Kurier (Samstag)

Sie wird fehlen

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

„Es reicht einfach nicht, was wir hier machen […], um das Unheil von uns abzuwenden. Ich persönlich bin einfach der Meinung, dass wir die Mittel in der Handhaben, uns dem Virus entgegen zu stemmen und mit ihm umzugehen .“

Alleine die Art und der Ton, mit dem Angela Merkel diese Woche vor ihre Länderchef­s und die Öffentlich­keit trat, war eine Wohltat. So will man in diesen Corona-Tagen angesproch­en werden. W irin Österreich kennen es auch anders, die Stakkato Alarm inszenieru­ngen im Frühjahr und die In format ions flaute jetzt. Die deutsche Kanzler in setzt ihre Auftritte dosiert und sagt, wenn sie etwas zu sagen hat. Und man kann die Botschaft nehmen.

Szenenwech­sel: In Berlin treten heute die Herren Röttgen, Laschet und Merz virtuell gegeneinan­der an. Ein freundlich­er ExMinister, ein biederer Länderchef und ein überehrgei­ziger Ich-will-endlich wollen zeigen, dass sie jeweils der beste Nachfolger für die CDU-Chefin und Kanzlerin wären, und der Haudrauf im Schafspelz aus Bayern, Markus Söder, kommt für Letzteres ja auch noch infrage. Und da dämmert das schier Unglaublic­he wieder: Die Ära Merkel endet gerade.

Eigentlich endet sie seit zwei Jahren. Im Oktober 2018 hat Angela Merkel verkündet, nicht mehr für den nächsten Parteivors­itz zu kandidiere­n, aber noch Kanzlerin bleiben zu wollen. Sofort hoben kluge Kommentato­ren den Finger: Schlagt nach bei Schröder, ein Kanzler, der nicht auch Parteichef ist, kann schwer regieren. Merkel strafte das, wie so viele andere Prognosen, Lügen. Sie regiert, entschloss­ener denn je. Nur ihre Partei hat seither eine Parteichef­in (AKK) verbraucht und ein Nachfolge-Herumgezup­fe der Sonderklas­se.

Nein, Angela Merkel hat nicht alles richtig gemacht als Kanzlerin und CDU-Chefin. Den Übergang zu ihrer Nachfolge nicht, und an ihrem „Wir schaffen das“zum Höhepunkt der Flüchtling­skrise hatte und hat Europa zu kauen. Aber sie hat vieles richtig gemacht. Das, was man ihr als Zaudern vorwirft, die Politik der kleinen Schritte, macht auch ihre Solidität aus. Die Pastorento­chter aus dem Osten war nie eine Visionärin und Luftplaude­rerin wie ein Emmanuel Macron, aber eine Pragmatike­rin, die Deutschlan­d mehr als gut durch sehr wogende Zeiten gelenkt hat. Die eine Führungsro­lle in Europa innehat, ohne eine alles niederdrüc­kende deutsche Dominanz. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei“, hat sie einmal angesichts von Trump und Brexit gesagt – gut, dass noch eine wie sie da ist, auf die Verlass ist.

Auch Angela Merkel kann Corona nicht aufhalten oder Europa einen. Und wenn das CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble sagt, der Merkel-Abschied ist nicht das Ende der Welt, hat er natürlich recht. Aber fehlen wird eine wie sie. Diese Woche hat es wieder gezeigt.

Das Ringen um die Nachfolge Angela Merkels geht in die nächste Runde. Sie zeigt derweil, was Deutschlan­d und Europa an ihr haben

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