Coronavirus mischt sich ins Wahlkampffinale
„Milde Symptome“: US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania sind in Quarantäne – wie es weitergeht im Wahlkampf und wem die neue Situation nützt
Der Knalleffekt kam genau einen Monat vor dem Wahltag: Amtsinhaber Donald Trump gab per Tweet bekannt, dass er und seine Frau Melania Corona-positiv getestet wurden. „Wir werden unsere Quarantäne und Erholung sofort beginnen. Wir werden das GEMEINSAM durchstehen“, schrieb Trump. Wenig später meldeten Vertraute „milde Symptome“beim Präsidenten, am Nachmittag wurde er laut Medienberichten „aus Vorsichtsmaßnahmen“für mehrtägigen Aufenthalt ins Militärspital „Walter Reed“geflogen.
Eines ist bereits klar: Die Corona-Infektion des Präsidenten stellt den Wahlkampf auf den Kopf und wirft Fragen nach politischen Konsequenzen auf. Der KURIER versucht, sie zu beantworten.
? Was war der Auslöser?
Hope Hicks, Beraterin aus dem allerengsten Kreis Trumps, wurde am Donnerstag positiv getestet. Die 31-Jährige war mit dem Präsidenten am Dienstag und Mittwoch im Hubschrauber Marine One und in der Präsidenten-Maschine Air Force One unterwegs – ohne Schutzmaske. Hicks hatte zuletzt direkten Kontakt mit fast der kompletten Trump-Familie, Regierungssprecherin Kayleigh McEnany und wichtigen Regierungsmitgliedern.
? Was heißt das kurzfristig für Trump?
Der Präsident muss seinen gegen den Rat der staatlichen Seuchenschutzbehörde CDC praktizierten Wahlkampf – mit Kundgebungen, die von Zehntausenden besucht werein den, abrupt auf Eis legen. Im Militärspital soll er von einer „Spezialsuite“aus die Amtsgeschäfte führen, meldeten US-Medien am Freitag. Laut einer Twitter-Aussendung seiner Sprecherin unterzieht er sich gleichzeitig einer Antikörper-Behandlung.
Ob die nächste TV-Debatte mit dem (gestern negativ getesteten) Herausforderer Joe Biden am 15. Oktober stattfindet, ist unklar.
? Könnte die Wahl am 3. November im schlimmsten Fall verschoben werden?
Theoretisch ja – praktisch nein. Um dass Datum zu verschieben, müssten Repräsentantenhaus (demokratische Mehrheit) und Senat (republikanische Mehrheit) vor dem 3. November ein Gesetz erlassen, das Trump unterschreiben muss und das vom Obersten Gerichtshof abgesegnet werden müsste. Höchst unwahrscheinlich: Die USA haben in ihrer Geschichte noch nie eine Präsidentschaftswahl verschoben.
? Wie groß ist der politische Schaden für Trump?
Der Präsident hat die Pandemie von Beginn an heruntergespielt, durch umstrittene Ratschläge über Medikamente
und angeblich vielversprechende Therapien für Verwirrung in der Bevölkerung und Entsetzen unter Medizinern gesorgt. Vor allem seine Abneigung gegen Schutzmasken fällt ihm jetzt auf den Kopf. Trump hatte seinen Herausforderer Joe Biden in der TV-Debatte am Dienstag mit Spott überzogen: „Immer, wenn man ihn sieht, hat er eine Maske. Er kann 60 Meter von Menschen entfernt reden, und er taucht mit den größten Masken auf, die ich je gesehen habe.“Am Donnerstag hatte Trump verkündet, das „Ende der Pandemie ist nah“. Dabei steigt die Zahl der Infektionen (über sieben Millionen) und Toten (rund 208.000) in Amerika kontinuierlich an.
? Könnte Trump von der Infektion auch profitieren?
Trump würde zweifelsohne Oberwasser bekommen, sollte er weiterhin nur milde Krankheitserscheinungen haben. Der Präsident und seine Anhänger würden sich dann bestätigt fühlen, dass die Coronavirus-Pandemie so schlimm nicht ist. Übersteht er die Krankheit weitgehend unbehelligt, könnte sogar das Image der physischen Unbesiegbarkeit des 74-Jährigen entstehen; mit mobilisierender Wirkung bei der Wahl am 3. November.
? Was passiert, wenn Trump schwer erkrankt?
Kurz gesagt: Mike Pence, der Vizepräsident – er ist übrigens nicht infiziert –, würde die Amtsgeschäfte übernehmen. Erkrankte auch er, wäre Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, dran.
? Warum ist in diesem Zusammenhang der 25. Zusatz der amerikanischen Verfassung so wichtig?
Das „25th Amendment“von 1967 regelt, was passiert, wenn die Ämter des Präsidenten und Vizepräsidenten wegen Todes, Rücktritts oder Amtsunfähigkeit neu zu besetzen sind. Müsste Trump im Falle eines schweren Krankheitsverlaufs etwa an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden, wären seine Amtsfähigkeiten blockiert. In einer Erklärung an den Kongress müsste Trump dies offiziell machen. Vize Mike Pence wäre sofort „acting president“.
? Wurde der 25. bereits einmal aktiviert?
Das als Antwort auf die Ermordung von Präsident John F. Kennedy 1963 geschaffene Instrumentarium wurde mehrfach begrenzt angewendet. 1974 nach dem Rücktritt von Präsident Richard Nixon wegen der Watergate-Abhöraffäre, als dessen Vize Gerald Ford nachrückte. 1985 gab Ronald Reagan wegen einer Krebsoperation seine Vollmachten für Stunden an seinen Vize George Bush ab.
? In sozialen Medien wird spekuliert, dass die Infektion ein Wahlkampf-Trick sein könnte. Was ist da dran?
Bislang gibt es keine seriöse Quelle, die darauf hindeutet. Über den tatsächlichen Gesundheitszustand Trumps gab es seit Beginn seiner Amtszeit immer wieder Zweifel. Atteste seiner Leibärzte waren unvollständig oder zu pauschal.