit, waren die vergangenen Monate für sie ein Abenteuer der besonderen Art. Als Mitte April wegen der Pandemie der Ölpreis ins Bodenlose fiel, war klar, dass damit kein Geschäft zu machen ist. In den USA mussten ÖlVerkäufer sogar zahlen, damit ihnen jemand den Rohstoff abnimmt. Der Preis für die US-Ölsorte WTI fiel auf historische Minus 37 Dollar.
Während viele Öllager fast übergingen, konnte Lois auf ihren Tankern noch immer Öl lagern: Zwei Millionen
Fass pro Schiff. Statt 40.000 blätterten die Kunden dafür 150.000 Dollar hin – pro Schiff und Tag.
Die USA sind dank Frackings weltweit zum größten Ölförderland aufgestiegen. Doch vielen „Frackern“ist das Lachen vergangen. Bei dieser umstrittenen Fördertechnik wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in ölhaltiges Schiefergestein gepresst. Das Gestein wird aufgesprengt, das Öl oder Gas anschließend abgepumpt.
Ob und wann Ölfirmen profitabel sind, hängt von der Gegend und vom Grund ab: „Es kommt auf die Tiefe des Reservoirs an, auf die Gesteinsformation, wie hoch die Kosten für die Bohranlage,
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung oder die lokalen Gehälter sind,“erklärt Magdalena Klemun. Die gebürtige Österreicherin forscht am Massachusetts Institute of Technology. Der „break-even“liege im Schnitt bei 40 bis 50 Dollar pro Fass für Neubohrungen.
Seit dem Absturz im April haben sich die Preise wieder auf ein Niveau von rund 40 Dollar pro Fass erholt. Aber viele Fracking-Firmen mussten dennoch um Gläubigerschutz ansuchen, darunter der Pionier Chesapeake Energy (mit einem Schuldenstand von neun Milliarden Dollar).
Bis vor fünf Jahren hatte in den USA Goldgräber-Stimmung geherrscht. Doch sie versiegte, als die OPEC unter
Führung Saudi-Arabiens mit einer Ölschwemme und fallenden Preise antwortete. Mehr als 40 Prozent der Mitarbeiter der Schiefer-Energieunternehmen sind damals entlassen worden.
Strudel nach unten
Neben den börsennotierten Ölunternehmen gibt es in den USA Abertausende kleine Ölfirmen, Familienunternehmen mit wenigen Bohrlöchern, vor allem in Oklahoma, sozusagen hinten im Garten. „Es werden sicher auch regionale Banken, vor allem in Texas in den Strudel mit hineingezogen“, sagt Professor Willi Semmler, Ökonom an der New School in New York. „Die kleinen und mittleren
Unternehmen werden besonders betroffen sein. Die großen haben auch andere Einnahmequellen, die werden dann wieder gewinnen, wie in der letzten Krise. Präsident Trump hat angekündigt, sie vor der Insolvenz zu retten.“
Ob die USA ihre Topposition halten, hänge auch davon ab, ob US-Präsident Trump bei der Wahl gewinne oder nicht. Er werde viele neue Fördergebiete erlauben, um die nationale Energieversorgung zu sichern. Semmler: „Die Demokraten würden sicher bald umschalten auf mehr erneuerbare Energie und die ganzen unbeschränkten Abbaurechte wieder zurücknehmen.“