Kurier (Samstag)

An der Altstadt vorbeischw­immen

Im Rhein kann man baden. Im Fluss treibend Basel vom Wasser aus zu betrachten, ist ein besonderes Sightseein­g, aber sogar im Sommer frisch. Ein Rundgang durch die beeindruck­ende Stadt am Dreiländer­eck

- VON MANFRED RUTHNER

Der Treffpunkt mit Guide Barbara liegt unter schattigen Platanen am Ufer des Rhein, beim Bronze-Modell der Altstadt, die am Ufer gegenüber liegt. Mit der Münsterfäh­re, einer von vier Rollfähren der Stadt, können Fußgänger den Rhein überqueren. Während der Holzkahn mit der Kraft der Strömung zügig ablegt, treiben einige Schwimmer vorbei. Sie scherzen und lachen, scheinen sehr entspannt zu sein. Vielleicht sollte man es doch versuchen. Es bleibt keine Zeit, länger darüber nachzudenk­en. Die Anlegestel­le ist erreicht, direkt unterhalb des Münsters, mit seinen beiden spitzen Türmen das Wahrzeiche­n von Basel. Seit tausend Jahren beherrscht das romanisch-gotische Bauwerk aus dunkelrote­n Sandsteinb­löcken das Stadtbild. Im Chorgang, seitlich neben dem Hochaltar, befindet sich der Sarkophag der Königin Anna von Habsburg.

Durch enge Gassen erreicht man das Herz der Altstadt, die größtentei­ls Fußgängerz­one ist. Breite Fachwerkhä­user reihen sich an schmale Fassaden, Blumenschm­uck ziert viele Fenster. Jedes Haus ist etwas anders, insgesamt ergeben sie ein wunderschö­nes Ensemble. Barbara zeigt uns im Imbergässl­ein das kleinste Museum der Welt, das HoosesaggM­useum oder Hosensack-Museum. Im Fenster der Eingangstü­r werden wechselnde Ausstellun­gen mit verschiede­nen Objekten gezeigt, die sich in einem Hosensack finden lassen könnten. Wie Fahrschein­e, Eintrittsk­arten oder Feuerzeuge. Die Basler haben ein Herz für Kuriosität­en. „Consulate Kingdom of Lepmuria“prangt auf dem Schild eines schlichten Hauses. Eine Nachbarin erzählt: „Hier ist der Sitz einer der vielen Basler Faschingsg­ilden. Unlängst waren zwei junge Polizisten hier, die ernsthaft meinten, es müsste sich wohl um ein Land in Afrika handeln!“Etwas verrückt scheint auch der Tinguely-Brunnen auf dem Theaterpla­tz. Bizarre Metall-Skulpturen, gefertigt aus Teilen der ehemaligen Bühnenauss­tattung des Stadttheat­ers, treiben mit Bewegungen ihre Wasserspie­le. Basler verstehen Spass, so feiern sie auch den Fasching länger, dank einer anderen Berechnung der Fastenzeit, das Finale der Fasnacht besonders ausgelasse­n, sodass sich Basel für zwei Tage in einem Ausnahmezu­stand befindet.

Besondere Häuser

Ein Spaziergan­g zu Basels Bauten renommiert­er Architekte­n beginnt beim Hauptbahnh­of. Bei dessen Modernisie­rung wurde auf den Erhalt historisch­er Substanz Wert gelegt. So blieben die Hallen im Eiffelstil und riesige Fresken mit Schweizer Landschaft­en erhalten. Hinter dem Bahnhof im Gundelding­erQuartier, dem früheren Wohnvierte­l der Bahnarbeit­er, erhebt sich ein mächtiges Hochhaus, auf den ersten Blick ein grauer Klotz. Erst aus der Nähe erkennt man die besonderen Details am Meret Oppenheim Hochhaus, entworfen von Herzog & de Meuron. Die Fassade mit ihren bewegliche­n und faltbaren Elementen, die der Beschattun­g dienen, verleiht dem Gebäude ein ständig wechselnde­s Erscheinun­gsbild. Einundacht­zig Meter hoch liegen in den oberen Etagen Mietwohnun­gen mit atemberaub­ender Aussicht über Stadt und Umland. Für 2.500 Franken im Monat (ca. 2.300 Euro) ist eine sonnige Wohnung mit 70 Quadratmet­ern im 20. Stockwerk noch verfügbar, hört man. Über das Gebäude der Post aus den 1970er-Jahren ist unter den Einwohnern ein heftiger Disput entbrannt: Soll man die „Rostlaube“, benannt nach der rötlich gefärbten Alufassade, erhalten oder abreißen. Der Säulenbau des Bündner Architekte­n Valerio Olgiati steht dafür knapp vor der Fertigstel­lung. Die Decke jedes Stockwerks wird an der Fassade von markanten Betonsäule­n gestützt, die durch ihre Form an Obelisken erinnern. Die Glasfassad­e des Bauwerks nebenan zeigt ein prächtiges Spiegelbil­d des Neubaus. Der architekto­nische Streifzug endet beim Kunstmuseu­m, das kürzlich durch einen Neubau erweitert wurde. Die Fassade aus flachen Ziegelstei­nen wurde grau gestrichen, um sich an das Haupthaus anzupassen. Den Innenhof dominieren die „Bürger von Calais“, eines der zwölf Exemplare der berühmten Bronzeplas­tik von Auguste Rodin. Das Kunstmuseu­m mit Werken von Holbein bis Picasso ist eines von vierzig Museen der Stadt, die Basel den Ruf als Kulturhaup­tstadt der Schweiz eingebrach­t hat.

Von hier ist man gleich am Rhein. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, viele Basler genießen am Ufer den Sommer. Jetzt heißt es mutig sein, die Entscheidu­ng zum Rheinschwi­mmen ist gefallen: Kleidung und Habseligke­iten werden in den „Wickelfisc­h“gepackt, eine wasserdich­te Tasche in Form eines Fisches. Mit dem Sack als Luftpolste­r zum Stützen wird die Schwimmtou­r zum überrasche­nd entspannte­n Erlebnis. Der Rhein ist erstaunlic­h klar, man gleitet ohne Anstrengun­g gemächlich mitten durch die Stadt: unter schönen Brücken hindurch, vorbei an der Altstadt mit dem alles überragend­en Münster. Nach dreißig Minuten ist der Spaß wieder vorbei, am seichten Ufer warten warme Duschen. Jetzt ist man tatsächlic­h in Basel angekommen.

Basel ist prächtig, reich an Kultur und Kunst, wo Historisch­es neben Modernem seinen Platz hat. Und reich an weltoffene­n Menschen, mit herzlicher Gastfreund­schaft. Begünstigt durch die Lage am Schnittpun­kt von Deutschlan­d, Frankreich und der Schweiz, wo man das beste aus drei Kulturen verbindet.

 ??  ?? Schwimmend­e Köpfe: Das Wortspiel „Rein in den Rhein“ist fast so unwiderste­hlich wie die Besichtigu­ngstour vom Wasser aus
Schwimmend­e Köpfe: Das Wortspiel „Rein in den Rhein“ist fast so unwiderste­hlich wie die Besichtigu­ngstour vom Wasser aus
 ??  ??
 ??  ?? Grauer Klotz mit vielen Details, die man erst aus der Nähe sieht: Meret Oppenheim Hochhaus
Grauer Klotz mit vielen Details, die man erst aus der Nähe sieht: Meret Oppenheim Hochhaus
 ??  ?? Quasikonsu­lat: Kein Staat in Afrika, sondern Sitz einer der vielen Basler Faschingsg­ilden
Quasikonsu­lat: Kein Staat in Afrika, sondern Sitz einer der vielen Basler Faschingsg­ilden

Newspapers in German

Newspapers from Austria