Mein Nachbar, die Baustelle
Baugrube gesichert ist“, erklärt Gerhard Cech von der MA 37 und Leiter der Wiener Baupolizei. „Es muss ein Konzept für die Baustellenumschließung geben, um Schäden an angrenzenden Objekten zu vermeiden. Wird beispielsweise tief gegraben, müssen auch die Fundamente der Nachbarhäuser verstärkt werden.“Im besten Falle sollten also mit der Aushändigung einer Abriss-Bewilligung keine Schäden entstehen. „Treten doch welche auf, schicken wir eine Bauinspektion vor Ort.“
Die Bewohner des Zinshauses im 17. Bezirk fürchten jedoch noch etwas anderes: Lärm. Bald schon werdenBagger,Bohrhammerund Mischmaschinen um die Wette poltern,hinzukommenStaubund Schmutz. Die große Frage ist: Wie viel muss man ertragen und ab wann kann man einschreiten?
In Wien gibt es laut MA 36 ein eigenes Baulärmgesetz: Lärmende Bautätigkeiten sind demnach von Montag bis Sonntag zwischen 6 und 20 Uhr zulässig. Zwischen 22 und 6 Uhr, also während der Nachtruhe,sindsiezuunterlassen. Bei Verstößen kann die Behörde Verwaltungsstrafen verhängen.
Der Bauwerber kann aber eine Ausnahmegenehmigung beantragen – etwa wenn die Arbeiten nicht tagsüber erfolgen können. Fühlen sich Bewohner durch übermäßigen Baulärm belästigt, ist die MA 36 für die Beschwerden zuständig – diese entscheidet dann, ob ein Sachverständiger für eine Schallmessung hinzugezogen wird. „Ein gewisses Maß an Lärmoder Staubbelästigung muss aber jeder erdulden“führt Wohnrechtsexperte Rosifka aus. „Nur neben einer Baustelle zu wohnen, reicht noch nicht aus, um eine Mietzinsminderung oder einen Unterlassungsanspruch einzufordern.“Da im urbanen Raum Bautätigkeiten in Wohnbezirken durchaus vorkommen, befindet auch der Oberste Gerichtshof, dassBaustellenmitsamtderLärmund Staubbelästigungen für Bewohner im städtischen Raum zumutbar sind. „Nur wenn die Einwirkungen das gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Nutzung der Wohnung nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit einer Mietzinsminderung“, so Rosifka. „Was ortsüblich ist und ob eine Mietzinsminderung beantragt werden kann, wird aber im Einzelfall beurteilt.“
Ob der Lärm das ortsübliche Maß übersteigt, klärt der Sachverständige Dieter Blaschon. Im Auftrag von Behörden, Hausverwaltungen oder Mietern erstellt er schalltechnische Gutachten, die aufzeigen ob der Lärm im zumutbaren Rahmen liegt oder ob geeignete Schallschutzmaßnahmen getroffen werden sollten. „Als wirklich störend empfunden werden Geräusche, die mit anderen Immissionen wie Erschütterungen oder Staub verbunden sind. Man spürt undsiehtsie,esbestehteindirekter Zusammenhang zur Baustelle.“Für den Baulärm gilt es, eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen und eine unzumutbare Störung zu vermeiden. Ob diese Vorgaben eingehalten werden, überprüft Blaschon mit Messgeräten. „Ich erfasse zuerst die ortsübliche Situation ohne und anschließend mit Störgeräuschen. Die Erhöhung des Lärmpegels ist dann das Maß für eine mögliche Unzumutbarkeit.“Aus Erfahrung weiß der Experte, dass sich die meisten mit dem Baustellenlärm abfinden, da er nur für einen begrenzten Zeitraum stört. „Problematischer sind schreiende Kinder oder das Schnarchen des Nachbarn. Emotional aufgeladener Lärm wird für vieleirgendwannunerträglich.“In diesem Punkt hängt der Hausfrieden im Zinshaus im 17. Bezirk aber noch nicht schief. «