Kurier (Samstag)

Ab wann man stornieren kann

Entscheide­nd ist in Österreich, zu welchem Zeitpunkt man den Urlaub absagen will

- MICHAELA REIBENWEIN

Stornokost­en. Reicht die Angst vor einer CoronaErkr­ankung aus, um eine Reise kostenlos stornieren zu können? Unter gewissen Umständen ja. Zumindest in Deutschlan­d. Ein aktuelles Urteil des Amtsgerich­ts Frankfurt sorgt in der Reisebranc­he für Aufsehen – doch in Österreich ist die Rechtslage ein wenig anders.

Ein Mann aus Deutschlan­d hatte eine Reise in den Golf von Neapel gebucht. Damals verzeichne­te man in der Region schon eine hohe Ansteckung­srate, eine offizielle Reisewarnu­ng gab es aber nicht. Der Mann wollte auf Nummer sicher gehen und stornierte. Der Veranstalt­er bestand auf die Stornogebü­hr

– man traf sich vor dem Richter. Und der vertrat die Auffassung: Eine gewisse Wahrschein­lichkeit für die Ausbreitun­g des Virus genügt, um kostenlos stornieren zu können. Eine Reisewarnu­ng ist nicht Voraussetz­ung.

Ein Urteil, das auch in Österreich Anwendung finden könnte?

Geht man von der bisherigen Rechtslage aus, eher nicht, meint der Wiener Rechtsanwa­lt Eike Lindinger. Denn es gibt einen kleinen, feinen Unterschie­d zwischen Deutschlan­d und Österreich: Die Berücksich­tigung der Eintrittsw­ahrscheinl­ichkeit.

Der Begriff stammt aus einem Urteil aus dem Jahr 2001 und besagt, dass 25 Prozent Wahrschein­lichkeit genügen – das gilt seither in Deutschlan­d als Leitentsch­eidung.

Diese Rechtsprec­hung gibt es in Österreich nicht. Noch nicht. „In manchen juristisch­en Kommentare­n wird dieses Urteil bereits erwähnt“, sagt Lindinger.

Zeitpunkt entscheide­nd

Für österreich­ische Urlauber ist entscheide­nd, zu welchem Zeitpunkt sie eine Reise stornieren wollen. „Die zum Rücktritt berechtige­nde Unzumutbar­keit muss sich dabei aus einer konkreten Gefahrenla­ge ableiten“, sagt Lindinger. Die entscheide­nde Frage ist, wie ein durchschni­ttlicher Reisender die künftige Entwicklun­g am Reiseziel beurteilt hätte. „Unerheblic­h ist dabei die spätere reale Entwicklun­g“, so Lindinger.

Gibt es bereits eine aktuelle Reisewarnu­ng, werden Urlauber ihr Geld wohl komplett zurückbeko­mmen – aktuell wäre das zum Beispiel für Kroatien der Fall. Der Bitte Kroatiens, nur partielle Reisewarnu­ngen auszusprec­hen, entsprach Österreich übrigens nicht. Die Urlauber seien zu mobil.

Spanien-Urlauber

Etwas schwierige­r ist das schon bei Reisen nach Spanien. Österreich hat zwar eine entspreche­nde Reisewarnu­ng für das Festland und die Balearen (also für Mallorca, Menorca, Ibiza, Formentera, Cabrera) veröffentl­icht. Nicht aber für die Kanarische­n Inseln; da gibt es zwar ein „hohes Sicherheit­srisiko“, aber keine Reisewarnu­ng.

Deutschlan­d allerdings hat eine Reisewarnu­ng für Gesamt-Spanien inklusive Inseln ausgesproc­hen. Das könnte man bei einem Rechtsstre­it als Konsument ins Treffen führen.

Nicht unwesentli­ch ist die Art der Reise – war ein Ballermann-Urlaub geplant, ist der wohl gar nicht mehr möglich. Für einen ruhigen Strandurla­ub stehen die Chancen besser.

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