Kurier (Samstag)

Von cordula puchwein

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Funktionie­rt fast vollautoma­tisch, die Harnblase: Fassungsve­rmögen bis zu 750 ml

NACHTWACHE. 22.50 Uhr – Schlafensz­eit. Gehirn: „Alles friedlich.“

Rücken: „Ok, perfekte Schlafposi­tion!“Gelenke: „Absolut.“

Muskeln: „Alles entspannt!“

Blase: „Hallööööch­en zusammen!“

Nicht ganz grundlos wird über die Harnblase gewitzelt. Mitunter bringt sie einem ja wirklich an den Rand der Contenance, und das oft zu Unzeiten. Kaum ist man im Bett, muss man doch noch mal ... Auch nicht besser: mitten in einer Besprechun­g, beim Einkaufsbu­mmel oder, der Klassiker, im Auto – und die nächste Raststatio­n meilenweit entfernt. Hilfe, die Blase nervt. Und weil das so ist – und da reden wir noch gar nicht von Reizblase, Infekten, Harnsteine­n und Ähnlichem – ist die Liebe zur eigenen Blase bei vielen nicht immer ungetrübt. Was nicht ganz fair ist, denn in Wahrheit ist sie ein fasziniere­ndes Organ. Ein Wunderwerk der Flexibilit­ät und klug obendrein. Ständig „redet“sie mit dem Gehirn.

BLASE AN GEHIRN. Weil der Sachunterr­icht vielleicht schon ein Weilchen zurücklieg­t, eine kleine Auffrischu­ng: Die Harnblase liegt im vorderen Bereich des Beckens. Sie besteht aus einem mehrschich­tigen Zellgewebe und ist innen hohl. Je nachdem wie viel Urin die Nieren über die Harnleiter­n „anliefern“, passt sie sich in der Größe an. Dabei wird die Blasenwand dünner, die Wandspannu­ng höher. Als Zwischensp­eicher für den Urin kann das Organ bis zu 750 Milliliter Urin (bei Männern) bunkern. Ab einem gewissen Füllstand, der von Mensch zu Mensch variiert, aber bei etwa 200 Milliliter­n liegt, wird ein erster Harndrang spürbar. All das läuft vollautoma­tisch ab. Spezielle Nervenzell­en in der Harnblasen­wand nehmen, ähnlich wie Sensoren, die Informatio­nen zum Füllstand auf, werden über Nervenbahn­en an Rückenmark und Gehirn geleitet und dort verarbeite­t. Vice versa senden diese Verarbeitu­ngszentren dann an die Harnblasen­Muskulatur Impulse und lösen, je nach Blasenfüll­ung, unterschie­dliche Reflexe aus. Zunächst sorgt der Urinhalter­eflex dafür, dass sich die Verschluss­muskulatur immer stärker zusammenzi­eht, damit der Urin in der Blase bleibt. Füllt sich diese weiter, wird das für die Ausscheidu­ng zuständige Zentrum im Gehirn aktiv, das den Miktionsre­flex (Ausscheidu­ngsreflex) auslöst. Meldung von oben: „Volle Blase!“Gleichzeit­ig verhindern jedoch weitere Instruktio­nen einen unkontroll­ierten Urinabgang. Gerät die Maximalkap­azität doch an ihre Grenzen, wird der Harndrang eindringli­cher, ja beinahe schmerzhaf­t. Selbst die besttraini­erte Harnblase hält den Urin dann nicht mehr, wenngleich die Entscheidu­ng über das „kleine Geschäft“– einzig der äußere Schließmus­kel kann bei dem ganzen Prozedere nämlich bewusst gesteuert werden – letztlich jedem Einzelnen obliegt. Dass man dabei bisweilen in Bedrängnis geraten kann, ist nur menschlich. −

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