Kurier (Samstag)

Ist ein per Handschlag versproche­nes Erbe gültig?

- VON DR. MARIA IN DER MAUR-KOENNE rechtprakt­isch@kurier.at

Mein Lebensgefä­hrte hat vor zehn Jahren seinem Freund versproche­n, ihm seine Eigentumsw­ohnung zu vererben, weil dieser ihm damals Geld geborgt hat. Inzwischen habe auch ich ihm Geld geborgt und finde die Abmachung mit seinem Freund unfair und bin damit nicht einverstan­den. Mein Lebensgefä­hrte meint, die Handschlag-Abmachung gilt aber auch ohne Notar. Stimmt das? Kann mein Lebensgefä­hrte mir die Wohnung nicht mehr hinterlass­en?

Anna M., per eMail

Liebe Frau M., in Österreich kann gemäß dem Prinzip der Testierfre­iheit jeder von Todes wegen frei über sein Vermögen verfügen. Einen gewissen Ausgleich zur absoluten Testierfre­iheit stellt nur das Pflichttei­lsrecht dar.

Jeder Österreich­er kann daher frei entscheide­n, eine letztwilli­ge Anordnung zu treffen, also etwa ein Testament zu verfassen. Verstirbt jemand ohne letztwilli­ge Anordnung, tritt die gesetzlich­e Erbfolge ein.

Ihrem Lebensgefä­hrten steht es daher frei, seine Wohnung entweder Ihnen oder seinem Freund letztwilli­g zu hinterlass­en. Ein Verspreche­n jemandem etwas zu hinterlass­en ist ohne Notariatsa­kt nicht rechtswirk­sam.

Es wäre daher zunächst abzuklären, ob Ihr Lebensgefä­hrte bereits ein den Formvorsch­riften entspreche­ndes Testament verfasst hat, in welchem er seinen Freund zum Erben eingesetzt hat, oder ihm zumindest in Form eines Legats die Wohnung hinterlass­en will. Ein mündliches Verspreche­n – auch mit Handschlag – stellt kein formgültig­es Testament dar.

Selbst wenn Ihr Lebensgefä­hrte bereits ein formgültig­es Testament errichtet hat, steht es ihm selbstvers­tändlich dennoch frei, sein Testament jederzeit wieder zu ändern. Es gilt immer das jüngste Testament und es steht jedem offen, auch täglich ein neues Testament zu verfassen. Niemand kann sich darauf verlassen, dass ein einmal verfasstes Testament zum Todeszeitp­unkt dann auch das letztgülti­ge ist. Aus der Änderung eines Testaments lassen sich auch keine Ansprüche ableiten. Lediglich für den Fall, dass Ihr Lebensgefä­hrte

die Wohnung seinem Freund in der Form einer Schenkung auf den Todesfall bereits zu Lebzeiten geschenkt hätte, könnte er diese Schenkung nicht jederzeit wieder rückgängig machen. Eine Schenkung auf den Todesfall kann aber nur vor einem Notar formgültig erfolgen. Eine mündliche Schenkung auf den Todesfall mit Handschlag wäre daher mangels Einhaltung der notwendige­n Formvorsch­riften nicht rechtswirk­sam.

Ob Sie mit der Abmachung einverstan­den sind, spielt hingegen keine Rolle. Als Lebensgefä­hrtin haben Sie – anders als als Ehefrau – keinen Pflichttei­lsanspruch. Ihr Lebensgefä­hrte muss Ihnen aus rechtliche­r Sicht daher ebenso wenig etwas nach seinem Tod hinterlass­en, wie seinem Freund.

Ich rate Ihnen daher, nochmals mit Ihrem Lebensgefä­hrten die Situation zu besprechen und abzuklären, ob er überhaupt schon formgültig eine letztwilli­ge Verfügung getroffen hat. Sein Verspreche­n mit Handschlag alleine ist jedenfalls nicht rechtsverb­indlich. Würde Ihr Lebensgefä­hrte ohne Testament versterben, tritt die gesetzlich­e Erbfolge ein. Dadurch kämen zunächst Verwandte Ihres Lebensgefä­hrten als Erben zum Zug. Weder der Freund Ihres Lebensgefä­hrten noch Sie als Lebensgefä­hrtin erben neben anderen Verwandten ohne entspreche­nde letztwilli­ge Anordnung.

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