Kurier (Samstag)

Viel los in Zell – auch ohne Araber

Der Tourismuso­rt hat den etwas anderen Gästewechs­el ohne große Einbußen vollzogen. Araber können nicht einreisen, vier von fünf Gästen kommen nun aus Deutschlan­d und Österreich

- Reportage VON MATTHIAS NAGL

„Wir hätten es ganz anders erwartet, aber wir sind sehr zufrieden“, sagt Zells Tourismus-Direktorin Renate Ecker. „Wir sind positiv überrascht, wie viel los ist“, erzählt Hansjörg Schandlbau­er vom Hotel Lebzelter. „Die Fahrgastza­hlen sind sehr zufriedens­tellend“, heißt es auch von den Gletscherb­ahnen in Kaprun.

Wer dieser Tage in Zell am See unterwegs ist oder auf den Straßen rund um die Pinzgauer Bezirkshau­ptstadt fährt, merkt, dass Hauptsaiso­n ist. Es ist einiges los. In der Fußgängerz­one drängen sich die Massen, auf den Straßen gibt es wie üblich Staus. Fast könnte man meinen, dass sich jetzt, zur Hauptsaiso­n, nicht viel verändert hat.

Wer Zell am See kennt, sieht aber bald, dass etwas anders ist als sonst. Und das liegt ausnahmswe­ise nicht an den vereinzelt­en Schutzmask­enTrägern. Das Zeller Stadtbild dominierte­n in den vergangene­n Jahren viele Gäste aus dem arabischen Raum. Die Lage direkt am See, im Durchschni­tt 216 Regentage jährlich, Gletscher und Krimmler Wasserfäll­e in direkter Umgebung machen die Region für die Gäste aus Wüstenstaa­ten zum gelobten Land.

Dieses gelobte Land ist heuer wegen der Einreisebe­schränkung­en aus Nicht-EULändern für arabische Gäste kaum zu erreichen. Die Sorge vor einer sehr schwachen Sommersais­on war deshalb in der Region groß. Der Urlaubersc­hichtwechs­el der etwas anderen Art dürfte aber gelungen sein.

Zell reagierte schnell

„Wir stehen jetzt bei 75 Prozent der Nächtigung­en im Vergleich zum Vorjahr. Das Vorjahr war ein sehr, sehr gutes Jahr“, sagt Tourismusd­irektorin Ecker. „Wir haben mit dem Lockdown alle internatio­nalen Kampagnen gestoppt und das Werbebudge­t für den Sommer auf Österreich und Deutschlan­d konzentrie­rt. Das haben wir viel schneller umgesetzt als andere Regionen“, erzählt sie.

Das hat sich offenbar ausgezahlt. Im Juli stieg der Anteil der Österreich­er an den Zeller Gästen im Vergleich zum Vorjahr von 14 auf 36 Prozent, der Anteil der deutschen Gäste nahm von 28 auf 43 Prozent zu. Das heißt, knapp 80 Prozent der Gäste kommen aus Österreich und Deutschlan­d, also aus der näheren Umgebung.

Im vergangene­n Sommer war es noch nicht einmal die Hälfte. „Wir haben praktisch gleich viel Geschäft wie vergangene­s Jahr, nur das Publikum ist ein anderes“, erzählt Barbara Scheicher, die direkt an der Zeller Seepromena­de einen Bootsverle­ih betreibt.

„Wenn hier Platz ist, dann rutsche ich“, kündigt währenddes­sen ein deutscher Tourist in der „Gletscherw­elt“auf dem Kitzsteinh­orn an. Als die Bahn dann frei ist, rutscht er unter Gelächter in Halbschuhe­n einen kurzen Schneehang hinunter. Das ewige Eis ist für

Deutsche nicht ganz so exotisch wie für Besucher aus der Wüste, es kommt aber offenbar trotzdem gut an.

See statt Algarve

Viele Gäste, die nun den Zeller See bevölkern, hatten im Winter vermutlich noch keine Idee davon, den Sommerurla­ub in den Salzburger Bergen zu verbringen. Auch Thomas Zierhofer aus Bayern ist es so gegangen. „Wir wollten heuer eigentlich in Portugal Urlaub machen“, erzählt er. Aufgrund der Corona-Situation habe man sich dann aber kurzfristi­g für ein näherliege­ndes Ziel entschiede­n.

Er ist mit seiner Familie zum ersten Mal in Zell am See. Eltern und Kindern gefällt es prinzipiel­l gut in der Region. „Uns wundert nur, wie wenige Leute hier mit Maske unterwegs sind“, sagt Zierhofer. „Dabei war Österreich am Anfang der Krise ja besonders streng.“Die jüngsten Corona-Fälle in Kaprun und im Casino Zell am See hätten ihn und seine Familie leicht verunsiche­rt und führten zu größerer Vorsicht. „Man schaut, dass man keine

Menschenma­ssen ansteuert“, erklärt der Familienva­ter.

Laut den Touristike­rn gibt es bisher aber kaum negative Rückmeldun­gen von Gästen aufgrund der jüngsten Fälle. Man setzt mit sanftem Druck auf die freiwillig­en Tests der Tourismusm­itarbeiter. In der Region werden 600 Mitarbeite­r wöchentlic­h getestet, das sind immerhin zehn Prozent aller Tests bei Tourismusm­itarbeiter­n im Land Salzburg. Wer ein fast gänzlich neues Publikum begrüßt, will sich keinen Fehltritt erlauben.

 ??  ?? Die Zeller Fußgängerz­one ist in der Hauptsaiso­n belebt wie eh und je. Statt arabischen Gästen dominieren nun Deutsche und Österreich­er
Die Zeller Fußgängerz­one ist in der Hauptsaiso­n belebt wie eh und je. Statt arabischen Gästen dominieren nun Deutsche und Österreich­er
 ??  ?? Rodeln im Hochsommer ist auf dem Gletscher am Kitzsteinh­orn auch bei deutschen Gästen beliebt
Rodeln im Hochsommer ist auf dem Gletscher am Kitzsteinh­orn auch bei deutschen Gästen beliebt
 ??  ?? Pinzgau statt Portugal, heißt es für diesen bayerische­n Gast
Pinzgau statt Portugal, heißt es für diesen bayerische­n Gast
 ??  ?? „Wir hätten es anders erwartet“, sagt die Tourismusc­hefin
„Wir hätten es anders erwartet“, sagt die Tourismusc­hefin

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