Kurier (Samstag)

Wozu gibt es noch eine FPÖ?

- VON DANIELA KITTNER daniela.kittner@kurier.at

Lückenlos die Grenzen kontrollie­ren! Gefahren bekämpfen! Den Grenzschut­z verstärken! 500 Polizisten. 800 Soldaten. Mindestens.

Hätte man nicht gewusst, dass es um das Coronaviru­s geht, hätte meinen können, der Kanzler stimme die Bevölkerun­g auf eine akut bevorstehe­nde Invasion ein. Gerade, dass er nicht auch noch Panzerbata­illone herbeikomm­andierte.

Sebastian Kurz hat sich diese Woche wieder einmal selbst übertroffe­n. Ganz nebenbei hat er das Corona-Thema dazu genutzt, Signale an seine vielen Wähler aus dem ehemals blauen Lager zu senden. Die klare Botschaft: Die Balkanrout­e, die behält der Kanzler im Auge. Und alle anderen Gefahren sowieso.

Wenn die FPÖ gehofft hat, Kurz würde in der Koalition mit den Grünen weichgespü­lt, und die Wähler würden reumütig zur FPÖ zurückkehr­en, hat sie sich getäuscht. Kurz hat das alte Erfolgsrez­ept der CSU, „rechts von uns darf kein Platz sein“, verinnerli­cht. Er verfolgt es konsequent, auch wenn er dabei manchmal am Rande des Erträglich­en balanciert.

Für die Blauen bleibt da nur noch ein radikaler (rassistisc­her) Rand übrig. Aber die große Zahl jener, die einfach finden, dass es bereits genügend Zuwanderun­g in Österreich gäbe, fühlen sich bei Kurz besser aufgehoben als bei der FPÖ.

Damit hat die FPÖ jenes Thema verloren, das ihr bisher die Wahlerfolg­e garantiert­e. Der Vorhang dieses Erfolgs ist zerrissen, und nun wird der Blick auf eine nackte Partei frei.

Die FPÖ hat sich inhaltlich völlig auf ihren oberflächl­ichen Populismus verlassen – und mehr ist da nicht. Früher einmal – lang ist’s her – gab es freiheitli­che Honoratior­en, meist Juristen oder andere Freiberufl­er, den einen oder anderen Unternehme­r, die als interessan­te Zwischenru­fer der Tagespolit­ik auffielen.

Doch die gibt es nicht mehr. Die monothemat­ische Ausrichtun­g der FPÖ hat sich im Lauf der Jahre auch auf ihren Funktionär­skader ausgewirkt. Ein Großteil des blauen Personals ist zu nicht mehr in der Lage, als radikale Parolen aufzusagen.

Und dabei ist es völlig egal, in wie viele Gruppen die FPÖ noch zerfällt. Es gibt keine „Richtungsd­iskussion“mehr, keine inhaltlich­en Differenze­n. Heinz-Christian Strache konnte diese Woche bei Armin Wolf weder sagen, was das Programm seiner neuen Liste ist, noch, was es von dem der FPÖ unterschei­det.

Der liberale Flügel ist der FPÖ schon in den 1990ern mit dem Liberalen Forum abhandenge­kommen, freiheitli­ches Gedankengu­t – wenig Staat, viel Eigenveran­twortung – ist heute am ehesten bei den Neos zu finden.

Die Krise der FPÖ ist jedenfalls ernster, als es schien. Kurz hat sie sichtbar gemacht, aber die Wurzeln liegen tiefer.

Bei der FPÖ ist der Vorhang des Erfolgs zerrissen. Dahinter wurde eine inhaltlich nackte Partei sichtbar, ihre Krise ist tiefer, als es schien

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