Kurier (Samstag)

„Die Pleite ist eine Riesen-Sauerei“

Frequentis Das Wiener Unternehme­n verlor durch das Commerzial­bank-Aus 31 Mio. Euro

- Interview VON ROBERT KLEEDORFER

Der heimische Frequentis­Konzern notiert seit dem Vorjahr an der Börse. Investoren mussten vor Kurzem eine bittere Pille schlucken. Das Unternehme­n hatte 31 Millionen Euro bei der burgenländ­ischen Commerzial­bank angelegt. Das Geld ist nun weg. Vorstandsc­hef Norbert Haslacher erklärt im KURIER-Interview, wie es dazu kam und wie Frequentis durch die Corona-Krise kommt.

KURIER: Wieso legt man ausgerechn­et in Mattersbur­g 31 Millionen Euro an? Norbert Haslacher: Die 30,9 Millionen wurden dort über einen Zeitraum von 20 Jahren angelegt. Wir haben kein Risiko gesehen. Das Ausschlagg­ebende waren nicht die etwas höheren Zinsen. Die Bank wurde ausgewählt, weil sie ein konservati­ves Geschäftsm­odell hatte. Das hat gut zu Frequentis gepasst. Es gab nie Auffälligk­eiten und wir haben uns auf die uneingesch­ränkten Testate der Wirtschaft­sprüfer verlassen. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass da etwas nicht stimmen könnte.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob das nicht ein zu großes Risiko ist, diese hohe Summe bei einer einzigen, kleineren Bank anzulegen.

Im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter, aber es hat den internen Vorgaben entsproche­n. Die 30,9 Millionen waren das zulässige Maximum. Es hätte nicht mehr werden können. Und wir waren wegen der Erfahrung aus der Finanzkris­e der Überzeugun­g, dass ein Split von Regional- und Großbanken eine gute Risikovert­eilung ist. Es war knapp ein Drittel des Cashbestan­des, wir haben die Summe inzwischen zu 100 Prozent abgeschrie­ben.

Wie bewerten Sie die Pleite als Betroffene­r? Bilanzfäls­chung und große kriminelle Energie ist kein Privileg von Kleinbanke­n, sondern das kann bei jeder Bank passieren. Natürlich ist die Pleite eine Riesensaue­rei und ich hoffe, dass die Schuldigen entspreche­nd zur Verantwort­ung gezogen werden und wenn sie schuldig gesprochen werden, im Gefängnis landen.

Versuchen Sie mit Klagen das Geld zurückzuho­len?

Davon können Sie ausgehen, dass das bereits im Laufen ist.

Wird es personelle geben?

Konsequenz­en

Konzern im Überblick

Die 1947 gegründete Frequentis wurde 1986 von Hannes Bardach übernommen. Er konzentrie­rte sich auf die Entwicklun­g von Sicherheit­ssystemen. Dort ist Frequentis mit rund 1.900 Mitarbeite­rn heute in drei Bereichen Weltmarktf­ührer. Die Familie Bardach hält noch rund 70 Prozent der Anteile. Heuer gewann Bardach den Hermes-Wirtschaft­spreis in der Kategorie „Entreprene­ur“

Nein, der Finanzvors­tändin (Gründerin und Miteigentü­merin Sylvia Bardach, Anm) kann man die wenigsten Vorwürfe machen und man darf nicht vergessen, sie ist ja auch Eigentümer­in. 20 der 30,9 Millionen entfallen ja auf die Familie Bardach.

Gab es sonstige Folgen?

Wir haben externe Wirtschaft­skanzleien und Universitä­ten unsere Prozesse überprüfen lassen, die Veranlagun­gspolitik, das Risikomana­gement und es wurde bestätigt, dass alles in Ordnung ist. Dennoch haben wir die Obergrenze­n für Einlagen reduziert und den Anteil an systemrele­vanten Banken in Europa und den USA erhöht.

Was haben Ihre dazu gesagt?

Für die meisten ist das Thema inzwischen abgehakt. Sie haben zwar gesagt, schade, dass das Geld weg ist, aber gut, dass das laufende Geschäft nicht betroffen ist. Und wir haben noch immer 51 Millionen Cash.

Investoren

Wie sehr beeinfluss­t die Pandemie

das Geschäft von Frequentis?

Corona beschäftig­t uns schon seit Februar, weil wir es nie als chinesisch­es Problem gesehen haben. Wir haben sehr früh begonnen, einen Krisenstab zu etablieren, dem ich auch selbst vorstehe. Wir hatten im Februar/März die Angst, dass die Aufträge zurückgehe­n könnten, aber das ist nicht eingetrete­n. Wir haben im ersten Halbjahr um fast 30 Prozent mehr Aufträge gehabt.

Worauf war das zurückzufü­hren?

Unser Geschäftsm­odell ist gut diversifiz­iert; wir sind nicht nur in 140 Ländern tätig, sondern auch zwischen den Bereichen Flugsicher­ung, öffentlich­e Sicherheit und maritimen Geschäft. Vielen Investoren mussten wir erklären, dass wir nicht am Flughafen oder für die Airlines tätig sind. Sondern wir sind Lieferante­n für nationale sicherheit­srelevante Infrastruk­turen. Unsere Kunden sind Behörden oder behördenna­he Organisati­onen. Die kann man nicht einfach wegrationa­lisieren. Die müssen ja weiterbetr­ieben werden, egal wie viele Flugzeuge unterwegs sind. Und dafür wird der Staat immer Geld bereitstel­len.

Gab es auch Probleme?

Schwierigk­eiten hat uns teilweise die Auslieferu­ng der Systeme infolge des Lockdowns gemacht. Nach wie vor nach Asien ausgenomme­n China sowie Südamerika. Dort, wo wir lokale Töchter haben wie USA oder Australien, hat man uns aus Wien nicht gebraucht. Einige Kunden sind auf virtuelle Abnahmen über Skype oder Teams umgestiege­n. Sie haben teilweise sogar die Software ohne unsere direkte Anwesenhei­t eingespiel­t. Das war vor einem Jahr undenkbar, dass ein Behördenku­nde aus einem sicherheit­skritische­n Bereich das macht.

Das Fluggeschä­ft ist der größte Geschäftsb­ereich von Frequentis. Gibt es da gar keinen negativen Effekt?

Wir haben um 20 Prozent mehr Auftragsei­ngang im ersten Halbjahr im Volumen von 450 Millionen Euro gehabt. Die Aussagen unserer Kunden waren zwei Punkte: zum einen haben sie aus 9/11 gelernt. Damals wurden Budgets herunterge­fahren und Projekte gestoppt. Bis das wieder in Gang gekommen ist, sind zwei Jahre verloren gegangen. Zum anderen hatten im Frühjahr viele Mitarbeite­r bei unseren Kunden nichts zu tun, sodass sie für neue Projekte Zeit hatten. Und bei den Ausschreib­ungen für 2021 hat sich nicht wahnsinnig viel verändert.

Beim Börsekurs merkt man von den guten Zahlen kaum etwas. Nach dem Einbruch im März ging es nur verhalten nach oben.

Ich bin eigentlich zufrieden mit dem Kurs, bedenkt man, dass der ATX 34 Prozent verloren hat seit Jahresbegi­nn, wir aber nur 12 Prozent. Die Anleger haben Panik bekommen, dass Frequentis keine Aufträge mehr bekommt. Und jetzt ist die allgemeine Stimmung, dass man nicht weiß, wie es in den USA nach den Wahlen weitergeht und ob es zu einem zweiten Lockdown kommt. Dafür, dass wir im Luftfahrtb­ereich angesiedel­t sind, halten wir uns echt gut.

 ??  ?? Norbert Haslacher (49) wurde 2015 Frequentis-Vertriebsc­hef. Von Hannes Bardach bekam er 2018 den Vorstandsv­orsitz übertragen
Norbert Haslacher (49) wurde 2015 Frequentis-Vertriebsc­hef. Von Hannes Bardach bekam er 2018 den Vorstandsv­orsitz übertragen

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