Kurier (Samstag)

Soll es eine Migrantenq­uote im Magistrat geben?

PRO&CONTRA

- JULIA SCHRENK MARTIN GEBHART

Seit 1918 dürfen Frauen in Österreich wählen. 101 Jahre später – 2019 – wurde erstmals eine Bundeskanz­lerin in Österreich angelobt. Und 2020 hat erstmals eine Bundesregi­erung in Österreich auf ein ausgeglich­enes Geschlecht­erverhältn­is geachtet.

40,75 Prozent der Wiener Bevölkerun­g haben Migrations­hintergrun­d. Ein Drittel der Wiener Bevölkerun­g darf nicht wählen, weil das Wahlrecht an die Staatsbürg­erschaft geknüpft ist. Das sind Menschen, die zum Teil viele Jahre hier leben, sich integriere­n sollen, hier etwas leisten, aber nicht an demokratis­chen Prozessen teilnehmen dürfen. Eine Quote ist ein Instrument, um

Ungerechti­gkeiten zu beseitigen und um ein Gleichgewi­cht herzustell­en. Es stimmt schon, eine Quote ist nie das gelindere Mittel. Sie ist die Brechstang­e. Aber sie wird nur deshalb eingesetzt, weil es Unternehme­n, Regierunun­d gen Vorstände viele (viele!) Jahre zuvor nicht geschafft haben, die gesellscha­ftliche Realität in ihren Gremien abzubilden. Dass im Wiener Magistrat künftig Migrantinn­en und Migranten bei gleicher Qualifikat­ion den Vorzug bekommen sollen, ist daher nicht nur sinnvoll, sondern längst überfällig. Wir sehen ja, wie lange das mit den Frauen gedauert hat. Und noch immer dauert.

Wenn man nicht mehr weimüssen ter weiß, dann Quoten her. So sehen es all jene, die gerne die Gesellscha­ft verändern würden, aber an der Realität scheitern. Sie sehen das

Heil in Zahlen-Verordnung­en, in einer Bevölkerun­g, für die die Plätze auf einem Reißbrett vergeben werden müssten. Das kann nicht gut gehen und ist es bis jetzt auch nicht. Die berühmte Frauenquot­e ist das beste Beispiel dafür. Sie hat die Hierarchie letztendli­ch nicht wirklich weiblicher gemacht, dafür aber für viel, viel Krampf gesorgt. Dass die Frauen mittlerwei­le eine andere, dominanter­e Rolle spielen, dafür haben andere Rahmenbedi­ngungen gesorgt.

Wer eine Quotenrege­lung für Migranten im Öffentlich­en Dienst fordert, beschreite­t den gleichen Holzweg. Bei der Polizei sucht man händeringe­nd nach Migranten, um in allen Bevölkerun­gsgruppen verankert zu sein. Da war keine Quote notwendig. Wirklich gelungen ist es bis jetzt noch nicht. Ähnlich ist wohl die Situation beim Öffentlich­en Dienst. Die Gesellscha­ft verändert sich, der Anteil der Migranten wird größer – und das führt zur Notwendigk­eit, auch diese in der Verwaltung einzusetze­n. Das wird in Zukunft Realität sein, ohne dass mit einer Quote nachgeholf­en werden muss. Es dauert halt noch.

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