Trauben für die Tafel
Tafeltrauben müssen nicht aus dem Süden importiert werden – sie wachsen auch in Fels am Wagram
Sie schmecken nach Gummibärchen, Heidelbeere oder Ananas: Die Bio-Landwirtin Anna Paradeiser baut 75 Tafeltrauben-Sorten auf 1,7 Hektar in der niederösterreichischen Weinbau-Region Fels am Wagram an. Der fruchtbare Lössboden und das günstige Klima bieten beste Voraussetzungen für den Anbau von Weintrauben. Entstanden ist der fruchtbare Boden während der letzten Eiszeit vor 100.000 bis 10.000 Jahren. Das Besondere ist nicht allein der ökologische Fußabdruck der regionalen Weintrauben: Die BioLandwirtin setzt seit rund zehn Jahren auf pilzwiderstandsfähige Sorten, die wenig bis gar nicht gespritzt werden müssen.
Mit filigranen BallerinaFingern stibitzt sich Paradeiser eine Weinbeere nach der anderen in ihrem Traubengarten, um den Geschmack zu überprüfen: „In der Erntezeit esse ich am meisten. Am liebsten frisch bei der Ernte oder am Morgen im Frühstücksbrei.“Von manchen Sorten wie der österreichischen Katharina stehen nur wenige Reben in ihrem Versuchsgarten. „Meine Lieblingssorte ist die Pinotin: Sie schmeckt anfangs wie ein Cabernet, dann wird sie feinblumig. Die blaue Agat schmeckt nach Heidelbeere, von ihr habe ich nur fünf Stöcke, da die Beeren besonders leicht aufplatzen. Der Trend geht zu kernlosen Trauben wie die Ramdas, eine Sorte mit kleinen Beeren, die exotisch nach Ananas schmeckt.“
Umweltschutz
Die 66-jährige Niederösterreicherin stieg gleich nach der Schule in den Weinbau ihrer Eltern ein – im Unterschied zu Keltertrauben werden Tafeltrauben nicht zur Herstellung von Wein angebaut. Bereits vor 24 Jahren entschied sich die Landwirtin für die Umstellung auf Bio. Heute kümmert sich ihr Bruder um das Geschäft mit den Weinreben.
„Bei der Zucht von herkömmlichen Sorten wird mehr auf das Aussehen und die Lagerfähigkeit geachtet als auf deren Widerstandsfähigkeit. Ganz ohne Spritzen geht es daher im Bio-Anbau bei herkömmlichen Sorten nicht: Durch einen Zufall bin ich bei einem Branchen-Treffen in Bozen auf Tafeltrauben-Sorten gestoßen, die wenn überhaupt je einmal vor und nach der Blütezeit gespritzt werden müssen.“Die Landwirtin konnte es sowieso nie leiden, wenn ihr Spritzgerät mit Steinmehl, Kräutern und Schwefel verstopft war. „Meine Sorten sind der beste Umweltschutz, den es gibt.“Regnet es häufiger, dann müsse mehr als einmal gespritzt werden: „Viel Regen birgt immer die Gefahr der Fäulnis, zudem wird der Pferdemist als natürlicher Dünger weggespült, dessen Ammoniak-Geruch die Rehe vom Naschen abhält.“
Ein wenig heikel ist die Bestimmung des Ernte-Zeitpunkts, da je nach Sonnenseite einige Beeren einer Traube bereits sehr süß, andere noch unreif schmecken können.
Rund 3.500 Kilogramm Tafeltrauben erntet Paradeiser in einem guten Herbst: Ihre Trauben verkauft sie über die Bio-Höfe Adamah in Glinzendorf und Achleitner in Eferding sowie bäuerliche Netzwerke in Oberösterreich, die ihr 2,40 bis 2,50 Euro pro Kilo zahlen. Zum Vergleich: Die Weinbauern akzeptierten ein Minimum von 40 Cent pro Kilogramm, um zu überleben.
„Corona-bedingt habe ich heuer dringend nach Erntehelfern gesucht – auch für meine letzte Erntewoche würde ich noch Hilfe brauchen. Für die Arbeit im Garten braucht es kein Vorwissen: Geschickt sollte man sein – es ist eine wirklich schöne
Arbeit in der Natur. Aber leider habe ich heuer weniger Hilfe.“Zwischen 8,50 und 9 Euro zahlt die Landwirtin pro Stunde ihren Enterhelfern, die die reifen Trauben überprüfen, von der Rebe knipsen und behutsam in Lagerkisten verstauen müssen. „Wenn zu viele beschädigt werden oder ich mit der Ernte zu spät dran bin, kann ich nur noch Traubensaft pressen.“
Heimischer Mehrwert
China, Indien und die Türkei sind die drei größten Tafeltrauben-Produzenten der Welt. Die Sultana mit ihren kleinen, weißen, kernlosen Beeren ist die am häufigsten angebaute Tafeltraube. „Jene
Trauben im Supermarkt werden oft unreif geerntet, damit diese nicht leicht aufplatzen beim Transport. Deswegen sind sie nicht so aromatisch wie Trauben, die einen kurzen Transportweg haben.“
Wieso es heimische Tafeltrauben nicht im Supermarkt gibt, wenn sie doch so viel aromatischer schmecken? „Ohne Fixpreise wäre das für mich nicht rentabel und könnte meine Fixkosten nicht decken. Außerdem würde der Supermarkt-Käufer den Preis nicht zahlen.“Von der Gesellschaft würde sich Paradeiser ein Umdenken wünschen: „Es sollte nicht so sein, dass das Wertvollste den niedrigsten Wert in unserem Leben hat.“