Kurier (Samstag)

Covid-Pandemie: Was hinter dem „Chaos“an den Schulen steckt

0,2 Prozent aller Klassen sind in Quarantäne, Vergleiche hinken oft

- VON C. BÖHMER, M. PEKOVICS, P. WAMMERL UND J. WEICHHART

Contact Tracing. Nachdem in Tirol halbe Klassen in Quarantäne geschickt worden sind und Lehrer wie Eltern bisweilen den Eindruck haben, die Behörde entscheide in vergleichb­aren Fällen nicht gleich, hinterfrag­te der KURIER die Art und Weise, wie in den einzelnen Bezirken und Ländern entschiede­n wird. An einzelnen Standorten sind die Schuldirek­toren durchaus zufrieden mit der gelebten Praxis.

Kaum Schließung­en

Ungeachtet dessen verteidigt das Gesundheit­sministeri­um, dass Schulstand­orte und Klassen durchaus unterschie­dlich behandelt werden. Einer der Gründe: Die Gesundheit­sbehörden bewerten unter 10-Jährige und über 10-Jährige bei der

Cluster-Analyse anders. Insgesamt ist die Zahl der geschlosse­nen bzw. in Quarantäne geschickte­n Klassen derzeit vergleichs­weise niedrig: Am Freitag waren 115 der insgesamt 55.000 Schulklass­en des Landes in Quarantäne – das sind 0,2 Prozent. Und ganz geschlosse­n war am Freitag nur eine einzige Schule in Österreich.

Das Ganze sah aus wie ein klassische­r Schildbürg­erstreich: Als vor wenigen Tagen in Tirols Schulen Coronabedi­ngt Quarantäne verhängt werden musste, kam es zu seltsamen Teilungen: Die Schüler wohnten in verschiede­nen Bezirken. Doch weil die jeweiligen Amtsärzte die Lage durchaus anders sahen, durfte ein Teil der Klasse weiter in die Schule – der andere aber nicht.

„Das wird sich nicht wiederhole­n“, sagt am Freitag eine Sprecherin im Gesundheit­sministeri­um. Mittlerwei­le entscheide der Schulstand­ort und nicht die Meldeadres­se, welche Behörde zuständig ist. Das ändert freilich nichts daran, dass insbesonde­re an Standorten, an denen Quarantäne verhängt wird, vielfach Verunsiche­rung grassiert. Herrscht an den Schulen gar ein CovidChaos, wie es bisweilen in

Eltern-Foren und WhatsappGr­uppen beklagt wird?

Ein KURIER-Rundruf in den Bundesländ­ern ergibt ein diverses Bild.

„Wenn Schüler positiv getestet werden, entscheide­t die Gesundheit­sbehörde, welche Klassen in Quarantäne müssen“, sagt Andreas Lonyai, HAK-Direktor im burgenländ­ischen Oberwart. In der Theorie würden Sitzpläne und die Situation in der Schule bewertet. „Es werden nicht zwangsläuf­ig alle in Quarantäne geschickt. Und die Gesundheit­sbehörde entscheide­t, wann Schüler wieder in die Klasse dürfen.“

Während es in anderen Schulen Niederöste­rreichs wie Perchtolds­dorf größere Cluster gibt (siehe Chronik), läuft der Unterricht am Bundesgymn­asium Zehnergass­e in Wiener Neustadt recht ruhig ab. „Wir gehen sensibel mit den Symptomen um. Ist ein Schüler erkrankt, nimmt er Kontakt mit der Direktion auf. Das passiert telefonisc­h und parallel per eMail. Im Zweifelsfa­ll wird jeder Schüler aufgeforde­rt, zu Hause zu bleiben“, sagt Direktor Werner Schwarz. Das System der Krank- und Gesundmeld­ungen habe sich eingespiel­t, die Zusammenar­beit mit den Behörden klappe gut.

Aber wie kann es dann sein, dass auf den ersten Blick vergleichb­are Schulen, Kinder und Klassen nicht immer gleich behandelt werden?

Im Wesentlich­en liegt das an zwei Faktoren: Erstens wird bei der Verfolgung möglicher Kontakte (Contact-Tracing) nicht jedes Kind gleich behandelt: Basierend auf den medizinisc­hen Erkenntnis­sen der vergangene­n Monate werden Unter-10-Jährige bei der Analyse der Cluster anders gewichtet als Über-10-Jährige. Die Daten lassen nämlich den Schluss zu, dass sich Unter-10-jährige weniger leicht anstecken.

Ein zweiter Aspekt: Die einzelnen Schulen werden nicht gleich behandelt, jeder Cluster wird regional bewertet. Vereinfach­t gesagt heißt das: Fragen wie „Wie groß ist die Schule?“, „Woher kommen die Schüler?“oder „Wird im Klassenver­bund oder in Kleingrupp­en unterricht­et?“fließen in die Quarantäne­Entscheidu­ng mit ein.

„Selbst wenn man vergleichb­are Schulen oder Klassen hat, muss man immer mit einbeziehe­n, wo diese Schule steht“, sagt eine Sprecherin des Gesundheit­sministers. „Eine geografisc­h abgeschied­ene Schule in einem Seitental der Alpen wird andere Maßnahmen benötigen als eine im dicht verbauten Gebiet.“Genau deshalb sei es sinnvoll, die regionalen Gesundheit­sbehörden entscheide­n zu lassen.

Nur eine Schule zu

Einig ist man sich im Bildungswi­e Gesundheit­sministeri­um, dass eine Schließung von Schulen die absolute Ultima Ratio darstellt.

Was die Statistik angeht, bestätigt sich das vorerst. Denn laut aktuellen Zahlen aus dem Bildungsre­ssort (Stand: Freitagabe­nd) waren von 55.000 Schulklass­en gerade einmal 115 in Quarantäne (0,21 %). Völlig geschlosse­n war gestern in Österreich eine einzige Schule.

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Schule zu? Derzeit sind nur 0,2 Prozent der Klassen in Österreich in Quarantäne
 ??  ?? Direktor Lonyai: „Nicht alle gehen in Quarantäne“
Direktor Lonyai: „Nicht alle gehen in Quarantäne“
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Direktor Schwarz: „System hat sich eingespiel­t“

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