Trump „back on the road“
Rundumschläge des US-Präsidenten. Demokraten wollen Amtsfähigkeit des Präsidenten prüfen lassen
25 Tage vor der Präsidentschaftswahl ähneln Donald Trumps Rundumschläge, ausgelöst durch zweistellige Umfragen-Vorsprünge seines Herausforderers Joe Biden, einem „Hail Mary Pass“. So nennen die Amerikaner einen Spielzug, den der Spielmacher einer verzweifelten Football-Mannschaft in höchster Not versucht, weil er eigentlich überhaupt nicht gelingen kann.
Trump will acht Tage nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus wegen Corona möglicherweise schon an diesem Wochenende wieder aktiv in den Wahlkampf einsteigen. Am Freitag meldeten US-Medien, dass der Präsident schon für heute, Samstag, eine Veranstaltung vor dem Weißen Haus plane. Trump werde dabei persönlich anwesend sein, berichtete CNN. Spätestens am Montag wollte Trump wieder voll „on the road“sein.
Sein Leibarzt Sean Conley habe grünes Licht gegeben. Die Therapien hätten bei dem 74-Jährigen, der seit Montag wieder im Weißen Haus ist, „extrem gut“angeschlagen. Trump sei „ohne Symptome“.
Unabhängige Ärzte warnen : Corona-Erkrankte könnten 20 Tage lang infektiös sein. Auch sei ein Rückfall nicht auszuschließen. Was der Präsident von sich weist: „Ich fühle mich großartig.“Ob Trump ein negatives TestErgebnis vorlegt, was nach den Regularien der staatlichen Seuchenschutzbehörde CDC Bedingung für einen öffentlichen Auftritt wäre, ist unklar. Am Freitagabend wollte sich der Präsident im TV einem quasi öffentlichen Arzttermin unterziehen.
Trump kündigte seine Rückkehr im Laufe der Woche mit Botschaften an, die in republikanischen Kreisen als „unnötige Selbstverletzungen“empfunden werden. Zuerst die Absage eines Konjunktur-Pakets, dann das Nein zum zweiten TV-Duell mit Joe Biden; jeweils mit Rückziehern versehen. Dann am Donnerstag eine Wut-Orgie auf Fox News, bei der Trump die demokratische Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris als „Monster“beschimpfte. Er richtete die Salven auch auf die eigenen Reihen.
Loyalisten im Visier
So verlangte er von Justizminister Bill Barr, unverzüglich Vorgänger Barack Obama und dessen damaligen Vizepräsidenten Joe Biden unter Anklage zu stellen. Begründung: Sie hätten 2016 ein Komplott gegen ihn dirigiert und seine Wahlkampagne in den Verdacht gerückt, mit Russland konspiriert zu haben. Barr besitze „alle nötigen Informationen“und gehe entweder als „größter Justizminister“Amerikas in die Geschichte ein „oder als sehr traurige Begebenheit“.
Ähnliches Kaliber fuhr Trump zum ersten Mal gegen Außenminister Mike Pompeo auf, der zu seinen loyalsten Anhängern gehört. Der ChefDiplomat schaffe es einfach nicht, Dokumente zu veröffentlichen, die belegten, dass Trumps Rivalin 2016, Hillary Clinton, am Russland-Komplott maßgeblich beteiligt gewesen sei. „Ich bin nicht glücklich über ihn“, sagte Trump in Richtung Pompeo.
Als Dritter im Bunde bekam Christopher Wray eine Breitseite ab. Trump vermisst beim Chef des FBI Unterstützung im Russland-Komplex – „enttäuschend“.
Nicht amtsfähig?
Die Demokraten wollten am Freitag einen Gesetzentwurf vorstellen, der ein Kongressgremium etabliert, um die Amtsfähigkeit Trumps überprüfen zu lassen. Trump leide an „Realitätsverlust, der lustig wäre“, wenn er angesichts von 210.000 Corona-Toten „nicht so tödlich wäre“, sagte die Oppositionsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. Weil die Republikaner im Senat die Mehrheit haben, ist das Gesetz zum Scheitern verurteilt. Trump konterte: Nicht er, sondern die „verrückte Nancy“müsse unter Beobachtung gestellt werden.
Eine weitere frische Baustelle hat sich Trump mit Gretchen Whitmer aufgerissen. Michigans demokratische Gouverneurin war in der Corona-Krise durch rigide Maßnahmen bei Trump in Ungnade gefallen. „Befreit
Michigan“, schrieb er im Frühjahr auf Twitter. Die Aufforderung hätte beinahe Früchte getragen. Das FBI hat 13 weiße Rechtsextremisten verhaftet, von denen einige Whitmer entführen, das Parlament in der Hauptstadt
Lansing besetzen und einen Bürgerkrieg anzetteln wollten. Whitmer warf Trump vor, Stichwortgeber für „Inlandsterroristen“zu sein. Seine Antwort: „Statt Danke zu sagen“... „behandelt sie mich wie einen weißen Rassisten“.
Zeitmaschine. John Lennons Sohn ist „zutiefst berührt“, wenn er die alten Lieder seines Vaters hört, der am Freitag 80 Jahre alt geworden wäre. Besonders sei das Soloalbum „Double Fantasy“und die Erinnerung daran, wie es aufgenommen wurde: „Einige dieser Sachen brechen mir einfach das Herz, denn ... es ist wie eine Zeitmaschine“.