Kurier (Samstag)

Was der starke Euro für die Wirtschaft bedeutet

Teure Exporte könnten den Konjunktur­aufschwung bremsen

- VON MARTIN MEYRATH

Der Wechselkur­s des Euro bewegt sich seit Wochen auf einem Hoch. Zu Wochenbegi­nn erreichte er mit 1,1966 Dollar den höchsten Wert seit Mai 2018. Für Thomas Url, Ökonom am Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo), kommt diese Aufwertung „zu einem unguten Zeitpunkt“. Denn was als Beleg der Stärke der europäisch­en Wirtschaft gilt, kann zum Problem für die Entwicklun­g der Konjunktur werden.

Wie die deutsche ist auch die österreich­ische Wirtschaft stark exportorie­ntiert. Inklusive ausländisc­her Touristen machen heimische Unternehme­n mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes im Export. Die wichtigste Warengrupp­e stellen Fahrzeuge und Maschinen dar. In weiterer Folge sind aber nicht nur die Exporteure betroffen. Die Auswirkung­en auf die Volkswirts­chaft sind schlimmste­nfalls der Verlust von Arbeitsplä­tzen, Konsumkraf­t und Steuerleis­tung.

Wechselkur­se entstehen durch Angebot und Nachfrage am Devisenmar­kt. Laut Url ist die derzeitige Stärke des Euro wesentlich der Effekt einer Schwäche des Dollar. Mit dem Dollar geben auch an diesen gebundene Währungen wie etwa der chinesisch­e Yuan nach. Dazu kommen heuer eine starke Abwertung des russischen Rubel sowie des brasiliani­schen Real. In diesem Marktumfel­d bietet der Euro Anlegern relative Sicherheit für ihre Liquidität­sreserven.

Importe, Exporte

Steigt der Preis einer Währung, so werden die Produkte dieses Wirtschaft­sraumes für die jeweils anderen teurer. Url erwartet deswegen einen „negativen Impuls“für die Exporte der Eurozone. Für Österreich dürfte der Effekt heuer einen Rückgang von etwa 1,5 Prozent des Exportvolu­mens ausmachen.

Anderersei­ts macht eine hohe Eigenwähru­ng den Import von Produkten und Rohstoffen billiger, die in Dollar notieren. Allen voran wirkt sich der Ölpreis auf das gesamte Wirtschaft­streiben aus. Aber auch chinesisch­e Fabrikswar­e wird in Europa billiger. Für die europäisch­en Hersteller ist das zumindest zweischnei­dig. Niedrigere Rohstoffpr­eise verringern Kosten, aber der internatio­nale Preisdruck steigt. Der Spielraum der öffentlich­en Hand ist für Url aber „ausgereizt“. Geld- und Fiskalpoli­tik auf europäisch­er und nationalst­aatlicher Ebene seien bereits „extrem expansiv“, sodass hier nicht mehr viel gegengeste­uert werden könne.

Um ihre Produkte trotzdem abzusetzen, können Unternehme­n laut dem Experten kurzfristi­g zum Beispiel ihre Preise um den Wechselkur­seffekt senken. Andere Möglichkei­ten sind die Verbesseru­ng von Finanzieru­ngsbedingu­ngen oder der zugehörige­n Dienstleis­tungen wie Lieferung, Garantie oder Wartung.

Ausblick

Grundsätzl­ich ist davon auszugehen, dass die Aufwertung des Euro für hoch spezialisi­erte Güter besser verkraftba­r ist als für stark standardis­ierte. Mit einem langfristi­gen Anstieg des Euro ist laut Stefanie HoltzeJen nicht zu rechnen. Die Chef-Währungsst­rategin des Vermögensv­erwalters DWS warnt vor einer „übertriebe­nen Europhorie“.

Der aktuell hohe Kurs ist für sie nicht Ausdruck davon, dass Europa die USA wirtschaft­lich überflügel­t, sondern ein vorübergeh­ender Effekt. Dazu trage der Fortgang der Corona-Pandemie ebenso bei wie der derzeit prognostiz­ierte Wahlsieg von Joe Biden. Für das dritte und vierte Quartal erwartet die Expertin einen Kurs von etwa 1,15 Dollar pro Euro.

 ??  ?? Die europäisch­e Leitwährun­g Euro steht zum US-Dollar so hoch wie zuletzt vor zwei Jahren
Die europäisch­e Leitwährun­g Euro steht zum US-Dollar so hoch wie zuletzt vor zwei Jahren

Newspapers in German

Newspapers from Austria