Europas Metropolen sind nicht auf einer Wellenlänge mit Wien
Marke von 100.000 täglich erstmals überstiegen
In Europa ist die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen erstmals über die Marke von 100.000 gesprungen. Vielerorts sind die Intensivstationen am Limit. Regierungen verhängen strengere Regeln, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. In vielen Metropolen sind die Maßnahmen bereits jetzt strenger als in Wien.
In Berlin ist die Party vorbei. „Wir müssen das Nachtleben einfach ausschalten“, ließ Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci alle Feierwütigen wissen – in der deutschen Hauptstadt müssen ab Samstag alle Lokale um 23 Uhr sperren. Illegale Partys hatten sich zuletzt zu einem massiven Treiber der zweiten Welle entwickelt, darum dürfen sich künftig selbst im Freien nachts nur noch fünf Personen oder Angehörige aus zwei Haushalten treffen.
Wieso das alles? Weil Berlin seit Kurzem als Risikogebiet gilt – in Deutschland ist das der Fall, sobald eine Region die Sieben-Tages-Inzidenz von 50 übersteigt, also binnen der vergangenen sieben Tage mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern aufweist. Die deutsche Hauptstadt hat am Freitag erstmals 52,8 erreicht.
Alkoholverbot geplant
Das ist aus Sicht anderer europäischer Länder durchaus bemerkenswert. Denn gerade im Vergleich mit anderen Metropolen steht Berlin ganz gut da. Wien etwa, Österreichs Hotspot Nummer eins, liegt seit Freitag bei einem Inzidenz-Wert von 150,12 – hat also ein mehr als dreimal so dramatisches Infektionsgeschehen wie die deutsche Hauptstadt.
Maßnahmen wie in Berlin und anderen deutschen Städten – für Risikogebiete wurde ein Urlaubsverbot für die Herbstferien erlassen, ein öffentliches Alkoholverbot ist angedacht – gibt es in Wien aber nicht. Und auch im Vergleich mit jenen Metropolen, die zuletzt ähnlich hohe Fallzahlen wie Wien hatten, wirkt der österreichische Weg eher moderat: In Großbritannien soll kommende Woche ein ähnliches Modell wie in Deutschland umgesetzt werden. Damit würden in London, wo es ein geringeres Infektionsgeschehen als in Wien gibt, nicht nur Pubs und Restaurants schließen, sondern auch Treffen mit haushaltsfremden Personen untersagt werden.
In den Städten, in denen sich das Virus rasanter ausbreitet als in Wien, hat man ohnehin schon eine schärfere Gangart eingelegt. Prag verordnete am Freitag allen
Lokalen eine Sperrstunde ab 20 Uhr; Schwimmbäder, Fitnesscenter, Kinos und Theater müssen schließen. Auch Sportveranstaltungen sind abgesagt, zudem wird in Einkaufszentren das WLAN abgeschaltet, um Ansammlungen zu vermeiden.
Auch Brüssel, wo man mit den steigenden Zahlen kämpft, hat schon Schritte gesetzt; seit Donnerstag sind alle Cafés und Bars zu, Masken müssen beinahe überall – auch im Freien – getragen werden. Paris hat genau dieselben Maßnahmen schon Ende August angekündigt.
Madrid wird abgeriegelt
In Madrid (Sieben-Tages-Inzidenz von 305) sind die Maßnahmen derzeit am drastischsten. Nachdem sich die Stadtregierung lange gegen einen Lockdown gewehrt hatte, verhängte die Regierung am Freitag den Notstand über die Hauptstadt. Einwohner dürfen ihre Bezirke nur noch verlassen, um zur Arbeit zu fahren oder einen Arzt aufzusuchen.