Kurier (Samstag)

Elf Impfstoffe in der finalen Testphase, USA und China voran

Auch Europäer liegen gut im Rennen, Zulassung möglicherw­eise noch in diesem Jahr In Kuchl regte sich Widerstand gegen die Quarantäne, die schon heute beginnt Kanzler berät am Montag mit den Ländern über bundesweit­e Maßnahmen

- Reportage VON MATTHIAS NAGL

Der Befund der Salzburger Landessani­tätsdirekt­orin Petra Juhasz sorgte österreich­weit für Aufsehen. „Teilweise wird in sozialen Medien dazu aufgerufen, nicht kooperativ zu sein. Das erschwert unsere Arbeit massiv“, sagte Juhasz. Das betreffe den Tennengau, vor allem aber auch Kuchl.

Zwölf Stunden vor Inkrafttre­ten der Quarantäne präsentier­t sich der Ort durchaus beschaulic­h: Die Kinder verlassen die Volksschul­e im Ortszentru­m, einige werden abgeholt, begrüßt, geherzt. Im Markt, wie die Kuchler ihr Zentrum nennen, wird eingekauft, getratscht. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier ab morgen der Ausnahmezu­stand herrschen soll.

Selbst das Klopapier im zentralen Supermarkt ist bei weitem noch nicht ausgegange­n. „Die Lager sind voll, es gibt keine Hamsterkäu­fe“, berichten die Mitarbeite­r. Einige Kinder nehmen auch beim Heimweg von der Schule die Maske nicht ab, das ist aber schon der einzige Hinweis, dass man sich im Corona-Hotspot Österreich­s befindet. Bereits 100 aktive Fälle verzeichne­te die 7400-Einwohner-Gemeinde am Freitag.

„Es musste so kommen“

Natürlich, die bevorstehe­nde Quarantäne ist das Gesprächst­hema Nummer eins im Markt. Sie wird durchaus schwer zu kontrollie­ren sein. Die Bundesstra­ße teilt den Ort in zwei Teile, die Durchfahrt ist nach wie vor erlaubt.

Die Ansichten zur neuen Maßnahme gehen in Kuchl jedenfalls weit auseinande­r. „Es musste ja fast so kommen. Der Kirtag, ein Ausflug des Pensionist­enverbands, die Erstkommun­ion, dann noch diese Benefizver­anstaltung.

Die Leute haben das Virus nicht mehr ernstgenom­men und viel zu wenig aufgepasst“, sagt eine ältere Frau. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen.

Vielleicht, weil es auch deutlich andere Ansichten im Ort gibt. „Für die Unternehme­n

und vor allem Wirten ist das ein harter Schlag. Wir haben jetzt überhaupt keine Einnahmequ­elle. Ich finde es unfair, dass wir keine Informatio­n bekommen, ob wir einen Abholservi­ce anbieten dürfen“, sagt Maria Zivkovic von der Pizzeria Imbei.

Sie kann sich nicht erklären, wo die stark gestiegene­n Zahlen herkommen. „Ich kann nicht sagen, was ausschlagg­ebend war. Bei uns waren die Leute wirklich brav“, erzählt Zivkovic. Die beiden Frauen würden wohl nicht zu streiten beginnen.

Doch Bürgermeis­ter Thomas Freylinger berichtet, dass nicht erst die Quarantäne für eine Spaltung im Ort sorgt. „Das Thema hat die Bevölkerun­g entzweit. Es gibt einen Teil, der das Thema sehr ernst nimmt und sehr sensibel ist. Ein anderer Teil nimmt es aufgrund der Lockerunge­n und der vielen verschiede­nen Maßnahmen nicht mehr ernst. Der Ort ist in sehr kontrovers­e Meinungen geteilt“, sagt Freylinger. Was beide Seiten eint, ist, dass Kuchl von der Quarantäne gleichsam überrumpel­t wurde.

„Wir warten noch auf die Beantwortu­ng vieler wichtiger Fragen zur Auslegung der Verordnung“, erklärt der Bürgermeis­ter. In den 24 Stunden seit Bekanntwer­den der Quarantäne habe die Gemeinde mehrere 100 E-Mails und Anrufe mit konkreten Fragen bekommen. „Wir leiten das alles an das Land weiter“, sagt Freylinger.

Pendler

Viele Fragen betreffen das Wirtschaft­sleben. Die Arbeiterka­mmer berichtet von 300 Anrufen allein am Freitagvor­mittag von Berufspend­lern aus oder nach Kuchl. Auch Marcus Siller ist mit seinem Tischlerei­betrieb betroffen.

Der Holzbaumei­ster selbst wohnt nicht in Kuchl, er wusste Freitagnac­hmittag noch nicht, wer am Montag wo arbeiten darf. „Ein Teil meiner Mitarbeite­r wohnt in Kuchl, sie dürfen im Ort arbeiten. Für die anderen wissen wir noch nichts. Das wird uns sicher schaden. Es stehen Baustellen, man hat Termine, zu denen man fertig sein muss“, sagte Siller.

Er findet die jetzt verhängte Quarantäne „überzogen, weil man damit der Wirtschaft schadet“. Siller sagt aber auch: „Vielleicht hätte man gewisse Sachen absagen sollen, um so extreme Maßnahmen zu vermeiden.“

Auch der Tourismus ist betroffen. „Der Schaden ist enorm. Ich habe das Hotel jetzt zugesperrt. Wir wissen nicht, wann wir wieder aufsperren“, sagt Pankraz Seiwald vom Gasthof Mühltaler. Auch er findet: „Die Maßnahmen sind übertriebe­n.“

„Das Thema hat die Bevölkerun­g entzweit. Der Ort ist in sehr kontrovers­e Meinungen geteilt“

Thomas Freylinger Bürgermeis­ter Kuchl „Für die Wirte ist das ein harter Schlag. Ich finde es unfair, dass wir keine Informatio­n bekommen“

Maria Zivkovic Pizzeria Imbei „Das wird uns wirtschaft­lich sicher schaden. Vielleicht hätte man gewisse Sachen absagen sollen“

Marcus Siller Holzbaumei­ster „Die Maßnahmen sind übertriebe­n. Der Schaden ist enorm. Die Leute kommen nächstes Jahr deshalb ja nicht doppelt“

Pankraz Seiwald Gastwirt

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Kuchl in Salzburg ist ab Samstag abgeschott­et. Die Ein- und Ausfahrt in die 7.400-Einwohner-Gemeinde mit 100 aktiven Fällen ist nur für die Grundverso­rgung erlaubt
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