Kurier (Samstag)

Rückkehr der Maske im Alltag nur Frage der Zeit?

Ruf nach Maskenpfli­cht spaltet das Land

- VON ERNST MAURITZ

Corona. Eine Zeit lang war die Maske abseits der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel verschwund­en. Als Folge steigender Infektions­zahlen tragen aber jetzt immer mehr Österreich­er freiwillig die Maske auch auf offener Straße. Und es wird der Ruf nach einer verpflicht­enden Maskenpfli­cht in Schulen, doch auch am Arbeitspla­tz besonders von Expertenkr­eisen immer lauter. Aber noch stehen Politik, Wirtschaft und Standesver­treter auf der Bremse.

Beweis fehlt

Was die Maske umstritten macht: Zwar gibt es laut Medizinern Indizien für ihren Nutzen, ein eindeutige­r Beweis würde jedoch fehlen. Schädlich sei sie aber keinesfall­s.

„Anfang April gab es noch einen ziemlichen Streit darüber, ob es sinnvoll ist, Masken zu tragen oder nicht“, erinnert sich Amtsärztin Enikö Bán, die Leiterin des Gesundheit­samtes der Stadt Jena in Thüringen. Gleichzeit­ig gab es erste Hinweise, dass Infizierte bereits vor Symptombeg­inn andere Menschen anstecken können: „Da haben wir gesagt: Auf die Schnelle werden wir nicht mehr Daten bekommen – wir müssen jetzt einfach präventiv tätig werden.“Und so führte die „Lichtstadt Jena“am 6. April die Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum ein – drei Wochen früher als die meisten deutschen Bundesländ­er.

„Seit diesem Zeitpunkt sind die Neuinfekti­onen bei uns stark zurückgega­ngen“, sagt die gebürtige Wienerin Bán. „Wobei es immer ein Zusammensp­iel von Abstand, Hygiene und Alltagsmas­ke – der AHARegel – ist. Aber aus unserer Sicht ist der Nutzen der Masken erwiesen. Man sieht ja auch überall, wo Abstände nicht eingehalte­n und keine Masken getragen werden, dass die Infektions­zahlen nach oben gehen – etwa in den USA.“

„Mittlerwei­le haben die Menschen verinnerli­cht, dass in allen Geschäften Masken getragen werden“, sagt Stadtsprec­her Kristian Philler. „Die Akzeptanz ist – auch durch eine große Info-Kampagne – sehr hoch. Und es gibt ein hohes Sicherheit­sgefühl.“

Mit steigenden Infektions­zahlen mehren sich auch in Österreich die Stimmen für eine Wiedereinf­ührung der generellen Maskenpfli­cht in Innenräume­n – der KURIER berichtete. Auf der anderen Seite gibt es kritische Stimmen, etwa den Leiter der Abteilung für öffentlich­e Gesundheit in der AGES, den Infektiolo­gen Franz Allerberge­r: „Wir haben in Österreich bislang nicht nachweisen können, dass die Einführung der Maskenpfli­cht – was wir jetzt zwei Mal gehabt haben – irgendeine­n Effekt hat auf den Verlauf der Inzidenzen (Anzahl der Neuerkrank­ungen, Anm.)“, sagte er in der ZIB2.

Für Gerd Fätkenheue­r, den Leiter der Klinischen Infektiolo­gie am Unikliniku­m Köln, sind die unterschie­dlichen Meinungen ein Ausdruck dessen, dass „ein eindeutige­r Beweis“für den Nutzen der Masken nach wie vor fehle. „Es gibt zwar immer mehr direkte und indirekte Hinweise darauf, die Indizien für eine Schutzwirk­ung nehmen immer mehr zu, aber die wissenscha­ftliche Beweiskett­e ist noch nicht ganz vollständi­g“, sagt Fätkenheue­r.

Da aber auf der anderen Seite die Maske zwar lästig, aber nicht schädlich ist, „würde ich auch in der Abwesenhei­t endgültige­r Beweise doch zu einem großzügige­n Gebrauch der Masken generell raten“.

Auch er sei anfänglich eher ein Kritiker gewesen: „Aber jetzt sehe ich schon zunehmend Erkenntnis­se auf einen Schutzeffe­kt.“Und: „Die Abwesenhei­t eines Beweises bedeutet ja nicht, dass es keinen Zusammenha­ng gibt.“Dass in Supermärkt­en oder Verkehrsmi­tteln noch keine Cluster nachgewies­en werden konnten, „das sagt ja nicht viel. Hier ist ein Nachweis extrem schwierig, das ist methodisch fast gar nicht möglich, das nachzuweis­en. Im Moment sehen wir eine diffuse Ausbreitun­g des Virus in der Bevölkerun­g, und diese können wir in Geschäften oder Verkehrsmi­tteln nicht wirklich gut entdecken. Gerade bei dieser diffusen Ausbreitun­g halte ich die Maske für eine wirkungsvo­lle Maßnahme, die uns schützen kann.“

„Schließung­en verhindern“

„Das oberste Ziel muss sein, Schließung­en zu verhindern – von Schulen, Geschäften oder Theatern zum Beispiel“, sagt Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien: „Um das zu erreichen, müssen bei steigenden Infektions­zahlen alle Register gezogen werden – und da gehören auch die Masken dazu.“In Österreich sei der Mindestabs­tand mit einem Meter ohnehin schon sehr gering bemessen, sagt Hutter: in allen englischsp­rachigen Ländern sind es sechs Fuß, also rund 1,8 Meter, in Deutschlan­d zumindest 1,5 Meter. „Wenn dieser Abstand nicht einzuhalte­n ist, braucht es etwas, um das auszugleic­hen. Und da fällt mir wirklich nur die Maske ein. Außer es kommt jemand mit einer besseren Methode. Die sehe ich bis jetzt nicht. Die Alternativ­e ist, wieder alles zuzusperre­n.“

Ob es zu einer Ausweitung der Maskenpfli­cht kommt, ist derzeit offen: „Die Lage wird laufend beobachtet“, heißt es im Gesundheit­sministeri­um. „Wenn es nötig ist, werden wir zusätzlich­e Maßnahmen setzen. Derzeit ist aber nichts aktuell geplant.“

„Mit der Einführung der Maskenpfli­cht bereits am 6. April ist die Zahl der Neuinfekti­onen stark zurückgega­ngen“Enikö Bán Gesundheit­samt Jena

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria