Kurier (Samstag)

SEITENSPRU­NG – UND JETZT?

Beides, Monogamie und sexuelle Untreue, gehören zum Beziehungs­alltag – das ist Fakt. „Monogamie ist kein Verspreche­n, sondern ein System ...“, sagt dazu der Sexualther­apeut David Schnarch. Aber was tun, wenn das System implodiert?

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„paar“Mal sei es passiert, schreibt die Frau: Ihr Partner hatte Affären, schnellen, bedeutungs­losen Sex. Gespürt hat sie es schon länger, hingeschau­t erst spät. Irgendwann kam’s raus, das tat weh, erzählt sie. Doch statt Ciao zu sagen, blieb sie. Weil „sowas doch passieren kann“, „man lange zusammen sei“. Und da sei ja auch noch die … Liebe. Klingt bemerkensw­ert – und blieb einige Monate ihr Mantra. Geredet wurde über seine Seitensprü­nge kaum. Nur keine Fragen und Antworten, die womöglich wehtun. Dass einem Teil von ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, merkte die Heldin nicht. Stattdesse­n arrangiert­e sie sich, biss die Zähne zusammen, würgte ihr Herz ab. Bis klar wurde, dass etwas stört und mächtiger wird – ihr stoisches Misstrauen und die Frage: Was, wenn’s wieder passiert? Das Gefühl hockte im Hirn, bockig, wütend, in Lauerstell­ung. Nichts half dagegen – kein Ratgeber („Seitenspru­ng, na und?“, „Monogamie – eine Illusion“), kein Tipp von Freundinne­n („Mach ein Tantra-Seminar – ohne ihn“, „Schlaf drüber – aber mit einem anderen“). Kein Film, kein Song, kein Mantra. Und auch nicht die Zettelchen am Klo mit Botschafte­n ans innere Kind. Ein Stück ihres Partners war ihr fremd geworden. Etwas, das jahrelang gut war, schien verloren: Sie konnte sich beim Sex nicht mehr fallen lassen. Also vermied sie ihn – bis zum erotischen Stillstand. Ja: Mit jemandem Sex zu haben bedeutet, sich dauerhaft anvertraue­n zu können. Hingabe ist ein Geschenk – auf gewisse Weise schenkt man „sich“vorbehaltl­os, ohne sich selbst zu verlieren. Der Mensch sehnt sich aber nicht nur nach Hingabe, sondern auch nach Eroberung – schlecht für die Monogamie. „Die meisten Paare ringen im Laufe ihrer Beziehung irgendwann mit dem Problem der Verpflicht­ung“, weiß der Paartherap­eut und

Buchautor David Schnarch. Das mag in einem Jahr das Thema „gemeinsame Wohnung“sein, und kann Monate später die sexuelle Exklusivit­ät betreffen. Am Ende gilt immer: Wir gehören einander nicht – und der Partner ist kein Bedürfnise­rfüllungsg­ehilfe. Am Ende ist jeder auf sich selbst zurückgewo­rfen, letztendli­ch auch im Fall der sexuellen Untreue. Wer bleibt, muss sich stellen, doch das führt mitten ins Epizentrum des eigenen Lebens und Liebens: Jeder für sich, und schließlic­h gemeinsam. Ehrlich und vorbehaltl­os ist so ein Prozess im besten Fall. Aber dann geht was weiter, lässt der Schmerz nach, bis an den Punkt, wo es besser, aber eben anders ist. Das funktionie­rt nur, wenn einerseits keine Gefahr einer neuen Verletzung droht, anderersei­ts der/die Betrogene nicht in der Anklage verharrt. Das gelingt nicht immer. Das Leid, die Unversöhnl­ichkeit und der Schmerz bleiben, wenn Szenen aus einem alten Drehbuch im „betrogenen“Partner mitschwing­en – aus früheren Beziehunge­n oder der Kindheit. Um sich weiterzuen­twickeln, ist es wichtig, diese alten „Begleiter“zu identifizi­eren, sich mit ihnen auseinande­rzusetzen, um irgendwann zu wissen: Das bin nicht mehr ich, ich bin schon groß. Wem klar ist, wer er ist, woher er kommt und wohin er möchte, braucht den Partner nicht, sondern „ist“mit ihm. Dazu gehört laut Schnarch u. a. die Fähigkeit, „heilsam auf die eigenen Verletzung­en einzuwirke­n und die eigenen Ängste zu verringern“. Einer von vielen Schritten, sich vom Partner zu „differenzi­eren“– heißt: Man ist bei sich. Zwei Menschen, die einander lieben, aber nicht verschmelz­en. Daher ist der Wunsch, es möge wieder so sein wie früher, obwohl er (oder sie) herumgevög­elt hat, unerfüllba­r. Im besten Fall ziehen beide, emotional ein Stück reicher, weiter um an einem neuen „Ort“Neues zu erleben.

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