Das Ja zu Österreich blieb unbedankt
Die hysterische Propaganda auf beiden Seiten erreichtesieaufihrenHöfen nur gelegentlich, und den Versprechen der Politik schenkten sie nach all den Jahren mit Hunger und Krieg ohnehin kaum Glauben. Kärntens slowenische Bauern hatten ganz praktische Sorgen, als sie im Oktober 1920 ihre Stimme abgaben. Eine Volksabstimmung sollte darüber entscheiden, ob man nun zu Österreich gehören sollte oder zu einem anderen, ebenso gerade erst ins Leben gerufenen Staat: dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, kurz SHS-Staat.
Eine Grenze war gezogen worden, trennte, was bis 1918 Teil der österreichischen Reichshälfte der k.u.k-Monarchie gewesen war. Für die slowenischen Bauern in Unterkärnten war es vor allem eine wirtschaftliche
Postkarte und zweisprachige Propagandaplakate für die Abstimmung 1920
November: Unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs dringen Truppen des SHS-Staates (später Jugoslawien) in Kärnten ein Frage, auf welcher Seite der Grenze sie landen würden. „Für einen slowenischen Bauern in Unterkärnten waren Städte wie Klagenfurt und Villach seine Bezugspunkte“, erläutert der Kärntner Historiker Hellwig Valentin: „Von dort wollte er nicht abgeschnitten werden. Nach Laibach oder Marburg konnte er ja seine Ware nicht liefern.“Auch fühltensichdiekatholischenSlowenen Österreich einfach näher als der Monarchie im fernen Belgrad, die noch dazu vom serbischen Militär dominiert wurde.
Entsprechend klar fiel das Ergebnis der Volksabstimmung aus: 60 Prozent der Stimmberechtigten in den umstrittenen Gebieten in Unterkärnten sollten sich für Österreich entscheiden, nur 40 Prozent für den SHS-Staat. Entscheidend
Der wachsende Nationalismus richtet sich gegen die slowenische Minderheit, ihre Rechte werden zunehmend ausgehöhlt. Der deutschnationale Historiker Martin Wutte trennt sie in Slowenen und Windische, die gar nicht slowenisch sprechen würden.
Die Regierung Kreisky beschließt die Errichtung zweisprachiger Ortstafeln. Es kommt zu Protesten, viele Tafeln werden gewaltsam entfernt („Ortstafelsturm“).
Dezember: Die Kärntner Landesregierung beschließt – ohne Hilfe der Regierung in Wien – den bewaffneten Kampf. Im „Kärntner Abwehrkampf“werden Orte wie Arnoldstein oder Ferlach zurückerobert.
aber – darüber sind sich Historiker heute einig – waren die Stimmen der Kärntner Slowenen. Jeder Zweite von ihnen hatte sich für Österreich entschieden.
Doch dieses „Ja“zu Kärnten, die eigentliche Botschaft dieser Volksabstimmung sollte sehr bald unter einem Wust an nationalistischer und zunehmend feindseliger Propaganda verschwinden. Seit dem späten 19. Jahrhundert hatte der Nationalismus Kärnten wie auch die Krain, das heutige Slowenien, befallen. Wo man über Jahrhunderte friedlich zusammengelebt, wo ein slowenischer Bauer seinen deutschsprachigen Nachbarn zumindest einigermaßen verstanden hatte – und umgekehrt – ging es auf einmal um Volk, Nation und Sprache. Deutsche und slowenische Kultur-, Gesangs- und Turnvereine entstehen, in denen es aber weniger
September:
Der Friedensvertrag von Saint Germain sieht eine Volksabstimmung in Südkärnten vor. SHS-Truppen dringen erneut nach Kärnten vor, Klagenfurt wird besetzt.
GESCHICHTE ZUM ANSCHAUEN Jeden Samstag im KURIER
Unter der NS-Herrschaft verlieren die Slowenen alle Minderheitenrechte. Ihre Deportation beginnt, viele Kärntner Slowenen gehen in den Untergrund und zu den jugoslawischen Partisanen, die gegen die Wehrmacht kämpfen. um Kultur, sondern vor allem um nationalistische Ideologie geht. Die Gräben zwischen den Volksgruppen werden immer tiefer. Als am Ende des Weltkriegs die Monarchie in Trümmer fällt, sprechen Ideologen auf beiden Seiten bereits vom Kampf auf Leben und Tod.
Keine echten Slowenen
All dieser Hass, diese ungelösten Konflikte kochen nach der Volksabstimmung wieder hoch. Jetzt sind es die Rechten und Deutschnationalen, die das Land spalten – und die slowenische Volksgruppe. Die dividiert man auseinander: In die „Windischen“, die brav für Österreich gestimmt hatten und doch eigentlich gar keine echten Slowenien seien, und jene Verräter, die keine Mitbürger, sondern „Volksfeinde“seien.
Das alles ist nationalistische
Gebietsverlust an Italien* 0bis25% 25 bis 50 % 50 bis 75 % mehr als 75 %
Seeland*
Die Partisanen besetzen Teile Südkärntens, ziehen sich aber auf Befehl der britischen Besatzungstruppen zurück.
Der jahrelange Kampf des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider gegen die Ortstafelregelung eskaliert. Haider lässt Ortstafeln entfernen und montiert persönlich ungesetzliche Tafeln.
Begleitmusik für eine konsequente Aushöhlung der Minderheitenrechte der Slowenen – und die setzt sich auch nach Terror der Nazidiktatur gegen die Kärntner Slowenen in der Zweiten Republik fort. Schon 1918 hatte die Kärntner Landesversammlung den Slowenen das Versprechen gegeben, ihre Rechte zu wahren. Die Zweite Republik verpflichtete sich im Staatsvertrag erneut dazu.
Ein Versprechen, das den Kärntner Slowenen bis heute sauer aufstößt, sollten sie doch um viele ihrer Rechte noch über Jahrzehnte betrogen werden. „Wenn es ein zentrales Trauma der Kärntner Slowenen gibt“, meint Valentin Inzko, Spitzendiplomat und einer der prägendsten Vertreter seiner Volksgruppe, „dann ist es das der immer wieder gegebenen und dann doch gebrochenen Versprechen.“
Gebietsverluste an SHS-Staat (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen)*
Mießtal*
*) keine Abstimmung 10. Oktober: Die Volksabstimmung findet in der sogenannten Zone A in Südkärnten statt. 59 Prozent votieren für den Verbleib bei Österreich. Eine Abstimmung in der Zone B (mit Klagenfurt) ist damit hinfällig.
Der Staatsvertrag sichert die Rechte der slowenischen Minderheit und verpflichtet Österreich zur Errichtung zweisprachiger Ortstafeln.
Bundesregierung, Landesregierung und Slowenenvertreter einigen sich auf eine Lösung für die zweisprachigen Ortstafeln. 164 werden schließlich aufgestellt.